Dividenden: Aristokraten sollen es richten

Dividenden-ETF sind vor allem dann gesucht, wenn die Finanzmärkte etwas unruhiger scheinen. Doch auch diese Produkte sollte man sich vor einer allfälligen Investition stets genau anschauen.

Text: Pascal Hügli

In den vergangenen Jahren kannten die Aktienmärkte nur eine Richtung: aufwärts! Anleger haben davon profitiert, ihre Portfolios haben stark an Wert zugenommen. Doch immer mehr Investoren denken in letzter Zeit an eine alte Börsenweisheit: Was hinaufgeht, kommt auch wieder herunter. Der Flashcrash von Anfang Februar hat die Angst vor grösseren Kurseinbrüchen oder gar einem kommenden Bärenmarkt erhöht. Dass vieles für weitere Zinssteigerungen durch die US-Notenbank spricht, mindert diese Befürchtungen nicht – eher im Gegenteil.

Um kurzfristige Preiseinbrüche oder gar länger anhaltende Durststrecken abzufedern, suchen Investoren nach alternativen Anlagemöglichkeiten. Um Aktien zu ersetzen, wird häufig zu Obligationen gegriffen. Sie gelten als sichere Anlagen und werfen erst noch einen Zinscoupon ab, also jenen Nominalbetrag, den ein Anleger als Ausgleich für die Kapitalüberlassung erhält. Diese Beträge aus dem Coupon werden ganz-, halb- oder vierteljährlich ausgeschüttet.

Manch ein Experte warnt allerdings davor, in die Obligationenmärkte zu investieren. Wie bei Aktien gäbe es auch bei Anleihen eine Blase. Die Zinsen seien nach wie vor zu tief und würden das Risiko keinesfalls rechtfertigen. Oftmals glichen die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen mit hoher Bonität derzeit nicht einmal die Inflationsrate aus. Anleihen sollten deshalb gemieden werden, so das Verdikt.

Wo sind die Alternativen?

Was bleibt Anlegern dann noch übrig? Immobilien? Sachwerte seien immer gut, doch auch hier bestehe eine Blase, so die gängige Anlegermeinung. Gold? Kaum, denn das Edelmetall werfe keine Rendite ab und werde in einem Umfeld steigender Zinsen generell Schwierigkeiten haben, wird argumentiert. Krypto-Assets? Zu jung, zu volatil, zu heikel, so der allgemeine Tenor.

Dabei muss gar nicht so weit gesucht werden, denn auch innerhalb des Aktienuniversums gibt es eine Option: dividendenstarke Titel. Von potenziell steigenden Zinsen würden auch sie nicht verschont. Nichtsdestotrotz werden sie für eine Alternative gehalten – insbesondere von jenen, die der Gefahr eines potenziellen Crashes bei Anleihen aus dem Weg gehen wollen.

Längst ist auch die passive Welt auf dividendenstarke Aktien, in die mit ETF bequem investiert werden kann, aufmerksam geworden. In den vergangenen Jahren sind viele solcher Smart-Beta-Produkte entstanden, die unterschiedliche Dividendenstrategien verfolgen.

Welche Relevanz die Dividenden für die Rendite haben, lässt sich mit einem Vergleich zwischen dem SMI und dem SMIC demonstrieren. Als reiner Preisindex berücksichtigt der SMI die Dividenden nicht. Der SMIC hingegen, ein Performanceindex, bildet dieselben zwanzig Aktien inklusive Dividendenausschüttungen ab. Letzterer erzielte im Zeitraum von 2010 bis Dezember 2017 eine Rendite von rund 83 Prozent, während die Performance des SMI über dieselbe Zeitperiode bei ungefähr 41 Prozent lag.

Dividenden

Dividendenorientierte Produkte bieten aber auch Sicherheit in Form beständiger Ausschüttungen von stabilen Unternehmen. Aufgrund eines soliden Geschäftsbetriebes reagieren solche Unternehmen oft weniger stark auf Marktturbulenzen und zahlen auch Dividenden, wenn der Markt für einmal schwere Zeiten durchlebt.

Aristokratisch investieren

Bekannt für ihren Fokus auf Dividenden sind SPDR ETF von State Street Global Advisors. Das passive Anlegerhaus führt verschiedene dividendenorientierte ETF – allen voran den SPDR S&P U.S. Dividend Aristocrats UCITS ETF, der den S&P High Yield Dividend Aristocrats Index abbildet. ETF, die einer ähnlichen Methodologie folgen, gibt es auch für andere Regionen wie Europa, Grossbritannien, den asiatisch-pazifischen Raum oder gar global.

