Alternative Indexgewichtungen

Etablierte Indizes werden in der Regel nach Marktkapitalisierung gewichtet, doch diese Methode hat zahlreiche Nachteile. Alternative Indexmethoden versuchen diese auszumerzen und die Renditechancen zu erhöhen.

Text: Barbara Kalhammer

Traditionell bilden ETF vor allem nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes ab. Was sind die Vor- und Nachteile dieser Gewichtungsmethode?

Heutzutage sind sich Akademiker wie auch Praktiker grundsätzlich einig, dass Aktienrenditen nicht durch ein einzelnes Marktbeta getrieben werden, sondern durch eine Vielzahl von Risiko-Renditen-Quellen. Der marktkapitalisierte Index bietet insbesondere Zugang zu den Quellen Size und Liquidität sowie zu den Prämien, die man durch das Halten dieser «Risiken»  erhält. Insbesondere ist die Investition in kapitalbasierte Indizes per Konstruktion prozyklisch. Das bedeutet, übergewichtete Aktien werden überbewertet und untergewichtete Aktien werden unterbewertet. In manchen Marktphasen wird ein solches Exposure honoriert, in anderen nicht. Auf der positiven Seite bieten diese Indizes unter anderem eine sehr hohe  Kapazität und eine günstige Umsetzung. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Suche nach Alternativen aufgrund der Nachteile mehr als gerechtfertigt ist.

Welche Alternativen sind das?

Wir unterscheiden zwischen fünf verschiedenen Beta-Kategorien: kapitalbasierte, preisagnostische, fundamentalbasierte, risikobasierte und renditebasierte Indizes. Alternative Indizes  sind keine homogene Gruppe. Sie weisen allesamt unterschiedliche Vor- und Nachteile auf. Sie verfügen über unterschiedliche Exposures zu den einzelnen Risiko/Rendite-Quellen und  weisen demzufolge auch verschiedene Risiko/Rendite-Eigenschaften auf.

Trotz der wachsenden Zahl der Alternativen spielen kapitalbasierte Indizes immer noch die wichtigste Rolle. Haben alternative Indexierungsmethoden überhaupt eine Chance, sich  irgendwann durchzusetzen?

Durchaus. Grosse Krisen wie die Technologie-, Medien- und Telekomblase Ende der 90er-Jahre sowie die Kreditkrise im Jahr 2008 haben beim Praktiker zu einer Abkehr vom Glauben an  die perfekt effizienten Märkte geführt. Somit sollte mittelfristig auch die Vormachtstellung des kapitalbasierten Indexierens fallen. In vielen Marktphasen sind die Performance sowie das Risiko dieser Indizes nicht zufriedenstellend. In Kombination mit den unterschiedlichen Risiko-/Rendite-Eigenschaften der einzelnen alternativen Indizes liefert dies unserer  Meinung nach die Bestätigung dafür, dass sie in Zukunft entscheidend an Bedeutung gewinnen werden.

Fundamentale Indizes bedingen einen «aktiven» Entscheid, nämlich die Art der Gewichtung. Was, wenn dieser Entscheid falsch ist?

Das Wort «aktiv» ist in diesem Kontext meiner Meinung nach nicht ideal. Den Entscheid, Aktien anhand der Marktkapitalisierung zu gewichten, könnte ich als genauso aktiv betrachten,  wie jenen, anhand von Fundamentalwerten zu gewichten. Mittelfristig dürfte der Investor besser fahren, wenn er von einer solch semantischen Unterscheidung absieht und sich auf die Risiko/ Rendite-Eigenschaften der einzelnen Indizes konzentriert. Natürlich führen die verschiedenen Gewichtungen zu unterschiedlichen Performances. Aber der Diversifikationseffekt, den ein breit aufgestelltes Indexportfolio bietet ist gerade der Vorteil. Auf der anderen Seite trifft «passiv» jedoch auf sämtliche dieser Indizes zu, nämlich bei der systematischen und  regelbasierten Umsetzung.

Kann die Performance der Indexmethoden rückblickend, also im historischen Vergleich, überzeugen?

