Angesichts der unsicheren Marktlage und der ungewissen Konjunkturaussichten suchen Anleger nach stabilen Erträgen und Flexibilität. Mit Bond- und Dividenden-ETF können sie nicht nur ihren Renditezielen Rechnung tragen, sondern auch ihrem Sicherheitsbewusstsein.
Text: Barbara Kalhammer«Wohin geht die Fahrt, wohin die Reise?», fragte die Austropop-Band STS einst. Zugegeben, der Zusammenhang war nicht anlagetechnischer Natur. Doch genau diese Frage stellen sich heute die meisten Investoren. Gewinnt die Wirtschaft wieder an Fahrt? Setzt sich die gute Börsenentwicklung fort? Bleiben die Zinsen tief? Auch an den Märkten macht sich die Ratlosigkeit und Unsicherheit bemerkbar. Viele Anleger haben die Aufwärtsbewegung der vergangenen Monate – der SMI wie auch der amerikanische S&P 500 stiegen seit Jahresbeginn rund 13 Prozent – verpasst. Grund für die Erholung der US-Märkte waren die besseren Konjunkturaussichten. Getrieben wird die Wirtschaft vom anziehenden Häusermarkt, der auch in vielen anderen Branchen für Belebung sorgt.
Die Entwicklungen widerspiegeln sich auch in den ETF-Käufen. «Derzeit sind vor allem die Aktienbausteine wie Aktien USA, Japan, Asien ex Japan sowie SMI gefragt», sagt Thomas Merz, Head UBS ETF Switzerland & Liechtenstein. Die guten Wirtschaftsdaten aus den USA hätten zu einer Rotation von defensiven zu zyklischen Aktiensektoren geführt, erklärt Roland Fischer, Head of Lyxor ETF Switzerland & Liechtenstein. Doch diese Entwicklung war nicht sehr nachhaltig. Der japanische Aktienmarkt etwa hat sich in den letzten Wochen, nachdem er seit Anfang Jahr um 50 Prozent gestiegen war, stark abgekühlt. «Die Investoren rätseln noch, wie nachhaltig die Korrektur ist», so Fischer.
Bei einigen Anlegern dürften aber die Korrektur-Alarmglocken bereits schrillen: Durch die anhaltende Unsicherheit an den Märkten verlangen viele nach mehr Flexibilität bei ihren Investitionen, damit könnten sie bei einem eventuellen Wetterumschlag schnell reagieren können. «Gerade in Anlagesituationen, in denen die Stimmung an den Märkten in kürzester Zeit ins Gegenteil umschlagen kann, ist es von grosser Bedeutung, flexible Anlagen im Depot zu führen», erklärt Merz. Auch der Qualität der Anlage wird eine immer wichtigere Rolle zugeschrieben. Zurzeit finden Anleger diese bei Dividendenaktien.
Der SPDR S&P US Dividend Aristocrats beispielsweise hat in den letzten 1,5 Jahren mehr als eine Milliarde Dollar eingesammelt. Das Produkt trägt dem wichtigen Kriterium des Dividendenwachstums Rechnung. Berücksichtigt werden nur Unternehmen, deren Dividenden in den vergangenen 20 aufeinanderfolgenden Jahren entweder gestiegen oder konstant geblieben sind. Von der Entwicklung gut geführter, antizyklischer Unternehmen mit gesunden Bilanzen können Anleger profitieren, betont Rochus Appert von State Street Global Advisors. Zudem stellen die Dividendenerträge eine Alternative zu den mageren Erträgen der Staatsanleihen dar. Letztlich entwickeln sich dividendenstarke Werte in der Regel sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten besser als andere Aktien.
Zinsen gesucht
Auf Renditesuche gehen Anleger aber auch im Bondbereich. Andreas Zingg, Leiter Vertrieb bei iShares Schweiz, bestätigt, dass die Indexprodukte auf Obligationenmärkte am stärksten gewachsen sind. Ganz oben auf der Favoritenliste stünden Unternehmensanleihen wie der iShares Barclays Capital Euro Corporate Bond ETF, der seit Anfang des Jahres rund 740 Millionen Dollar einsammeln konnte. In dem Index werden nur Unternehmensanleihen mit Investment Grade berücksichtigt.