Laut Daniel Ung, Mitglied von SPDR ETF Strategy & Research EMEA, habe die turbulente Woche anfangs Februar für mehr Anfragen zu den Dividend Aristocrats ETF geführt. Nicht zuletzt deshalb veranstaltete SPDR im März mehrere Roundtables zu diesem Thema, so Ung. Signifikant höhere Zuflüsse bei den entsprechenden ETF nehme man zurzeit zwar nicht wahr, nichtsdestotrotz zeigten die vermehrten Anfragen, dass sich die Leute aufgrund der Geschehnisse wieder mehr Gedanken über das eigene Portfolio machen würden. Auf die Frage, weshalb es letzten Endes doch nicht zu Umschichtungen käme, mutmasst Ung: «Die Situation an den Finanzmärkten scheint sich nach der ersten Februarwoche wieder entspannt zu haben, weshalb viele Investoren erst einmal abwarten.»

Nicht überstürzt handeln hält Mark Fitzgerald, Equity Produktmanager bei Vanguard, für eine weise Strategie. Nur weil der Markt kurzzeitig erschüttert werde, sollten Anleger nicht überreagieren, meint Fitzgerald. Da sich die Märkte kaum jemals timen liessen, seien reflexartige Reaktionen, die nicht in Übereinstimmung mit der eigenen Langzeitportfoliostrategie getroffen würden, kontraproduktiv.

Bei SPDR stimmt man Mitbewerber Vanguard zu. Auch Ung rät, die eigene Strategie niemals ausser Acht zu lassen. So sollten sich die Anleger stets bewusst sein, dass Dividendenstrategien nicht die höchsten Renditen, dafür aber mehr Sicherheit böten. Mit dividendenstarken ETF verzeichne ein Anleger in Boomphasen zwar weniger Gewinne, haben historisch betrachtet in weniger guten Zeiten aber auch weniger Verlust hinzunehmen, schlussfolgert Ung.

Um diese erhöhte Sicherheit gewährleisten zu können, wird der S&P High Yield Dividend Aristocrats Index nach strikten Kriterien zusammengesetzt. So werden nur US-Aktien ausgesucht, die über die vergangenen zwanzig Jahren ein ununterbrochenes Dividendenwachstum vorzuweisen haben. Mit dieser Methodologie soll sichergestellt werden, dass nur Unternehmen ausgesucht werden, die über lange Zeit diese harten Qualitätskriterien erfüllt haben. Nur so lässt sich die angepriesene Beständigkeit und Sicherheit gewährleisten, um als Strategie für unsichere Zeiten zu gelten.

Der Rolls Royce unter den ETF

Doch auch die Dividendenaristokraten liefern kein Patentrezept für absolute Stabilität, wie die Finanzkrise von 2008 gezeigt hat: Banken hatten jahrelang reichlich Dividenden ausgezahlt, mit der Krise nahm diese Kontinuität ein jähes Ende. Wegen dieses Unterbruchs flogen die Bankentitel aus dem Dividend Aristocrats Index.

Ein Vorwurf an den SPDR S&P U.S. Dividend Aristocrats UCITS ETF ist denn auch, dass er in seiner Methodologie viel zu restriktiv sei. Letztlich würden die strengen Auswahlkriterien zu einer Konzentration weniger Aktientitel führen, was dem Ansatz der Diversifikation zuwiderlaufen würde, so die Kritik. ETF-Fachmann Ung von SPDR verteidigt die Strategie: «Uns geht es darum, den Rolls Royce unter den ETF zu schaffen, weshalb wir die Messlatte entsprechend hoch ansetzen müssen. Für den US-Sektor halten wir die zwanzig Jahre ununterbrochener Dividendenauszahlungen für ein angemessenes Kriterium, das uns Spielraum bei der Diversifikation lässt. Angewendet auf das Universum des S&P 500 Index erfüllen 111 Unternehmen dieses Kriterium. In Europa und global sind wir mit zehn Jahren etwas weniger strikt, um nach wie vor adäquat diversifizieren zu können.»

Sektorneutralität ist ein wichtiges Stichwort, um Über- oder Untergewichtungen zu vermeiden. Deshalb sollten sich Anleger die einzelnen Dividendenstrategien stets genau anschauen. Gewiss ist eine optimale Diversifikation bei Dividenden-ETF nicht immer und für jeden Anleger das richtige. Vor allem dann nicht, wenn sein restliches Portfolio bereits stark diversifiziert ist und er deshalb mit einer Dividendenstrategie bewusst eine spezifische Branche abdecken will, die meistens eine höhere Rendite verspricht.

Doch wer nur nach der höchsten Dividendenrendite sucht, muss aufpassen, nicht fehlgeleitet zu werden – oder in die berühmte «Dividend Yield Trap» zu tappen, wie Fitzgerald und Ung sie nennen. Dass Dividendenrenditen hoch seien, läge oft am günstigen Aktienpreis. Nicht selten jedoch gäbe es sehr wohl einen Grund, weshalb die Aktie günstig zu haben sei, meinen die ETF-Spezialisten.


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