In eSports und Gaming hinkt die Schweiz der internationalen Konkurrenz hinterher. Doch auch hierzulande werden Firmen hellhöriger, wenn es um ein Engagement in dieser aufstrebenden Welt geht, meint Oliver Lutz.
Text: Pascal HügliOliver Lutz, die Schweiz erlebte bereits einmal einen Hype ums Gaming – doch es blieb beim Hype. Was ist dieses Mal anders?
In den Nullerjahren gab es in der Schweiz tatsächlich eine ziemlich lebendige Gamer-Community. Damals haben sich aber vor allem endemische Marken für die Szene eingesetzt, also Unternehmen, die direkt durch das Gaming tangiert sind. Heute kommen immer mehr «halbendemische» Akteure dazu, Internetanbieter wie UPC zum Beispiel. Aber auch Versicherungen und Banken machen ihre ersten Erfahrungen.
Kommt nun also der Durchbruch für eSports?
Von einem Durchbruch im eSports zu sprechen, ist heute noch immer heikel, immerhin handelt es sich hier nach wie vor um eine Nische. Innerhalb des ganzen Gaming-Gesamtkuchens ist eSports noch immer verschwindend klein. In der Schweiz bezeichnet sich jede dritte Person als Gamer. Aber nur jeder 15. spielt kompetitiv.
Wie gross ist das Wachstumspotenzial von eSports?
Die globalen Zuschauerzahlen sind über die letzten Jahre gewaltig angestiegen. 2016 umfasste das eSports-Publikum ungefähr 281 Millionen. Heute haben wir über 380 Millionen Zuschauer, 2021 sollen es gemäss einer Studie von NewZoo insgesamt 557 Millionen sein. Als Folge davon fliesst auch mehr Geld in den eSports-Sektor, seit 2016 waren es durchschnittlich jeweils 30 Prozent pro Jahr. Gemäss Schätzungen sollen die Gesamteinkünfte durch eSports 2021 bei 1,6 Milliarden liegen.
Weshalb fliessen immer mehr Gelder in die Szene?
Viele Unternehmen wollen die jungen Erwachsenen erreichen, also die Millennials und die Generation Z. Diese wurden definitiv als neue Zielgruppen entdeckt. Immerhin sind die Jungen die Kunden der Zukunft. Und über konventionelle Unterhaltungs- und Informationskanäle wie TV oder Zeitungen sind sie immer schwerer zu erreichen. Das Gaming, als heissbegehrter Tummelplatz für die Jungen, ist da ein sehr interessantes Feld zur Kundenanwerbung.
Was genau meint der Begriff Gaming?
Mit Gaming assoziiert man vor allem Nintendo, Playstation und Computer. In erster Linie also spezifizierte Software- und Hardwareunternehmen. Das ist eine unglaublich grosse Industrie.
Lässt sich dieser Gaming-Markt in Zahlen fassen?
Weltweit umfasst er ungefähr 130 Milliarden US-Dollar. Nicht eingerechnet sind die Gaming-Ansätze, die in der Gesundheits- und der Finanzwelt vermehrt aufkommen. Während hippe Fintechs mit Gamification die Financial Literacy, das allgemeine Verständnis von Finanzwissen, fördern wollen, werden Games und spielerische Ansätze mittlerweile auch in der Rehabilitation und anderen Therapieformen eingesetzt. Auch hier zeigt die Wachstumskurve nach oben.
Wie konkret können sich Unternehmen stärker im Gaming-Bereich einbringen?
Ingame-Werbung wird in Zukunft sicherlich zunehmen. Wichtige Marken erkennen, dass hier ein Potenzial vorhanden ist, weshalb man die erforderlichen Lizenzen einholen will, um mit Marke und Logo in die Games hineinzukommen. Bislang dürften die Anreize noch zu wenig vorhanden gewesen sein. Immerhin begibt man sich in die Abhängigkeit des Gameanbieters, was immer ein potenzielles Risiko darstellt. Aufgrund der grossen Popularität einzelner Games wird man als Unternehmen dieses Risiko aber eingehen wollen.
Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie?
Für ein Unternehmen kann es spannend sein, einen eSportler oder Streamer aufzubauen. Damit kann man eine gesamte Fangemeinschaft gewinnen, die man mit eigenen Produkten geschickt bespielen kann. Ein einzelner Spieler lässt sich in der Theorie noch besser vermarkten und an sich binden, was einem wiederum einen interessanten Personenmarkt generieren kann.
