«Als Kryptotrader gehören Twitter und Co. zu meinen primären Informationsquellen»

Krypto und Trading sind für viele Menschen ein rotes Tuch. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um das Kryptotrading mit Stefan Lütolf, Chefhändler bei der Bitcoin Suisse AG.

Text: Pascal Hügli

Wo kaufen Sie als Bitcoin Suisse für Ihre Kunden Kryptowährungen?

Wir handeln auf allen bekannten Kryptohandelsbörsen: Bitstamp, Kraken, Coinbase und vielen weiteren. Für unser Tagesgeschäft stellen sie die wichtigsten Gegenparteien dar. Daneben gibt es zahlreiche «Over-the-Counter-Desks», doch die sind für uns nur bedingt relevant.

Bis zu 70 Prozent des Kryptohandels würde über OTC-Desks ablaufen, stimmt das?

Das sehen wir anders. Wenn man als OTC-Desk über ein Geschäft und ein Gegengeschäft verfügt, findet der Handel direkt statt. Ist das nicht der Fall, muss man auch über die Börsen gehen, um die nötige Liquidität zu erlangen. Welchen Anteil der OTC-Handel genau ausmacht, ist daher schwierig zu bestimmen.

Welche Kunden bedient die Bitcoin Suisse?

Wir sind breit aufgestellt. Wir haben institutionelle Kunden wie Banken oder Family Offices sowie Kryptofirmen, darunter Bitcoin Miner und Blockchain-Start-ups. Darüber hinaus bedienen wir auch ein breites Spektrum an Privatkunden.

Wie werden Kaufanfragen aufgegeben?

Den Privatkunden steht unsere Online-Platt-form zu Verfügung, über die Aufträge eigenhändig platziert werden können. Für institutionelle Investoren haben wir besondere elektronische Schnittstellen, also APIs oder das FIX-Protokoll (Standard Schnittstelle um Informationen auszutauschen; die Red.). Darüber hinaus haben wir ein Team von Kundenbetreuern, die persönlich auf die Anliegen unserer Kunden eingehen.

Was konkret geschieht, wenn ein Kunde eine Order aufgibt?

Wenn uns die Kaufanfrage eines institutionellen Kunden erreicht, überprüft unser System, ob der Kunde die benötigten Mittel besitzt. Ist das der Fall, wird die Transaktion über unseren Smart Order Router ausgeführt. Auf diese Weise können wir einen grossen Auftrag über mehrere Börsen gleichzeitig laufen lassen und so für den Kunden den optimalen Preis erzielen.

Wie sieht der Alltag eines Kryptotraders aus?

Unser Hauptauftrag ist es, die Kundenanfragen auszuführen. Um dies bestmöglich zu erfüllen, müssen wir auf den einzelnen Handelsbörsen über ein Mindestmass an Liquidität verfügen. Die klassische Finanzwelt kennt das t+2-Settlement. Das heisst: Nach Abschluss des Handelsgeschäfts wird es Valuta zwei Tage abgerechnet. In der Kryptowelt ist das anders.

Inwiefern?

In der Kryptowelt muss man stets über die nötige Liquidität auf den Handelsbörsen verfügen – in staatlicher Fiatwährung oder Kryptoassets. Nur so kann man einen Auftrag überhaupt ausführen. Eine gewisse Grundliquidität ist daher entscheidend. Sie muss jedoch aktiv gemanagt werden, damit das Gegenparteirisiko nicht zu gross ausfällt.

Wie ist das Gegenparteienrisiko im Vergleich zur traditionellen Finanzwelt einzuschätzen?

Die Kryptohandelsbörsen unterliegen nicht den gleichen Vorschriften, die wir aus der traditionellen Finanzwelt kennen. Aus diesem Grund stellen die Kryptohandelsbörsen ein grösseres Gegenparteienrisiko dar, als man es sich von Handelsbörsen gewohnt ist. Es gibt immer wieder Ereignisse, die das Vertrauen in Kryptohandelsbörsen erschüttern.

Zum Beispiel?

Vor ein paar Monaten war die weltweit grösste Kryptobörse Binance einem Hackerangriff ausgesetzt. Für den Kunden ist in solchen Situationen beruhigend, wenn er mit Bitcoin Suisse einen Partner hat, der das Gegenparteienrisiko abfedert. Da wir als langjähriger Akteur in der Kryptowelt bekannt sind, können wir vonseiten der Börsen auf besonders gute Dienstleistungen zählen und den Kunden dadurch ein möglichst reibungsloses Kundenerlebnis bieten.

Was hat dieser Service im Fall des Binance-Hacks beinhaltet?

Wir wurden von Binance zeitnah informiert, welche nächsten Schritte einzuleiten sind. Unseren Kunden konnten wir zugleich versichern, dass ihnen in keiner Weise ein Schaden entstanden ist und unser operatives Geschäft reibungslos weiterlaufen wird. Dies, weil wir wie eingangs erwähnt auf mehreren Kryptohandelsbörsen aktiv sind und unsere Handelstätigkeiten auf andere Börsen umleiten können, wenn bei einer Börse Unsicherheiten bestehen.

Wie unterscheidet sich die Kommunikation der Akteure aus der Kryptowelt von jener der traditionellen Finanzwelt?

