Unter dem neuen Namen BX Swiss will sich die ehemalige Berner Börse wieder als ernstzunehmender Akteur etablieren. Wie das gelingen soll, erklärt David Kunz, Deputy CEO der aufstrebenden Börse, im Gespräch.
Text: Pascal HügliDie SIX ist weltbekannt. Dass Bern ebenfalls eine Börse hat, wissen viele nicht einmal. Warum?
Das ist historisch bedingt. 1995 haben die Genfer, Basler und Zürcher Börse zur Schweizer Börse fusioniert. Die Berner Börse hat sich dieser Fusion nicht angeschlossen und sich stattdessen auf kleinere Schweizer KMU ausgerichtet.
Haben Sie nur KMU-Aktien im Angebot?
Nein, die BX Swiss ist ein Komplettanbieter. Nebst dem KMU-Segment für kotierte Aktien sind bei uns auch weitere 200 Schweizer Aktien und über 3000 Auslandsaktien handelbar. Weiterhin haben wir ein Segment für ETF mit derzeit ungefähr 670 Produkten, von denen 180 ETF ausschliesslich bei uns kotiert sind. Um das Angebot abzurunden, führen wir ein Segment für AMC, aktiv geführte Zertifikate, und seit Mitte 2019 deriBX, ein Segment für strukturierte Produkte mit über 17 000 Wertpapieren.
Mit welchen ETF-Emittenten arbeiten Sie zusammen?
Derzeit kotieren die Emittenten Blackrock, DWS, Lyxor und Tabula ihre neuen Produkte bei der BX Swiss. In den nächsten Wochen werden wir weitere Emittenten nennen können, die ihre Produkte bei uns kotieren.
Weshalb zieht eine kleinere Börse grosse Emittenten an?
Bei der BX Swiss sind die Kotierungsgebühren etwas attraktiver, aber das ist für die Emittenten nicht der Hauptgrund. Der Hauptvorteil ist die Tatsache, dass sie auf einen bestehenden Market Maker zurückgreifen können und ihnen dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Zusätzlich schätzen die Emittenten unseren agilen Service.
Dennoch: Die SIX ist ein Vielfaches grösser. Müssen wir in Bezug auf den Schweizer Börsenplatz von einem Quasi-Monopol sprechen?
Angesichts der Marktverteilung haben wir als zweitgrösste Börse sicher noch Aufholbedarf.
Das nehme ich als ein Ja. Hat diese Monopolisierung Nachteile für Emittenten in der Schweiz?
Wie bei jedem Monopol sind die Marktnachfrager die Leidtragenden, da ihnen zu hohe Preise verrechnet werden. Ein konkretes Beispiel liefert der Bereich der strukturierten Produkte.Allein die Ankündigung neuer Produkte durch die BX Swiss reichte, damit die SIX in diesem Segment mehrere Preissenkungen vollzog.
Kann die BX Swiss genügend Volumen erreichen, um konkurrenzfähige Handelsspannen anbieten zu können?
Unser Market Maker bei Aktien aus dem Ausland, Lang und Schwarz, bedient einige andere Börsen und Handelsplätze. Somit verfügt er über ein sehr liquides Orderbuch, weshalb unsere Spreads sehr attraktiv sind.
Was tun Sie, um die SIX langfristig zu konkurrenzieren?
Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Wir konzentrieren uns darauf, ein komplementäres Angebot zu schaffen. Dieses beinhaltet Titel, die an keiner anderen Börse gelistet sind. Ziel ist es, dass Kunden über das spezifische Produkt, das es nur bei uns gibt, die BX Swiss als Börsenplatz wählen.
Bietet diese Strategie genügend Wachstumspotenzial? Manövrieren Sie sich nicht in irrelevante Nischen?
Die SIX konzentriert sich vor allem auf institutionelle Kunden. Wir legen unseren Fokus auf Vermögensverwalter und private Investoren, die sogenannten Selbstentscheider. Zum einen ist also die Kundengruppe eine andere, zum anderen die Produkte. Bei beidem sehen wir genügend Marktpotenzial. Dass wir in den letzten zwei Jahren stetig steigende Handelsumsätze verzeichnen können, ist für uns ein klares Zeichen für weiteres Wachstum.
Vor zwei Jahren wurde die Berner Börse von der Börse Stuttgart übernommen. Was war die Absicht hinter dieser Übernahme?