Wir haben zu diesem Thema eine umfassende Langzeitstudie mit Daten ab dem Jahr 1970 durchgeführt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es keinen einzelnen Ansatz gibt, der sich in  jeder Marktphase besser als der Rest entwickelt hat. Risikobasierte Ansätze beispielsweise funktionieren in Zeiten hoher Unsicherheit oftmals sehr gut, während fundamentalbasierte Ansätze gut abschneiden, wenn die Anleger ein besonderes Augenmerk auf robuste Fundamentaldaten legen.

Das traditionelle Indexieren hingegen enttäuscht in der langen Frist und weist in unserer Studie die mit Abstand tiefste SharpeRatio aus. Gerade die soll verbessert werden. Wie kann dies erreicht werden?

Wie bereits erwähnt, liefern in einzelnen Marktphasen unterschiedliche Indizes jeweils die beste Sharpe Ratio. Für den Investor ist es daher am erfolgversprechendsten, das  Aktienexposure breit über unterschiedliche alternative Indizes zu streuen, um ein möglichst effizientes Indexexposure zu halten.

Anleger suchen nach Transparenz und Kosteneffizienz, doch mit alternativen Indizes ist eine solche breite Streuung sehr kostspielig. Beisst sich das nicht?

Nein, ein alternativer Index darf mehr kosten als ein nach Marktkapitalisierung gewichteter Index. Denn die Indexkonstruktion ist aufwendiger und bedarf mehr Ressourcen. Natürlich muss die Rendite diese Kosten dann auch rechtfertigen. Bezüglich Transparenz gibt es keinen Grund, warum alternative Indizes weniger transparent sein sollten als kapitalbasierte. Hier  gilt es, diejenigen Produkte auszuwählen, die dem Anspruch hoher Transparenz genügen.

Darüber hinaus sind die Produkte auch um einiges komplexer. Was müssen Anleger im Detail beachten?

Ein «guter» Index zeichnet sich dadurch aus, dass er verschiedene Kriterien erfüllt. Er sollte den Markt repräsentativ widerspiegeln, breit diversifiziert sein, über eine genügend hohe Liquidität verfügen, in der Konstruktion transparent und einfach zu replizieren sein. Bei alternativen Index-Produkten, die nicht all diese Kriterien erfüllen, sollte der Anleger Vorsicht  walten lassen. Steigende Komplexität ist zwar nicht per se eine schlechte Entwicklung. Geht sie jedoch mit zunehmender Intransparenz einher, ist dies sicher nicht im Sinn des Anlegers.
Passive Anleger wollen das vom Marktbarometer gelieferte Marktbeta. Somit sind für einen Indexierer fundamental gewichtete Indizes eigentlich nicht das richtige. Praktiker und moderne Theorie sind sich in diesem Punkt grundsätzlich einig: Es gibt nicht das Marktbeta. Es gibt lediglich Exposure zu Risiko-/Rendite-Quellen. Kapitalbasierte Indizes bieten eine Art Exposure zu solchen Risiko/-Rendite-Quellen, fundamentalgewichtete Indizes eine andere. Beide Arten können für den Anleger interessant sein.

Wie sind Ihre Prognosen für die Zukunft? Welche Rolle werden alternative Indizes spielen und welche weiteren Entwicklungen sind zu erwarten?

Alternative Indizes werden in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dies sowohl für institutionelle Anleger, die bereits seit geraumer Zeit mehr und mehr Ressourcen in diesen  Bereich investieren, wie auch für Privatanleger. Mit zunehmender Produktfülle wird es für den Investor aber immer entscheidender, eine saubere Auslegeordnung vorzunehmen und  danach möglichst breit gestreut in verschiedene alternative Indizes zu investieren. Beachtetet man diesen Diversifikationsansatz– analog bei Investitionen in aktiv verwaltete Strategien – sollte sich letzten Endes langfristig eine bessere Performance erzielen lassen.

Daniel Leveau ist CEO der 1741 Asset Management AG.
sentifi.com

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