Die Aktienmärkte haben sich in den vergangenen Monaten gut entwickelt, doch nun kehrt die Nervosität zurück. Für Peter Bänziger, Leiter Asset Management der Swisscanto Gruppe, ist es aber noch nicht Zeit den Märkten den Rücken zuzukehren.
Text: Barbara KalhammerDie konjunkturellen Aussichten haben sich in den vergangenen Monaten etwas aufgehellt. Vor allem Entwicklungen aus den USA geben Anlass, positiver in die Zukunft zu blicken. Welche sind es?
Es sind drei Hauptfaktoren: Erstens der Immobilienmarkt. Die Preise haben sich deutlich erholt und der Aufwärtstrend geht weiter, aber auch die Anzahl der Baubeginne und der Verkauf neuer Häuser sind deutlich gestiegen. Zweitens das Konsumentenvertrauen. Die Kauflust der Amerikaner ist ungebrochen und trägt damit zum Wirtschaftswachstum bei. Der dritte Punkt sind die Zeichen der Belebung auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote befindet auf dem tiefsten Stand seit vier Jahren.
Wie steht es um Europa?
Hier ist das Bild gemischt. Deutschland beispielsweise ist sehr gut ins neue Jahr gestartet. Bei Frankreich dagegen ist genau das Gegenteil der Fall. Bei Peugeot zum Beispiel gab es hohe Verluste. Die vorauslaufenden Indikatoren sind negativ. Gleichzeitig verbessert sich aber das Gesamtbild der Peripherie, so auch die Zahlen in Spanien. Doch die politische Lage bereitet sowohl in Spanien wie auch in Italien weiterhin Sorge.
In den vergangenen Monaten stand auch China unter Dauerbeobachtung. Zeigt das Land der Mitte eine Erholung?
Ja, es hat sich mehr Schwung ergeben, doch leider ist dieser schon wieder etwas gebremst worden. Grund dafür sind Eingriffe der Regierung in den Immobilienmarkt, der bereits wieder heiss gelaufen ist. Geld- und Fiskalpolitik in China werden in den kommenden Monaten geprägt sein von einer Gratwanderung zwischen einer wieder ansteigenden Inflationsrate und dem Versuch, eine Überhitzung des Immobilienmarktes zu verhindern.
Welche Auswirkungen könnte der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea haben?
Die Möglichkeit einer Eskalation in diesem Konflikt birgt für China eine gewisse Gefahr. Jüngste Äusserungen der chinesischen Regierung deuten darauf hin, dass man langsam die Geduld verliert mit dem unberechenbaren Verbündeten. Wir gehen davon aus, dass die Machthaber in Nordkorea vor allem Stärke demonstrieren wollen und dass es nicht zu einer Eskalation der Situation kommt. Trotzdem bleibt Nordkorea natürlich ein Risikofaktor für den asiatischen Kontinent.
Aktien haben sich in den letzten Monaten durchwegs gut entwickelt. Ist das Pulver bereits verschossen?
Nein, langfristig ist dies noch nicht der Fall. Kurzfristig sind wir aber sehr schnell sehr weit gestiegen. Dies könnte selbst ohne spezifischen Grund kurzfristig zu einer grösseren Korrektur führen. Ein Blick auf die Bewertungen zeigt, dass der Weltaktienmarkt nicht mehr so deutlich unterbewertet ist, vielleicht noch im Bereich von 10 Prozent. Hier ist das Potenzial nach oben beschränkt. Allerdings gibt es deutliche regionale Unterschiede.
Welche Regionen sind immer noch attraktiv?
Der Aktienmarkt Europa. Dies vor allem deshalb, weil die Peripherie, besonders Länder wie Italien und Spanien, markant unterbewertet ist. Aber auch Deutschland und Frankreich sind noch nicht sehr teuer. Den Ton und die Richtung gibt weiterhin der amerikanische Aktienmarkt an. Das Potenzial ist jedoch in Europa am grössten. Interessante Einstiegsmöglichkeiten bieten sich auch am chinesischen Markt. Dort empfiehlt sich jedoch ein Engagement in Fonds.
Wie schätzen Sie die Gefahr einer kommenden Überbewertungsphase ein?
