Anlagefehler mit passiven Investments

Emotionen spielen nicht nur im Alltag sondern auch an der Börse eine wichtige Rolle. Welche Auswirkungen sie auf das Verhalten der Anleger haben und somit auch auf die Märkte, erklärt Martin Weber im Interview.

Text: Barbara Kalhammer

Herr Weber, Emotionen spielen in unserem Leben eine entscheidende Rolle. Welche Auswirkungen haben sie auf das Geschehen an der Börse?

Die Forschungsrichtung Behavioral Finance beschäftigt sich mit dem tatsächlichen Verhalten der Anleger und mit den Auswirkungen dieses Verhaltens auf die Märkte. Dass wir nicht immer rational sind, ist völlig normal. Grund dafür sind unsere Gefühle. An der Börse ärgern wir uns, weil wir zu spät eingestiegen sind, oder weil wir Verluste machen. Das sind alles Emotionen: Gier, Angst und Ärger. Aber diese Emotionen sind normal, sie nehmen auch im Alltag eine wichtige Rolle ein. Wir ärgern uns ja auch, wenn wir beim Tennis den Ball ins Netz spielen. Rational wäre, einfach weiterzuspielen.

Das Ziel jedes Anlegers ist es, den Markt zu schlagen. Wird das durch Emotionen erschwert?

Ja. Viele Anleger sind sich einfach zu sicher, sie überschätzen sich selbst. Die Folge ist, dass sie zuviel handeln und nicht richtig diversifizieren. Aber ohne ausreichende Risikostreuung kann man den Markt nie schlagen. Ist man sich aber zu sicher, denkt man dauernd, dass man dieses Ziel erreichen werde. Doch die Statistik spricht Bände. Individual-Investoren «schlagen» den Markt im Durchschnitt mit Minus 2 Prozent. Sie machen also Verluste. Das Ziel, den Markt zu schlagen, kann man nur durch Glück erreichen – erwarten kann man es nicht. Das wissen inzwischen sogar meine Kinder.

Kann man daraus schliessen, dass auch aktiv gemanagte Fonds zum Scheitern verurteilt sind?

Um einen Fonds aufzusetzen, braucht man einen Fondsmanager. Das Ganze ist sehr komplex, vor allem der regulatorische Aufwand ist gross, und somit ist auch ein Teil der Gebühren gerechtfertigt. Die weitergehende Frage ist, ob ein Fondsmanagerden Markt durch aktives Handeln schlagen kann. Die Antwort der Wissenschaft lautet in der Regel: nein. Wenn überhaupt, schaffen es Fonds, die in Nebenwerte investieren, die Wetten eingehen, die weit vom Index entfernt sind. Hier bestehen Chancen, weil dazu nur wenig Research betrieben wird. Bei den grossen Werten ist dies nicht möglich.

Wo genau liegt der Grund für das Scheitern?

Man kennt die Marktstimmung immer erst im Nachhinein. Andernfalls wäre man in der Situation der Hexe Schlotterbeck mit ihrer Kristallkugel beim Räuber Hotzenplotz. Marktstimmungen können nicht vorhergesagt werden. Aussagen wie: «Wir befinden uns in einer Phase steigender Märkte» stimmen nicht, denn niemand weiss, wie es morgen wird. Daher ist es für aktive Fondsmanager schwierig, den Markt zu schlagen. Unter anderem, weil die Gebühren so hoch sind. Diese müssen sie durch eine höhere Rendite erst wieder ausgleichen.

Gibt es Möglichkeiten, seine Emotionen besser in den Griff zu bekommen?

Die Fehlervermeidung steht im Vordergrund. Ganz nach dem Motto «Gefahr erkannt, Gefahr gebannt». Man versucht also zu erkennen, wo seine eigenen Fehler liegen. Ich habe dies vergangenen August, als die Kurse stark gefallen sind, an mir selber bemerkt. Ich war zu dieser Zeit in der nordostsibirischen See, konnte quasi nichts machen und war auch immer erst zwei Tage später informiert. Und es ging eigentlich gut. In der Zwischenzeit haben sich die Kurse wieder erholt. Aber man hat den Drang etwas zu machen. Am besten ist es aber abzuwarten.