Das müssen Sie genauer ausführen.
Ein Team gehört dem jeweiligen Unternehmen, während das Spiel letztlich dem Gameanbieter gehört. Gewinnt das Team, dann gewinnt das eigene Team. Mit einem eigenen Team wird man unabhängiger gegenüber dem Spielanbieter, da dieser zum Beispiel jederzeit entscheiden kann, eine gewisse Werbung aussen vorzulassen. Dass ein erfolgreiches Spiel über Nacht von den Servern genommen wird, ist unwahrscheinlicher.
Welche Auswirkung hat das Smartphone auf den Gaming-Markt?
Mobile-Gaming erhöht natürlich die Bequemlichkeit ungemein. Es braucht keinen PC mehr, um kompetitiv zu spielen. Heute gibt es bereits erste Games, die plattformübergreifend gespielt werden können. Das heisst: Ein Spieler spielt auf dem Computer, sein Gegner auf dem Smartphone. Mobilgeräte sind ein Wachstumstreiber, weil sie das Spielen von überall erlauben.
Der nächste Wandel soll bereits vor der Tür stehen: Gaming verschiebt sich von der Konsole in die Cloud. Welche Folgen hat das?
Ein grosser Teil der Hardware wird für den Endkonsumenten überflüssig. Die grossen Techgiganten wie Google, Amazon und Microsoft dürften diesen Wandel vorantreiben, so dass man die Spiele dann direkt im Browser spielt. Mit Stadia hat Google bereits ein entsprechendes Projekt vorgestellt. Die Spiele werden dann gestreamt, ähnlich wie das heute mit Netflix der Fall ist. Was also mit klassischen Plattformen und Co. passiert ist, könnte bald auch Hardware-Herstellern bevorstehen.
Wem nützt dieser Wandel?
Mobilfunk und Internetanbieter sind hier sicherlich prädestiniert, um von ihm zu profitieren. Eine zuverlässige Infrastruktur ist schliesslich Voraussetzung für cloudbasiertes Gaming. Hier steckt dann auch gleichzeitig die grösste Herausforderung, da die Infrastruktur in vielen Ländern nicht unseren Standards entspricht.
Inwiefern ist Gaming bei Internetprovidern wie UPC ist bereits ein Thema?
Wir richten unsere Produkte zwar nicht nur nach den Gamern aus, doch wir nehmen ihre Bedürfnisse definitiv auf. Derzeit bereiten wir uns auf einen wichtigen Meilenstein vor: UPC führt noch dieses Jahr ein 1 Gigabit-Angebot ein, das schon bald flächendeckend in der Schweiz verfügbar sein wird – auch in ländlichen Regionen.
Was genau unternimmt UPC im Bereich des Gaming?
Angefangen haben wir vor drei Jahren mit der Nachrichtenwebseite «esports.ch». Uns war und ist es ein Anliegen, eSports zu fördern und dem Gaming die Aufmerksamkeit zu geben, die es verdient. Das ist uns mit Blick auf die bisherige Entwicklung sehr gut gelungen. Und natürlich steht auch zu einem gewissen Masse auch Marketing dahinter. Mit den gewonnenen Erkenntnissen können wir unsere Produkte besser vermarkten.
Für welche traditionellen Industriezweige ist die Gamingindustrie besonders interessant?
Für Banken, denn die sind bis jetzt definitiv untervertreten. Wie bereits erwähnt, sollten sie ein grosses Interesse an den Kunden der Zukunft haben. Nur verständlich also, wenn die PostFinance mit ihrem Pilotprojekt vorgeprescht ist, um so ein digitales, junges Publikum anzusprechen. Andere Banken dürften dieses Projekt gespannt beobachten, um gegebenenfalls selbst aktiv zu werden.
Wie können Anleger an der Entwicklung der Gaming-Welt partizipieren?
Bislang gibt es vor allem die Möglichkeit, einzelne Aktientitel von Spieleentwicklern oder auch Hardwareanbietern zu kaufen. Das entspräche dann aber mehr einem aktiven Ansatz, bei dem Banken oder Vermögensverwalter spezifische Aktien empfehlen.
*Oliver Lutz ist Product Owner eSports bei UPC Schweiz und dem Sportsender MySports.