In der herkömmlichen Finanzwelt gibt es klar definierte Kanäle wie Swift, Thomson Reuters oder Bloomberg, um sich die relevanten Informationen zu beschaffen. In der Kryptowelt sind die Kanäle nicht klar definiert. Hier wird vor allem mit den sozialen Medien gearbeitet, also mit Telegram, Reddit-Foren und Twitter.

Was genau wird über die sozialen Medien kommuniziert?

Beispielsweise das «Delisting» eines Kryptoassets, im konkreten Fall dasjenige von Bitcoin SV. Dabei handelt es sich um eine Abspaltung von Bitcoin-Cash, der wiederum eine Abspaltung von Bitcoin ist. Nachdem die erste Kryptohandelsbörse das Delisting über die sozialen Medien verkündet hatte, folgten sogleich weitere Börsen, die Bitcoin SV aus dem Handel genommen haben. Was in der traditionellen Welt sorgfältig und mit Vorankündigung hätte kommuniziert werden müssen, wurde hier nur in einer Handvoll Tagen durchgeführt.

Wird sich die Kommunikation professionalisieren müssen oder wird die digitale Sofort-kommunikation künftig zum Standard?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die optimale Lösung in der Mitte liegt. Der Kryptomarkt wird jeden Tag professioneller, nur findet die Professionalisierung eben auf diesen Kanälen statt. Soziale Medien haben heute eine sehr hohe Relevanz und sind nicht mehr wegzudenken. Insofern findet mit der Kryptowelt hier sicher ein Wandel statt.

Sie sind im Geschäftsalltag also auf allen sozialen Medien unterwegs?

Ja, auf Twitter, Telegram und Reddit. Um die Gegenparteienrisiken im Zusammenhang mit Kryptobörsen bestmöglich einschätzen zu können, muss man die sozialen Medien und diese Kanäle gut im Überblick haben.

Werden die bestehenden Kryptobörsen besser reguliert werden, so dass sie in Zukunft nicht mehr ein so grosses Gegenparteienrisiko darstellen werden?

Es gibt ja bereits einige Unterfangen, lizensierte Börsen zu errichten. Bislang ist die Ausbeute noch bescheiden. Eine regulierte Börse lässt sich nicht einfach aus dem Boden stampfen, ein solcher Prozess braucht Zeit.

Was unterscheidet den Kryptohandel von traditionellem Trading?

Wie bereits erwähnt, bedingt er aktiveres Liquiditätsmanagement. Das ist unser Tagesgeschäft. Genauso gehört es dazu, die Gegenparteienrisiken intensiver zu verfolgen und sorgfältiger einzuschätzen. Für einen Schweizer Händler aus dem traditionellen Finanzgeschäft gilt: Eine Aktie eines Schweizer Grossunternehmens kauft man an der Schweizer Börse. Wo aber kaufe ich Bitcoin? Bei Kraken, Bitstamp oder Coinbase?

Welche weiteren Unterschiede sehen Sie?

Aussergewöhnlich ist, dass man sich als Privatanleger bei jeder Kryptohandelsbörse anmelden und eigenhändig Handel betreiben kann. In der herkömmlichen Welt hat man als Privatinvestor keinen direkten Zugang zur Schweizer Börse. Man muss über eine Bank oder einen Broker gehen.

Die Kryptowelt steht für die Demokratisierung der Finanzwelt.

Das stimmt. Allerdings werden Vorkehrungen gegen Geldwäsche und Know-Your-Customer-Bestimmungen Einzug halten müssen. Das bringt die Professionalisierung des Sektors unweigerlich mit sich.

Die Regulierung ist das Problem?

Nicht nur. Aus technischer Sicht wird es für die Handelsbörsen zudem immer schwieriger, die Volumina der Privatanleger zu handhaben. Es scheint darum immer mehr in die Richtung zu gehen, dass institutionelle Investoren bald die Mehrheit des Handels an den Börsen ausmachen werden.

Könnten diese Probleme dezentralisierte Handelsplattformen beflügeln, die von diesen Vorschriften absehen?

Das ist derzeit offen. Regulatoren dürften daran keine Freude haben. Und überhaupt ist das Volumen auf diesen dezentralisierten Handelsbörsen noch überschaubar. Mit Bitcoin Suisse können wir unser sehr hohes Handelsvolumen unmöglich über dezentralisierte Börsen abwickeln.

Wie werden Blockchain und Kryptoassets das traditionelle Trading verändern?

Ich bin überzeugt, dass die Tokenisierung den Finanzmarkt verändern wird. Mehr und mehr traditionelle Anlagen werden tokenisiert und damit auf die Blockchain gebracht. Das wird jedoch ein sehr langsamer Prozess sein, weil die Finanzwelt sich nur schrittweise bewegt. Immerhin sind Innovationen immer auch – zumindest am Anfang – mit Kosten verbunden.

Wo kann die Blockchain implementiert werden?

Einige etablierte Börsen sind zurzeit dabei, genau diesen Bereich auszutesten. Die Schweizer Börse beispielsweise baut auf einer privaten Blockchain. Inwiefern diese interoperabel ist mit anderen Projekten, wird sich zeigen. Noch sind wir in der unternehmerischen Entdeckungsphase.

 

Stefan Lütolf ist ehemaliger Mitarbeiter der Falcon Private Bank und ist im April 2018 als Head of Trading zur Bitcoin Suisse AG gestossen.


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