Sie halten also nichts von Prognosen?

Es ist durchaus interessant, den Prognosen zuzuhören, aber daran glauben sollte man nicht. Wenn jemand sagt, der Goldpreis steige auf 2500 Dollar je Unze, dann heisst das für mich: Entweder er glaubt daran, dann kann ich das nicht ernst nehmen, oder er will einfach unterhalten. Wer sollte wissen, wie sich der Goldpreis entwickelt? Es ist reiner Zufall.

Was halten Sie von Strategien wie Market Timing und Stock Picking?

Wie erwähnt denke ich, dass man offen sein sollte für Nebenwerte. Stock Picking kann durchaus Sinn machen, wobei das Risiko bei solchen Anlagen sehr hoch ist. Bei den grösseren Werten kann man Stock Picking vergessen. Market Timing geht noch eine Stufe weiter. Wenn ich nicht einmal die Bewegungen einer einzelnen Aktie vorhersagen kann, wieso sollte ich dann Asien versus Europa vorhersagen können? Der Begriff Market Timing müsste meiner Ansicht nach ersetzt werden durch «unsinnige Spekulation».

Bieten passive Investments mehr Chancen?

Eine Investmentstrategie, die unserer Ansicht nach nicht so schlecht funktioniert, ist der Core-Satellite-Ansatz. Als Kern-Anlage sollten die wichtigen Märkte breit passiv abgebildet werden. Wenn man damit nicht ruhig schlafen kann, dann kann man noch etwas dazukaufen wie beispielsweise ein paar Nebenwerte der Unternehmen der Nachbarschaft. Wer an Gold glaubt, der soll in das Edelmetall investieren, aber nicht als Core-Anlage.

Was halten sie von ETF als Core-Investments?

Nur wenige aktive Fonds generieren einen Zusatzertrag. Mit passiven Investments sind Anleger besser beraten. ETF und Indexfonds haben den grossen Vorteil, dass sie kostengünstig sind. Bei grossen Werten sind diese sicherlich vorzuziehen. Die Aussage der ETF-Industrie, sie würden den Leuten helfen, die Märkte zu spielen, halte ich für völlig falsch. Denn wenn man aktiv etwas machen möchte, dann mit dem Unternehmen aus benachbarten Branchen, aber auf keinen Fall mit Gold versus Schweinebäuche.

Sie raten ab also von fundamentalen ETF oder auch von Strategie-ETF?

Bei Strategie-ETF bin ich ein bisschen zurückhaltend. Denn wir kennen in der Forschung durchaus die eine oder andere Strategie, die ein Prozent mehr bringt. Es ist aber sehr schwierig, diese zu handeln, und daher rate ich nur professionellen Investoren dazu. Normale Anleger sollten davon unbedingt die Finger lassen.

Der heutige typische Anleger dürfte sich seiner Emotionen nicht bewusst sein. Er ist davon getrieben, den Markt zu schlagen. Werden, als Folge davon, aktive Investments gegenüber ETF wieder an Bedeutung gewinnen?

Nein, das denke ich nicht. In Europa sind wir ja noch weit entfernt von den Volumina, die in den USA gehandelt werden. Und irgendwann werden die Leute auch anfangen, Statistiken zu lesen. Zudem gibt es viele Professoren, welche die Ansicht vertreten, dass für Core-Anlagen ETF genutzt werden sollten. Daher gehe ich nicht davon aus, dass sich der Spiess in naher Zukunft umdrehen wird. Ich persönlich bin da sowieso völlig emotionslos. Wer aktiv investieren möchte, der soll es bitteschön machen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber hat den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim inne.
sentifi.com

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