ETF eignen sich nicht nur für den strategischen, sondern auch den taktischen Einsatz. Rochus Appert von State Street Global Advisors erklärt wie aktives Management mit Indexprodukten im Detail aussieht.
Text: Barbara KalhammerETF eignen sich für den strategischen wie auch für den taktischen Einsatz. Warum?
Eigentlich ist das passive Instrumentarium für die strategische Allokation geeignet. Während der Indexfonds über längere Zeit in der Kern-Allokation liegt, kann der ETF taktisch eingesetzt werden. Der Vorteil des ETF ist, dass mit einem einzigen Kauf ein Marktexposure erreicht werden kann. Anleger, die beispielsweise von der Entwicklung von auf Lokalwährungen lautende Anleihen der Schwellenländer profitieren wollen, müssen dazu nur einen ETF erwerben. Die Produkte ermöglichen ein schnelles Reagieren auf Marktveränderungen und integrieren Renditequellen ins Portfolio.
Worauf müssen Anleger achten?
Für den taktischen Einsatz von ETF müssen Anleger die makroökonomischen Zusammenhänge verstehen, also warum Zinsen verändert werden und welche Auswirkungen dies auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Unternehmen sowie die Entwicklungen von Aktien- und Bondkurse hat.
ETF bieten auch die Möglichkeit, Überrenditen zu erzielen. Wie genau geht das?
Um die Portfoliorendite zu erklären, haben Eugene Fama und Kenneth French das Fama- French-Dreifaktorenmodell entwickelt. Der erste Faktor ist das traditionelle Capital Asset Pricing Model, das nur das Beta nutzt, um die Portfoliorenditen mit der Marktrendite zu erklären. Ergänzt wird dies durch Value-Growth, die Differenz zwischen Wachstums- und Substanzwerten sowie die Marktkapitalisierung, also den Unterschied zwischen Small und Large Caps.
Was bedeutet das im Detail?
Ein Portfolio erwirtschaftet die Rendite aus dem Gesamtkapitalmarkt und der Überrendite entstehend durch das dynamische Spiel der Faktoren: Value-Growth und Large-Small-Cap. Der Portfolio Manager entscheidet auf Basis des aktuellen makroöknonomischen Umfelds (Phase des Wirtschaftszyklus) über die Faktorgewichtung. Die dynamische Gewichtung der Faktoren im Portfolio, ausgedrückt durch passive Anlagebausteine, verwandeln es im Kern in ein aktives Portfolio mit dem Ziel, eine Überrendite zu erzielen.
Welche weiteren Strategien gibt es?
Eine andere Betrachtungsweise ist der Versuch, von steigenden Märkten überproportional zu profitieren und in fallenden Märkten weniger starke Verluste als der Markt zu erzielen. Das bedeutet, asymmetrische Auszahlungsprofile in ein Portfolio einzubauen. Erreicht werden solche Auszahlungsprofile durch alternative Betas wie Dividenden-, Low Vola- und Value-Indizes.
Gibt es weitere Möglichkeiten?
Ja, die Sektor-Rotation. Bestimmte Sektoren entwickeln sich in den verschiedenen Marktzyklen unterschiedlich. Zudem können einzelne Regionen oder Länder unterbeziehungsweise übergewichtet werden. Ein Beispiel dafür sind Rohstoffe. Mit einer Investition in Kanada, Norwegen oder Australien kann das Thema Rohstoffe übergewichtet werden. Denn der kanadische Aktienindex beispielsweise besteht mehrheitlich aus Rohstoffwerten.
Welche Rolle spielen Short- und Hebel-ETF?
Mit Short-ETF werden ebenfalls asymmetrische Auszahlungsprofile in ein Portfolio integriert. In fallenden Märkten liefern die Produkte positive Renditen und können zur kurzfristigen Absicherung von Positionen genutzt werden. Mit Leverage-ETF können Aufwärtsbewegungen gehebelt werden. Um die Produkte richtig timen zu können, muss man jedoch viel Erfahrung und Wissen mitbringen. Letztlich geht es bei ETF nicht mehr nur darum, einen Markt einfach abzubilden, sondern darum, aktives Management zu betreiben.