Aktiv muss sein

Aus den traditionellen Finanzmärkten ist folgende Debatte nur allzu bekannt: Aktives oder passives Investieren? Beim jungen und daher hochvolatilen Kryptomarkt sei diese Frage gemäss Kryptotrader Christian Zulliger derweil einfach zu beantworten.

Text: Pascal Hügli

Die ist verschwindend klein und strotzt dennoch von unüberschaubarer Vielfalt: Gerade mal eine Viertel Billion bringen Kryptoassets auf die Waage – doch gibt es bereits Tausende davon. Und täglich scheinen neue dazuzukommen. Wie soll man da den Überblick behalten? Und noch wichtiger: wie investieren? Man solle möglichst stark diversifizieren, am besten über passive Produkte wie breit aufgestellte Indexfonds, antworten viele.

Über die vergangenen zwei Jahre sind denn auch einige solcher Produkte auf den Markt gekommen. So lancierte der Finanzdienstleister Bitwise jeweils einen Large, Mid and Small Cap Crypto Index. Weitere bekannte Produkte sind der Bloomberg Galaxy Crypto Index (BGCI) oder der Crypto20 Index Fund. In der Schweiz hat das Start-up Amun mehrere Indexprodukte an der SIX gelistet. Und die Crypto Fund AG verfügt neben einem aktiv verwalteten Produkt auch über einen passiven Index namens CMI10 Tracker.

Passive oder aktive Strategie?

Doch gerade diese passiven Fonds haben seit der Preiskorrektur von Anfang 2018 ziemlich stark geblutet. Verluste von 60 bis 80 Prozent zwangen einige Anbieter, ihre Produkte zu schliessen. Andere versuchen, ihre Kunden mehr schlecht als recht bei Stange zu halten. In der Hoffnung, Bitcoin werde sein ehemaliges Allzeithoch wieder überschreiten und den Fonds möglicherweise wieder in die schwarzen Zahlen führen.

Bis dahin könnte es allerdings noch ein Weilchen dauern – die Opportunitätskosten und die verpassten Chancen häufen sich mit jedem verstrichenen Tag. «Um hier entgegenwirken zu können, bedarf es zwingend einer aktiven Herangehensweise», sagt Christian Zulliger, Portfolio und Risk Manager des unabhängigen Vermögensverwalters und Family Office Resilience AG aus Erlenbach (Zürich).

Seine ersten Kryptoinvestitionen tätigte Zulliger 2012. Mit dem Hayek Club, einer Vereinigung liberaler Ökonomen, studierte er schon sehr früh das Phänomen des privaten Geldwettbewerbs. 2013 organisierte er schliesslich das erste (als Fondue-Plausch getarnte) Investorentreffen für Kryptoassets, wo die Pioniere des Zuger Crypto Valley auf professionelle Investoren trafen.

Als Kryptoassets 2017 nur eine Richtung kannten – nach oben –, hätten die Indexprodukte wunderbar funktioniert, so Zulliger. Mit dem Preiszerfall und der Stagnierung bei 6000 beziehungsweise 10 000 Franken pro Bitcoin, hätten die passiven Produkte ihren Charme verloren. Anstelle einer positiven Performance würden Verwaltungs-, Anmeldungs- und Rücknahmegebühr anfallen, so das vernichtende Verdikt des Trading-Experten. Gemäss Zulliger ist die Buy-and-Hold-Strategie – unter Bitcoin-Enthusiasten Hodl genannt – eine beliebte Vorgehensweise.

Dabei lässt man seine anfängliche Bitcoin-Investition auch während eines Bärenmarktes einfach liegen, bis eine neuerliche Euphoriewelle den Bitcoin wieder zu neuen Kursrekorden beflüglt. Diese Strategie eignet sich gemäss Zulliger für unerfahrene Kryptoanleger vorzüglich – aber nicht für institutionelle Investoren. Ihnen fehlten oft die Zeit, das Durchhaltevermögen sowie der feste Glaube, preistechnische Durststrecken bei Bitcoin ohne weiteres durchstehen zu können, ist Zulliger überzeugt.

Volatilität ausnutzen

Bitcoin ist nun etwas mehr als zehn Jahre alt – und somit immer noch jung. Doch die meisten anderen Kryptoassets sind noch jünger. Wenig verwunderlich also, dass die Volatilität des Gesamtmarktes nach wie vor sehr hoch ist. Angesichts dieser Tatsache gilt es gemäss Kryptoanlageexperte Zulliger vor allem eines auf die Reihe zu kriegen: das Risiko des Kursrückgangs, unter Tradern auch «Downside Risk» genannt. «Wer es schafft, seinen maximalen Drawdown, also den höchstmöglichen Verlust, möglichst tief zu halten, hat schon einiges gewonnen». Je geringer die Verluste im Abwärtstrend, desto grösser die Summe, mit der man am Tiefpunkt wieder einsteigen könne.

Setzt der Bullen markt nach einem Tief tatsächlich wieder ein, profitiere man dann wie von einer Art Hebeleffekt, so Zulliger. Ein weiterer Nachteil passiver Krypto-Anlagen: Das Diskriminieren nach Risiken ist mit ihnen kaum möglich. Passiv verwaltete Produkte bilden einen bestimmten Index ab und gewichten meist nach Marktkapitalisierung. Eine solche Allokation verursache allerdings schnell Klumpenrisiken, weil einzelne Anlagen und damit deren Risiko automatisch übergewichtet werden.

Für Kryptoanlagespezialist Zulliger ist deshalb klar: «Wer Risiken bewusst managen will, muss zwingend diskriminieren können, da man sonst entweder zu viel oder zu wenig Risiko im Portfolio hat. Passive Strategien lassen das nicht zu – in jungen Märkten, wie Krypto einer ist, eine hoch fahrlässige Angelegenheit». Für seinen Geschmack gibt es in den Top 20 Kryptoassets nach Marktkapitalisierung noch zu viele Shitcoins, also sinnlose Kryptoassets. Damit meint er in erster Linie Ripple, Bitcoin SV oder Tron.

Professionelle Kryptotrader kommen also um eine aktive Verwaltung ihrer Assets nicht mehr herum. Doch wie kann ein aktiver Trader den Markt beurteilen? «Zum Teil basieren die Urteile auf diskretionären Entscheiden, Intuition spielt eine Rolle. Diese speist sich vor allem aus persönlicher Erfahrung und dem Wissen, bereits mehr als einen Bullen- und Bärenmarkt durchgemacht zu haben.» Auch das quantitative Element sei ein wichtiges Hilfsinstrument, so Zulliger, der auch Rohstoff- und Devisenmärkte über quantitative Handelssysteme handelt.

Eine bewährte Methode ist das sogenannte «Whale Watching». Dabei hält man ein Auge auf Veränderungen bei Wallet-Adressen von Bitcoinwalen. Das sind Personen, die über eine grosse Menge Bitcoin verfügen. Diese Bitcoinmogule würden zwar nicht zwingend mehr wissen, verfügten aber oft über die erforderliche Ruhe, wenn sonst allerorts Aufruhr herrscht. In den meisten Fällen handelten diese bereits seit Jahren und seien daher weniger anfällig für Panikverkäufe, so Zulliger. Sein ultimativer Tipp: «Wer die Adressen der Bitcoinwale kennt und deren Verhalten studiert, ist vielen anderen Investoren weit voraus.».

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