Alternative ETF-Strategien

Volatile sowie hoch bewertete Aktien und tiefe Zinsen machen Investitionsentscheide derzeit zur Herkulesaufgabe. Dank der wachsenden ETF-Vielfalt können Risiken gesenkt und Opportunitäten wahrgenommen werden. Einziges Manko: die steigende Komplexität.

Text: Barbara Kalhammer

Das tiefe Zinsumfeld stellt Anleger schon seit geraumer Zeit vor schwierige Entscheidungen. Der Frankenschock im Februar und Chinas Aktienmarkt-Einbruch im August führten zu weiteren Verwerfungen. Trotz dieser Herausforderungen gibt es für Anleger keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Besser würden sie sich informieren, wie die ETF-Industrie auf diese Veränderungen reagiert hat, und die für sie passende Strategie wählen. In Zusammenarbeit mit führenden Köpfen der Schweizer ETF-Branche stellen wir fünf solche Möglichkeiten vor.

Währungsrisiken senken

Spätestens seit dem Frankenschock weiss die Finanzbranche um die Wichtigkeit von Währungsabsicherungen. Auch ETF-Investoren wollen mögliche Änderungen bei den Wechselkursen abgesichert wissen. Der Bedarf sei gross, sagt Thomas Merz, Chef von UBS ETF Europe: «Am stärksten nachgefragt werden aktuell Kernanlagen mit Währungsabsicherung». Grund für die Wahl ist, dass sich das benötigte Risikobudget für Währungswetten nicht auszahlt. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Fremdwährungen langfristig keine positive Rendite generieren, sondern vor allem zu einer erhöhten Volatilität des Portfolios führen. Problematisch ist auch, dass es so gut wie unmöglich ist, die Veränderungen von Wechselkursen zu prognostizieren.

Mittels ETF kann in eine Vielzahl von Aktien- und Anleihenmärkten praktisch währungsneutral investiert werden. In den meisten Fällen erfolgt die Absicherung monatlich. Dabei sichern die Anbieter die Fremdwährungen in der gewählten Referenzwährung ab, indem jeder Fremdwährungs-Forward zur 1-Monats-Forward-Rate verkauft wird. Der Betrag der verkauften Forwards des letzten Handelstages im Monat entspricht der Marktkapitalisierungsgewichtung der im Index enthaltenen Wertschriften. Der abgesicherte Gegenwert bleibt über den Monat konstant. Generell führt die Wertentwicklung des Basiswertes dazu, dass der über den Monat konstante abgesicherte Gegenwert nicht exakt der offenen Fremdwährungsposition entspricht. Kürzere Absicherungsintervalle würden zwar die Genauigkeit optimieren, aber die Kosten erhöhen. Die Praxis hat gezeigt, dass eine monatliche Absicherung der beste Kompromiss zwischen Genauigkeit und Kosten ist.

Diese Absicherung gibt es nicht umsonst, Anleger müssen bei der UBS beispielsweise eine höhere Gesamtkostenquote von 5 Basispunkten bezahlen. Zudem fallen Kosten für die Absicherung, das Zinsdifferenzial und das Rollen des Termingeschäfts an. Laut Merz schwankt die Höhe dieser Absicherungskosten. Für eine Erhöhung der zinsdifferenzbedingten Kosten sorgten die Massnahmen der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Gegenüber dem Dollar liegen sie über einem Prozent, dazu kommen annualisierte Transaktionskosten von rund 0,15 bis 0,20 Prozent. Die Absicherung sei abhängig von der Liquidität des Basiswertes und den Rollkosten für das Hedging-Instrument, fasst Merz zusammen. Anleger müssen sich also bei jedem Portfoliobaustein Gedanken über die Absicherung und die damit verbundenen Kosten machen. Das ist zentral, da die Kosten im Gegensatz zur Rendite beeinflusst werden können. Die tiefen Zinsen dagegen bleiben bis auf weiteres Realität.

Alternativen zu Anleihen

Das Tiefzinsumfeld macht sich besonders im Obligationenbereich bemerkbar. Die Renditen sind stark gefallen, dennoch ist die Nachfrage ungebrochen. «Auf der Suche nach Opportunitäten könnten sich Anleger beispielsweise Obligationenindizes der Peripheriestaaten mit einer kurzen Restlaufzeit zuwenden», sagt Philip Knüppel, der bei der Deutschen Bank das Geschäft für passive Anlagen in der Schweiz, Österreich und Osteuropa verantwortet. Eine Möglichkeit sei der Markit iBoxx Eur Liquid High Yield 1-3 Index. Das Barometer bildet die grössten liquiden, auf Euro lautenden Unternehmensanleihen aus dem Segment Sub-Investment Grade ab.

Eine wichtige Rolle spiele aktuell die -Diversifikation. Im Anleihenbereich rät Knüppel zu Investments in breit diversifizierte Obligationenindizes mit unterschiedlichsten Laufzeiten. Sicherheits- und renditeorientierte Anleger könnten auch bei Dividendenwerten fündig werden. Ein Beispiel dafür ist der Eurostoxx Select Dividend 30, der Anlegern Zugang zu Unternehmen der Eurozone mit der höchsten -Dividendenrendite bietet.

Strategische Gewichtungen

Das Besondere an Dividendenindizes ist, dass sie nicht nach der Marktkapitalisierung der Unternehmen gewichtet werden, sondern nach Höhe ihrer Ausschüttungen. Sie sind die bekanntesten Beispiele für sogenannte Smart-Beta-Produkte, die auch Strategic Beta genannt werden. Das sind Barometer, die nicht nach Marktkapitalisierung und dem Free Float gewichtet werden, sondern nach alternativen Kriterien.

