«Anleihen geraten nicht ausser Mode»

Thomas Della Casa von der Neuen Helvetischen Bank wirft einen Blick auf die Anleihen- und Aktienmärkte und lotet Opportunitäten aus.

Text: Barbara Kalhammer

Herr Della Casa, die Märkte sind bereits weit gelaufen. Gibt es noch ausreichend Kapital für einen weiteren Anstieg?

Durchaus, wir haben gerade zwei neue Weltrekorde gesehen. Das Bild «Les femmes d`Algier» wurde für einen Rekordpreis von 179 Millionen Dollar verkauft, die Skulptur «L’homme au doigt» von Alberto Giacometti für 141 Millionen Dollar. Geld scheint vorhanden zu sein und davon wird sicher auch etwas in die Aktienmärkte fliessen.

Sie sind also nicht skeptisch gegenüber den momentanen Entwicklungen?

Ich bin extrem skeptisch, aber ich bin gleichzeitig auch Realist. Man kann skeptisch sein, was die ganzen Programme betrifft. Egal, ob Europäische Zentralbank oder China, die Auswirkungen der Massnahmen waren eher gering. Der Grenznutzen solcher Massnahmen nimmt ab und der wirtschaftliche Aufschwung ist sehr schwach.

Das zusätzliche Geld konnte den Aufschwung also nicht beschleunigen?

Nein, am Tagesende werden Konsumenten und Investitionen benötigt. Wir werden somit ein relativ mageres Jahr erleben mit einem globalen Wachstum von 3 bis 3,2 Prozent und damit leicht unter 2014 liegen.

Dennoch kauft die EZB für Milliarden Anleihenpapiere.

So ist zumindest der Plan, aber sie hat ein Umsetzungsproblem, denn die 60 Milliarden-Euro-Bonds sind nicht auf dem Markt erhältlich. Ich denke nicht, dass die Summe jeden Monat erreicht wird. Ich gehe davon aus, dass das Programm verändert wird.

Würde ein Zurückrudern nicht der Glaubwürdigkeit der EZB schaden?

Sicherlich würde die EZB Glaubwürdigkeit einbüssen. Aber auch die SNB hat am 15. Januar Schaden genommen, denn das höchste Gut der Zentralbanken ist, dass man ihnen trauen und sich auf sie verlassen kann. Doch das ist bei beiden Institutionen nicht mehr der Fall.

War der Schritt der SNB somit ein Fehler?

Es war richtig und gleichzeitig eine Katastrophe. Die Anbindung an den Euro hätte niemals stattfinden dürfen und die Auflösung auf diese Art und Weise auch nicht. Die Tagesbewegung des Euro-Franken-Kurses von rund 30 Prozent war stärker als bei der Auflösung von Bretton Woods.

Für wen hatte die Entscheidung die schlimmsten Folgen?

Für kleinere Firmen und jene Unternehmen, die weniger global aufgestellt sind oder die Produktlinien mit tiefer Marge haben.

Zurück zur EU. Ist der Ausstieg von Griechenland, der sogenannte Grexit, eine realistische Perspektive?

Brüssel tut alles, um Griechenland im Verbund zu behalten. Weil die aktuelle griechische Regierung das ebenfalls weiss, kann sie sich sehr viel erlauben. Das ist wie ein Pokerspiel. Am Ende des Tages wird Griechenland nicht aus dem Euro und der EU aussteigen können. Denn die Abhängigkeit vom Geldstrom Brüssel-Athen ist viel zu gross. Allerdings muss man bemerken, dass Griechenland Fortschritte erzielt hat. Wir werden noch erleben, dass Griechenland das grösste Wirtschaftswachstum in der EU haben wird.

Ebenfalls diskutiert wird die erste Zinsanhebung.

Das bewegt die Märkte aktuell besonders und sorgt auch für Stress. In den USA wird es eine sehr homöopathische Zinserhöhung im zweiten Halbjahr geben. Wir werden in den nächsten zwei Jahren weiterhin tiefe Zinsen sehen. Insgesamt werden alle vier grossen Nationalbanken die expansive Geldpolitik fortsetzen.

Welche Auswirkungen wird der Schritt auf die Märkte haben?

