Mitte Dezember knackte Bitcoin ein neues Allzeithoch. Zu den Kurstreibern gehören inzwischen auch etablierte Unternehmen, die Teile ihre strategischen Cashreserven in Bitcoin halten. Ziehen weitere Firmen nach?
Text: Marc Steiner, Buchautor und Bitcoin BeraterBitcoin wurde lange Zeit nicht ernstgenommen, sondern als «Geld für Kriminelle» oder «Spielerei für Computer-Nerds» abgetan. Diese Zeiten sind nun vorbei. Selbst J. P. Morgan bestätigte kürzlich in einem Report, dass Bitcoin mit Gold konkurriere. Noch vor drei Jahren war die Investmentbank überzeugt: «Bitcoin ist Betrug!» Dieser Sinneswandel ist kein Einzelfall. So haben kürzlich zwei börsenkotierte US-Firmen, Square und Microstrategy, 50 beziehungsweise 450 Millionen Dollar, in Bitcoin investiert.
Und PayPal ermöglicht seinen amerikanischen Kunden, Bitcoin zu kaufen und zu nutzen. Dies zeigt, dass Bitcoin zu einem ernstzunehmenden Asset geworden ist. Wie hat es die Kryptowährung geschafft, vom «Nerd-Geld» zum Investitionsgegenstand grosser Unternehmen zu werden?
Der Reifeprozess
Am 3. Januar 2009 entstanden die ersten Bitcoins. Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt noch kein Ökosystem, geschweige denn eine Preisfindung. 2010 bezahlte Laszlo Hanyecz 10’000 Bitcoins für zwei Pizzen – und legte damit zum ersten Mal einen Marktpreis fest. Von 2011 bis 2014 dominierten der Darknet-Markt «Silk Road» und die Handelsplattform «Mt. Gox» das Geschehen mit Umsätzen von mehreren Milliarden Dollar. Es ging zu wie im Wilden Westen, bis Mt. Gox aufgrund eines Hacks von den Behörden geschlossen wurde.
Inzwischen hat das Bitcoin-Ökosystem einen schnellen Reifeprozess durchlaufen. Zwar kann man weiterhin die volle Freiheit von Bitcoin nutzen, wenn man peer-to-peer kauft oder verkauft. Aber auch professionelle Finanzprodukte von lizenzierten Krypto-Banken sind heute verfügbar. Für jeden ist etwas dabei.
Unternehmen kaufen den Markt leer
Aus den Pressemitteilungen der an der US-Börse Nasdaq gelisteten Firma Microstrategy oder des Milliarden-Unternehmens Square von Twitter-Gründer Jack Dorsey wird deutlich: Bitcoin wird von grossen Unternehmen zunehmend als ernsthafte Alternative zu Aktien, Gold und Immobilien wahrgenommen.
Ein Beispiel, das exemplarisch für das Ausmass der jüngsten Ereignisse steht: Die Buchgewinne, die Microstrategy mit seinem Bitcoin-Investment innerhalb von drei Monaten erzielt hat, waren höher als der Gesamtnettogewinn der letzten drei Jahre. Bitcoin ist zwar immer noch ein spekulatives Asset, aber Microstrategy-CEO Michael Saylor bringt es auf den Punkt: «Die Magie von Bitcoin ist nicht der Geldtransfer zu jemandem, der 10’000 Kilometer entfernt ist, sondern den Geldtransfer zu jemandem, der 10’000 Tage entfernt ist.» Ein Geldspeicher in die Zukunft sozusagen.
Firmen decken sich im grossen Stil mit Bitcoin ein. Allein der weltweit grösste Bitcoin-Vermögensverwalter Grayscale – er verwaltet etwa 450’000 Einheiten – erwarb in den letzten Monaten mehr Bitcoins als aktuell neu auf den Markt kommen. Langfristig wird dies zu einer Verknappung des Angebots führen, weil die Quelle der willigen Verkäufer aufgebraucht und der Nachschub durch das Mining zu gering sein wird. Zurzeit entstehen täglich rund 900 neue Bitcoins. 18,5 Millionen von den maximal 21 Millionen sind bereits produziert. Somit trifft eine steigende Nachfrage auf einen austrocknenden Markt. Weitere Preissteigerungen sind somit wahrscheinlich.
Wann ziehen weitere Firmen nach?
Gemäss Microstrategy-Chef Michael Saylor war es ein aufwendiger und langer Prozess, das Investment vorzubereiten und umzusetzen. Man kauft nicht eben mal Bitcoins für 450 Millionen Dollar. Deswegen schickte er seine Führungsriege ins Bitcoin Bootcamp, wo sie sich über mehrere Monate intensiv ins Thema einlesen und viele Diskussionen führen mussten. Falls andere Firmen diesem Beispiel folgen, werden sie in den nächsten sechs bis acht Monaten mit ihren Bitcoin-Anlagen an die Öffentlichkeit treten.
Werden es wieder nur amerikanische Unternehmen sein? Gemäss dem Researchportal Cointelegraph planen zwar 39 Prozent der 55 befragten professionellen Investoren aus der DACH-Region, in den nächsten sechs bis zwöf Monaten zu investieren, allerdings in sogenannte Security Tokens und alternative Coins, nicht in Bitcoin.
In meinen Augen absolut unverständlich, da Bitcoin seit Beginn die Kryptowährung Nummer eins ist. Auch Microstrategy betont in einer offiziellen Pressemitteilung, dass «Bitcoin als die weltweit am weitesten verbreitete Kryptowährung ein zuverlässiger Wertaufbewahrer und ein attraktiver Anlagewert mit einem grösseren langfristigen Wertsteigerungspotenzial als Bargeld ist». Bitcoin biete Eigenschaften, die sowohl für Private wie Institutionen nützlich sein können.
Corona als Beschleuniger
Laut Grayscale wurden 83 Prozent der Bitcoins, die sie nun verwalten, in den letzten 12 Monaten gekauft. Und 63 Prozent der Investoren seien durch die Covid-19-Krise auf die Idee zum Kauf gekommen. Dieser Trend wird auch weiterhin als Brandbeschleuniger wirken.
Auch in meinen Bitcoin-Beratungen beobachte ich diese Entwicklung. Immer mehr Unternehmer*innen wollen wissen, wie sie sicher mit Bitcoin umgehen können. Wobei auch hier die Pandemie der Hauptgrund ist, warum die Menschen mehr über Bitcoin erfahren wollen. Das ist klug, denn das wachsende Interesse der Firmen verdeutlicht: Bitcoin ist gekommen, um zu bleiben.
*Marc Steiner ist selbstständiger Bitcoin Berater und unterstützt Investoren, Vermögensverwalter und Treuhänder beim sicheren Umgang mit Bitcoin. Er ist Autor des Buchs «Bitcoins verwahren und vererben» und veranstaltet Seminare, um Interessierte zu Bitcoin-Experten auszubilden.
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