Gegenüber klassischen Barometern verfügen sie über einen entscheidenden Nachteil: Sie gewichten Titel, die in der Vergangenheit eine gute Entwicklung aufwiesen, stärker. Diejenigen Werte, die sich weniger gut entwickelten, erhalten dagegen nur ein geringes Gewicht. Sie setzen somit vor allem auf teure Werte und vernachlässigen möglicherweise Titel mit Aufholpotential. Diese Gewichtungsart und das damit einhergehende prozyklische Verhalten führen Experten zufolge zu einem Renditenachteil. Gemäss Berechnungen von Research Affiliates, dem Unternehmen des Rafi-Indizes-Erfinders Rob Arnott, beträgt dieser bei entwickelten Märkten bei zwei Prozent pro Jahr.

Durch den Einsatz von Smart-Beta-ETF kann der Anleger ein besseres Rendite-Risiko-Profil erreichen. «Mit Smart-Beta-ETF können zwei Hauptsorgen der Anleger beantwortet werden: Risikokontrolle und Diversifikation», betont Benoît Garcia von Amundi. Auf lange Sicht hätten die Produkte durchaus das Potenzial, die marktgewichteten Indizes zu schlagen.

Alternative Gewichtungen erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit. In den USA machen die Produkte bereits 20 Prozent aller ETF aus. Als alternativ gilt auch die neueste Erfindung der Branche, die sogenannten Faktor-ETF (siehe Seite 24). Mit diesen können Anleger auf einen von fünf Faktoren – Qualität, Momentum, geringe Volatilität, Dividenden, Value – setzen.

Vor allem im Zuge der Finanzkrise erhielten sie grossen Zuspruch. Dies, weil den Anlegern bewusst wurde, dass ihre Diversifikationsbemühungen nach Regionen und Anlageklassen nicht den gewünschten Erfolg brachten. Durch die Ausrichtung des Portfolios nach Aktienfaktoren soll eine verlässliche Risikostreuung erreicht werden. So kann beispielsweise das Risiko einer Position durch den Einsatz eines ETF auf Werte mit geringer Volatilität gesenkt werden.

Problematisch ist jedoch, dass die Vehikel nicht in allen Marktphasen eine Outperformance erzielen. Aus diesem Grund bietet Amundi auch Multi-Smart-Beta-Lösungen an. Der Strategieindex kombiniert vier Renditefaktoren mit fünf Smart-Beta-Diversifikationsstrategien. Gemäss Garcia kann Smart Beta sowohl für die strategische Allokation oder in Kombination von taktischer und strategischer Ausrichtung eingesetzt werden. Bei diesen sind Anleger jedoch besonders gefordert: Zum einen müssen sie die Produkte und deren Methodologie genau verstehen, zum anderen einen passenden Einsatz im Portfolio finden.

Taktischer Einsatz

Insgesamt eignen sich ETF sehr gut, um taktisch zu agieren. Grund dafür ist, dass sie im Gegensatz zu klassischen Indexfonds und aktiv gemanagten Fonds jederzeit gehandelt werden können. «Durch den Intraday-Handel lassen sich auch volatile Marktphasen schnell und effizient ausnutzen», erklärt Roland Fischer, Leiter Lyxor ETF im deutschsprachigen Europa. Die Liquidität habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, was es den meisten Anlegern erlaube, taktische Anlagen effizient und zu fairen Kursen zu tätigen.

Eine weitere Möglichkeit für kurzfristiges Handeln bieten Short- und Leverage-ETF. Mit ersteren können Anleger auf fallende Märkte setzen, da der jeweilige Index invers abgebildet wird. Bei starken Anstiegen wiederum kann mit Leverage-ETF überproportional profitiert werden. Laut Fischer werden solche Produkte auf den SMI derzeit stark nachgefragt und zur Absicherung eingesetzt. Aufgrund der Pfadabhängigkeit ist es ratsam, solche Produkte nur für kurzfristige Absicherungszwecke einzusetzen und nicht als langfristiges Buy-and-Hold-Instrument.

Rundum-Paket

Das Umsetzen obiger Ratschläge ist nicht Ohne. Statt selber eine strategische und taktische Allokation auszuwählen, bevorzugen daher viele Anleger Komplettlösungen. Diesem Kundenbedürfnis kommen Multi-Asset-Fonds nach. Bei diesen werden verschiedene Anlageklassen in eine Fondshülle verpackt und nach Rendite-/Risikogesichtspunkten gewichtet. Solche Modell-Portfolios haben vor kurzem auch in die ETF-Welt Einzug gehalten.

Mittlerweile investiert auch Blackrock, der weltweit grösste Asset Manager, in ETF. «Die Multi–Asset-Vehikel sind quasi ein Hybrid zwischen aktivem und passivem Management», erklärt Sven Württemberger, Leiter iShares Deutschschweiz. Durch den Einsatz von ETF können die Gebühren, wie bei passiven Anlagen die Regel, tief gehalten werden. Neben dem quartalsweisen Rebalancing können auch taktische Reallokationen und daher makroökonomische Trends berücksichtigt werden, was dem Portfolio eine hohe Flexibilität gibt, so Württemberger.

In der Praxis müssen sich diese Modelle erst noch beweisen. Sollten sie dies schaffen, könnten sie eine Alternative bieten zu den vielen Fondsmanagern, die ihre Benchmark nicht outperformen. Die wachsende Produktvielfalt ermöglicht es Anlegern, auf die jeweiligen Marktbedingungen einzugehen und Chancen wahrzunehmen beziehungsweise sich gegen Verluste abzusichern. Problematisch ist allerdings die Komplexität der Vehikel. Anleger sind zusehends gefordert, hinter die Kulissen zu blicken und sich in die Materie einzulesen. Hier ist Vorsicht geboten, sonst werden Innovationen schnell zum Ladenhüter.


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