Im Moment muss man darauf nicht spekulieren, um positive Renditen zu erzielen. Wie erwähnt sind die meisten Märkte im Falle von Europa nämlich noch leicht, zum Teil sogar sehr deutlich unterbewertet. Doch eine Überbewertungsphase ist durchaus wahrscheinlich, wenn die Politik des lockeren Geldes weitergeführt wird. Die Folge wäre ein weiterer Anstieg der Aktienpreise, der in eine Überbewertung mündet und zum Schluss in einem Absturz endet.
Im Bereich der Obligationen greifen Anleger immer noch zu Staatsanleihen, obwohl diese sehr teuer geworden sind. Nehmen sie den Kaufkraftverlust in Kauf?
Ja, das ist so. Das ist der Preis für die Sicherheit. Schweizer, amerikanische und auch deutsche Anleihen von erstklassigen Schuldnern weisen einen garantierten Realverlust auf, wenn man die Inflation, die Spesen und die Steuern miteinbezieht. Deshalb gilt es, langfristige Staatsobligationen zu verkaufen, insbesondere jene von Frankreich und Japan.
Wo bieten sich abseits der Aktien- und Anleihenmärkte Chancen?
Sich umschauen ist immer eine gute Sache. Die meisten Anleger schielen weiterhin mit einem Auge auf Immobilien, vor allem Schweizer Immobilien. Diese weisen im Vergleich zu Obligationen immer noch sehr attraktive Renditen auf. Der Renditevorsprung liegt bei etwa 2 bis 2,5 Prozent, und der Nachfragedruck ist nach wie vor relativ gross. Die Situation am Obligationenmarkt zwingt Anleger dazu, breit zu schauen. Die verhassten Funds of Hedge Funds haben in der Vergangenheit insbesondere in Phasen steigender Zinsen gute Renditen erzielt. Eine Beimischung macht durchaus Sinn. Schweizer Immobilien werden mit der Gefahr einer Blasenbildung in Verbindung gebracht.
Wie schätzen Sie die Lage ein?
Es ist nicht abzustreiten, dass an gewissen Lagen und für bestimmte Objekte sehr hohe Preise bezahlt werden und hier durchaus kleine Einzelblasen entstanden sind. Auf der Ebene des Gesamtmarktes sind nach unseren Berechnungen die Preise etwas zu hoch. Das Niveau ist aber keineswegs so hoch, dass man wirklich von einer Blase sprechen könnte. Wir erwarten nach einer Phase von stabilem Hochdruckwetter ein etwas wolkigeres Umfeld mit einer möglichen mittelfristigen Abkühlung und einzelnen Störungen.
Wie sollte man sich positionieren, um sich vor diesen Störungen zu schützen?
Es gibt zwei Möglichkeiten: zum einen der Kauf von Immobilienfonds und zum anderen der Erwerb von Immobilienaktien. Die Fonds weisen aber ein hohes Aufgeld von etwa 20 Prozent und mehr auf. Bei steigenden Zinsen würde dieses Agio abgebaut. Das bedeutet, im Moment sollten Anleger Fonds nur noch halten. Die Immobilienaktien an der Schweizer Börse haben sich sehr gut entwickelt. Aber in der letzten Zeit tendieren sie etwas schwächer und zeigen entgegen dem Trend des Gesamtmarktes etwas nach unten. Daher mein Rat: Bei Immobilienaktien ist jetzt der Zeitpunkt, Gewinne mitzunehmen.
Gibt es nebst Immobilienaktien weitere rote Tücher im Anlageuniversum?
Für mich ist das im Moment Gold. Das physische Gold ist in den vergangenen Jahren sehr stark gestiegen, bis in den Bereich um 1800 Dollar. Und leider haben Anleger nahe den Höchstständen sehr viel Geld in ETF investiert. Mittlerweile ist Gold wieder etwas gefallen. Ich gehe davon aus, dass sich das Edelmetall noch weiter vergünstigen wird, vor allem wenn die Aktienmärkte weiter steigen. Daher sollten Anleger, die Gold-ETF halten, verkaufen und Gewinne mitnehmen.
Peter Bänziger ist Chief Investment Officer bei Swisscanto.