Keine, denn dies ist bereits im Vorhinein eingepreist. Auch für Anleger wird es kaum Folgen haben.

Gibt es andere Rendite-Gefahrenherde, die Anleger im Auge behalten müssen?

Natürlich, davon gibt es aktuell sogar einige. Sehr schädlich sind vor allem die Negativzinsen, das zeigt sich beispielsweise bei den Immobilienpreisen. In der Schweiz und auch in Teilen Südenglands, vor allem London, gibt es Überhitzungstendenzen. Aktuell werden noch Überkapazitäten gebaut, das werden wir dann in zwei Jahren zu spüren bekommen. Immobilienblasen bauen sich in der Regel sehr langsam auf. Und wenn die Korrektur beginnt, ist das ein mehrjähriger Prozess, der die Preise unter Druck setzt.

Gibt es auch eine Blase an den Aktienmärkten, beispielsweise in den USA?

Nein. Zwar sind die Bewertungen hoch, aber wir sind weit entfernt von historischen Höchstbewertungen. Es gibt also durchaus noch Luft nach oben. Bei den Obligationen hat sich die Blase schon leicht gelüftet. Zum Beispiel gab es in der Schweiz 40 Prozent der Anleihen mit Negativzinsen. Diese Entwicklung hat gedreht, auch in Europa. Zehnjährige Eidgenossen bieten aktuell magere fünf Basispunkte, also 0,05 Prozent Rendite.

Machen Staatsobligationen angesichts der tiefen Renditen überhaupt noch Sinn?

Das ist wohl eine der grössten Überraschungen, dass Anleihen eben nicht aus der Mode geraten. Grund dafür ist, dass sie als sicherer Hafen betrachtet werden und ausserdem aus regulatorischer Sicht, beispielsweise für Versicherungen und Pensionskassen, nötig sind. Die Renditen sind aber für Anleger zu tief, daher rate ich: Finger weg!

Wo können Anleger heutzutage hohe Renditen erzielen?

Weiterhin bei Unternehmensanleihen im Low-Investment-Grade-Bereich. Natürlich ist hier das Risiko höher. Ebenfalls Sinn machen diversifizierte Anlagen in High-Yield-Bonds. Auch Schwellenländeranleihen sind einen Blick wert, allerdings sollte hier eine Währungsabsicherung erfolgen. Und natürlich Aktien.

Ist jetzt, nach der Korrektur, ein guter Einstiegszeitpunkt für Aktien?

Durchaus. Jetzt können wieder Standardwerte gekauft werden. Ich rate zu grosskapitalisierten Unternehmen mit gutem Management, guter Bilanz und einem hohen Free Cash Flow. Zur Vorsicht mahne ich hingegen bei Öl, dort besteht ein grosses Überangebot. Das wird sich so schnell nicht ändern, daher werden die Preise weiterhin tief bleiben.

Wie sieht es bei den EU-Staaten aus?

Spanien und Italien haben grosse Fortschritte gemacht. Anleger sollten diese Länder nicht abschreiben, aber es gibt leider wenige gute Firmen als Anlagemöglichkeit. Vorsichtig wäre ich hingegen bei Frankreich, dort passiert leider nichts. Vielleicht gibt es mit einem neuen Präsidenten eine Veränderung.

Wie schätzen Sie die Lage bei Schwellenländern ein?

Die Staaten haben ein gewisses Potenzial, aber es muss genau unterschieden werden. Russland und Brasilien befinden sich beispielsweise in einer Rezession, während die Lage in China und Indien deutlich besser ist. Titel, die vom Konsum im Inland profitieren, sollten bevorzugt werden. Generell rate, ich Schwellenländer zu meiden, die eine grosse Abhängigkeit von Rohstoffen haben.

Abschliessend: Ist das Dividendenthema ausgelutscht?

Nein, denn mit einer guten Unternehmens-auswahl können Renditen von drei Prozent erzielt werden, während Eidgenossen nur wenige Basispunkte abwerfen. Da muss man nicht lange überlegen, was besser ist. Zudem hat man auch einen gewissen Schutz vor Rückschlägen.

Thomas Della Casa ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Vermögensverwaltung bei der Neuen Helvetischen Bank
sentifi.com

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