Die Ratlosigkeit über die weitere Marktentwicklung hat nach Aussage von Roland Fischer die Nachfrage nach Absicherungsstrategien steigen lassen. Mithilfe von Short-ETF würden Anleger eine Absicherung ihres Portfolios vornehmen. Wie der Name schon sagt, setzen die Produkte auf fallende Märkte und spiegeln die Entwicklung eines bestimmten Aktienmarktes in umgekehrter Form. Dies geschieht auf täglicher Basis. So beziehen sich die Veränderungen eines Short-ETF immer auf den Kurs des Vortags. Somit kann die Monatsentwicklung eines Index mit einem Short-ETF nicht einfach so ins Plus gekehrt werden. Diese komplexe Funktionsweise muss bei einem Investment unbedingt berücksichtigt werden.
Herausfordernde Marktlage
Durch die Unsicherheit an den Märkten sind die Volatilitäten weiterhin sehr hoch, darüber hinaus drohen steigende Zinsen und Inflation. Für viele Anleger sind das ausreichend Gründe, um weiterhin Cash-Bestände zu halten. Doch auch in dieser Marktlage bieten sich spannende Produkte, vor allem im Bereich der Obligationen. Chancenreich sind gemäss Andreas Zingg neben Unternehmensanleihen auch Hochzins- und Schwellenländeranleihen.
Rochus Appert ergänzt die Liste durch Wandelanleihen-ETF. Die sogenannten Convertibles vereinen die Ertragskraft von Aktien mit regelmässigen Zinserträgen und der Sicherheit von Obligationen. Gesucht sind laut Roland Fischer auch Obligationen-ETF, die an die Inflation gebunden sind oder von einem Zinsanstieg profitieren. Renditeorientierte Anleger, die gleichzeitig nach einer höheren Sicherheit suchen, werden hingegen bei Dividendenstrategien fündig. Ebenfalls einen Blick wert sind Smart-Beta-Produkte. Dabei handelt es sich um ETF auf Indizes, deren
Bestandteile jedoch nicht nach der Marktkapitalisierung gewichtet werden, sondern beispielsweise gleichgewichtet oder anhand eines Minimum-Varianz-Ansatzes. «Angesichts der starken Schwankungen an den Aktienmärkten bieten Minimum-Volatility-Produkte den Anlegern eine innovative Alternative auf der Suche nach Rendite», sagt Zingg. Um das Risiko zu senken, werden jene Aktien aus dem Basisindex ausgewählt, die die geringsten Volatilitäten aufweisen und untereinander nicht zu stark korrelieren.
Die Zahl der ETF auf die sogenannten Smart-Beta-Indizes wächst kontinuierlich. Zwar zielen Volatilitäts- oder Varianzprodukte darauf ab, Titel mit geringeren Schwankungen auszuwählen und so das Risiko zu senken, die Gewichtungen der Titel unterscheiden sich jedoch stark. Bei den Minimum-Varianz-Indizes von Ossiam beispielsweise spielt nicht nur eine geringe Schwankungsbreite eine Rolle, sondern auch die Korrelation der Werte untereinander. Ebenso die Liquidität. Dieser Auswahlprozess kann dazu führen, dass nicht alle Werte aus dem Mutterindex in das risikooptimierte Barometer übernommen werden. Darüber hinaus können einzelne Werte ein stärkeres Gewicht aufweisen.
Ebenfalls vom Ursprungsindex abweichen können die Low-Vola-Indizes. Sie nehmen die Gewichtung allerdings ausschliesslich aufgrund der Volatilität vor. Dieser Strategie folgen auch die Risk-Weight-Indizes, die jedoch dieselben Titel wie der Index enthalten. Unterscheiden tun sie sich beim Anteil der verschiedenen Komponenten: Jene, die in der Vergangenheit besonders volatil waren, erhalten ein tieferes Gewicht.
Die letzte Variante sind die Equal-Risk-Indizes. Sie legen den Fokus darauf, dass alle Bestandteile den gleichen Beitrag zum Risiko leisten. Berücksichtigt werden bei der Konstruktion auch die Volatilität und die Korrelationen der Werte untereinander. Unabhängig davon, welcher Weg eingeschlagen wird, mahnt Thomas Merz dazu, an einer definierten Anlagestrategie festzuhalten und diese nicht angesichts der Marktentwicklungen gleich zu verwerfen.
Eine auf Werterhalt ausgerichtete Portfolioallokation sollte ausserdem die Diversifikation nicht vernachlässigen. Auch wenn wir heute nicht wissen, wohin die Reise geht, so bietet sich dank ETF eine flexible und kostengünstige Möglichkeit, um die Chancen der aktuellen Marktphase wahrzunehmen oder sich gegen Marktkapriolen, Inflationsrisiken oder Zinsanstiege abzusichern.