Die Börse Stuttgart führt damit ihre Europastrategie weiter. Nachdem sie bereits die zweitgrösste Börse Schwedens (NGM) übernommen hat, folgte die Expansion in die Schweiz.
Wie viele Mitarbeiter zählt die BX Swiss?
13. Wir bezeichnen uns ganz gerne als das älteste Start-up der Welt, zumal die Berner Börse ja eigentlich schon im Januar 1884 gegründet worden ist.
Auffallend ist Ihr grosses Struki-Angebot. Handelt es sich dabei um dieselben Produkte wie bei der SIX?
Auch hier verfolgen wir den vorher genannten Ansatz: Wir kotieren Produkte, die es bei unserem Mitbewerber nicht gibt. Dies sind insbesondere Knockout-Produkte, für die wir ein sehr attraktives Preismodell für Emittenten und Kunden entwickelt haben. Bei BX Swiss setzt man zudem auf handelbare Wikifolios.
Worum handelt es sich bei diesen?
Diese Produkte werden in unserem Segment für aktiv geführte Zertifikate gehandelt und sind in Deutschland sehr beliebt. In der Schweiz sind sie noch weitgehend unbekannt.
Wie funktioniert das Produkt?
Über die Wikifolio-Plattform können Privatanleger ihre Handelsstrategie veröffentlichen und transparent darstellen. Wenn sie eine bestimmte Zeit lang genügend Follower haben, die sich für ihr Wikifolio interessieren, wird ein Indexzertifikat aufgelegt, das dieses Wikifolio abbildet.
Für welche Anleger eignen sich Wikifolios?
Zum einen für Vermögensverwalter, die so ihren Track Record einer breiten Öffentlichkeit transparent darstellen können. Zusätzlich können sie so auch ihre kleineren Mandate kosteneffizient abdecken. Natürlich eigenen sich diese Produkte auch für interessierte Privatanleger.
Gemeinhin gilt, dass die Anzahl neu gelisteter Aktien stetig abnimmt. Das Modell der Publikumsgesellschaft befindet sich auf dem Rückzug. Warum?
Wenn man als Gesellschaft heute an die Börse gehen möchte, müssen viele regulatorische Anforderungen erfüllt werden. Da dies insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen Ressourcen und finanzielle Mittel in Anspruch nimmt, sehen viele Unternehmen davon ab.
Weniger Firmen an der Börse bedeutet aber auch weniger Investitionsmöglichkeiten für Anleger.
In der Tat. Doch die Regulierung hat ihre Berechtigung. Als Börse muss man selektiv sein, was auch ein gewisses Vertrauen in die Handelsplattform und das Portfolio der gelisteten Unternehmen schafft.
Wie beurteilen Sie die Chancen der Blockchain, bei dieser Problematik Abhilfe zu schaffen?
Der technologische Fortschritt ändert nichts an der Tatsache, dass Regulierung nötig ist. Auch in einem tokenisierten Umfeld, das durch die Blockchain-Technologie ermöglicht wird.
Womöglich liefert die Tokenisierung in Zukunft einmal tatsächliche Effizienzvorteile.
Als kleine Börse ist man agiler. Könnte man hier nicht mit einer vollregulierten Börse für tokenisierte Assets vorpreschen und der geplanten SDX, der digitalen Börse der SIX, den Rang ablaufen?
Für die BX Swiss ist dies zurzeit kein Thema, da wir uns auf das traditionelle Börsengeschäft konzentrieren. Unsere Muttergesellschaft, die Börse Stuttgart, arbeitet jedoch sehr aktiv an diesen Themen, weshalb wir für die Zukunft gut aufgestellt sind.
Welche unmittelbaren Ziele verfolgen Sie mit der BX Swiss?
Im ersten Jahr haben wir die Produktpalette erweitert. Nun sind wir dabei, die Buy side weiter auszubauen. Alle relevanten Banken sind direkt oder indirekt bei uns angebunden. Ziel ist es nun, dass wir bei diesen vor allem auch in den Online-Banking-Anwendungen sichtbarer werden und der Kunde in Zukunft bezüglich Börsenplatz eine Wahlmöglichkeit hat.
David Kunz ist Deputy CEO der BX Swiss. Zuvor war er Senior Projektleiter bei der Börse Stuttgart.