Bitcoin & Co.: Warten auf die Zukunft

Nach einem stürmischen 2017 an den Krypto-Märkten ist 2018 ruhiger. Ob der Wind noch in diesem Jahr dreht? Niemand weiss es.

Text: Pascal Hügli

Selbst Krypto-Enthusiasten müssen zugeben: Etwas verkehrt erscheint sie einem schon, die wundersame Welt der Krypto-Assets. 2017 sprach China ein Verbot von Bitcoin aus, transaktionstechnisch gesehen gelangte die Kryptowährung an ihr Limit und die Onboarding-Vorrichtungen waren spärlich gesät. Gleichwohl verdreifachte sich der Bitcoin-Preis gegen Ende 2017 innert weniger Wochen und erreichte schliesslich ein Allzeithoch von 20 000 Dollar pro Coin. Gegenwärtig steht der Kurs wieder bei knapp 6000 Dollar.

Und obwohl die Nachrichten heute positiver sind, die technische Entwicklung weiter ist und die Einbindung in die traditionellen Finanzmärkte voranschreitet, reagiert der Preis kaum. Er dümpelt weiter vor sich hin. Korrelieren Preis und Realität in der Krypto-Welt denn überhaupt nicht? Kurzfristig offensichtlich nicht, auf lange Frist wohl schon.

Wie immer mit neuen Technologien werden Erwartungen in der kurzen Frist zu hoch gesetzt, während das Potenzial und die Möglichkeiten auf längere Sicht eher unterschätzt werden. Die bisherigen Bärenmärkte auf dem Krypto-Markt zeigen zudem: Phasen, in denen die Preise korrigiert haben, dienten stets dazu, sich ohne grosse Ablenkung auf die technische und infrastrukturelle Weiterentwicklung zu konzentrieren. Während kursbedingter Durststrecken wurde so immer wieder das Fundament für neue Höhenflüge gelegt.

Die Hypothek von 2018

Für die sich überschlagenden Kurse im vierten Quartal vergangenen Jahres ist hauptsächlich eine Sache verantwortlich: der Hype um Initial Coin Offerings, sogenannte ICOs. Um an einem solchen Token-Sale teilnehmen zu können, benötigt man vor allem Bitcoin und Ether – jene Krypto-Assets, die den Bullenmarkt erst so richtig befeuert hatten.

Was Ende 2017 als positiver Preiskatalysator wirkte, drehte dieses Jahr nach und nach und entpuppte sich immer mehr als Brandbeschleuniger. Die ICO-Projekte sahen sich natürlich mit Fixkosten konfrontiert, die sie mittels Liquidation der zuvor eingenommenen Bitcoin und Ether schrittweise beglichen. Das führte zu einem Preisdruck nach unten.

Die zahlreichen ICO wurden so zu einer Hypothek, von der wir derzeit nicht sagen können, wann sie gänzlich abgetragen sein wird. Diese durch ICO-Verkäufe getriebene Negativspirale wird irgendwann auslaufen. Ob die Krypto-Assets dann in einen neuen Bullenmarkt übergehen werden, hängt noch immer von der Mutter aller Kryptowährungen ab. So wie die US-Wirtschaft und der Dollar in der traditionellen Welt nach wie vor die Zugpferde sind, gibt der Bitcoin in der KryptoWelt den Ton an.


Toolbox

Das Lightning-Netzwerk ist eine Skalierungslösung, um Bitcoin-Transaktionen schneller und günstiger zu machen. Als «Second-Layer»-Zahlungsprotokoll ermöglicht das Lightning-Netzwerk sogenannte Zahlungskanäle, über die Netzwerkteilnehmer Transaktionen tätigen können.

ICO steht für Initial Coin Offering und beschreibt eine Crowdfunding-Möglichkeit via Internet. Dabei investieren Anleger Bitcoin, Ether oder andere Krypto-Assets und erhalten im Gegenzug einen Token. Mittels Emission eines eigenen Tokens kann ein Unternehmen auf globaler Ebene Kapital einsammeln, ohne auf Investmentbanken oder Risikokapitalgeber angewiesen zu sein.

Tether ist ein sogenannter Stablecoin. Dieser versucht seinen Wert über eine Kopplung an den US-Dollar konstant zu halten. Die Tether-Verantwortlichen geben vor, für jeden Tether-Coin einen US-Dollar als Reserve zu halten.

Altcoins: Da Bitcoin die erste funktionierende Kryptowährung war, wurde sie zum Inbegriff für Kryptowährungen. Mittlerweile gibt es Hunderte von Alternativen, die unter dem Begriff «Altcoins» zusammengefasst werden. Manchmal werden die «Alternative Coins» auch «Alts» genannt.

Bitcoin-Maximalisten halten Bitcoin für das einzig wahre Krypto-Asset. Sie glauben, dass langfristig nur der Bitcoin überleben wird, da Altcoins entweder bloss eine billige Bitcoin-Kopie sind oder überhaupt keinem sinnvollen Zweck dienen.

Halving: Bitcoin ist in seiner Menge begrenzt. Es werden niemals mehr als 21 Millionen Bitcoin existieren. Seit der Schaffung nimmt die Zahl neugeschaffener Bitcoin pro zehn Minuten um die Hälfte ab, darum der englische Begriff «Halving». Während der Algorithmus heute noch 12,5 Bitcoin pro zehn Minuten produziert, werden es 2020 noch 6,25, 2024 nur noch 3,125 sein, bis ungefähr im Jahr 2140 alle Bitcoin geschöpft sind.


Wie die momentane Situation auf dem Krypto-Markt abgesehen von Tether beweist, ist Bitcoin das digitale Gold und somit Zufluchtsort für wankelmütige Investoren. Bestätigt wird diese Tatsache auch dadurch, dass die Bitcoin-Dominanz gegenüber anderen Krypto-Assets wieder zunimmt. Mit 56 Prozent liegt sie nur wenig unter der Marke von Ende 2017. Erst wenn der Bitcoin-Preis wieder Fahrt aufnehmen sollte, können die Altcoin-Kurse ebenfalls ausbrechen. Oder werden Altcoins das Sterbebett nicht mehr verlassen? Immerhin haben sie stärker bluten müssen – einige haben bis zu 95 Prozent ihrer Marktkapitalisierung eingebüsst.

Vor allem Bitcoin-Maximalisten sehen in der derzeitigen Marktphase daher das Ende der Altcoins. In der Tat gibt es nach wie vor zu viele Krypto-Assets. Viele werden verschwinden, nicht über Nacht, sondern graduell. Gerade in einer neuerlichen Hausse dürften viele in Sachen Marktkapitalisierung den Anschluss zu den Top-Shots verlieren und so in der Versenkung verschwinden. Dass sich aber einige Altcoins an die Fersen Bitcoins heften werden, ist ebenfalls zu erwarten.

Am Ende kommt die Wende

Ob der Wind noch in diesem Jahr dreht? Niemand weiss es. Gehofft wird vor allem auch auf einen Bitcoin-ETF, der den Weg für einen neuen Bullenmarkt ebnen soll. Bislang wurde die Genehmigung allerdings immer wieder aufgeschoben. Die Tatsache, wonach grosse Namen der Wall Street wie Goldman Sachs, Morgan Stanley, die Citigroup und die New Yorker Handelsbörse ihren Kunden Bitcoin und andere Kryptowährungen nicht länger vorenthalten wollen, stimmt Krypto-Investoren positiv.

Sollten die institutionellen Investoren jedoch im neuen Jahr noch immer auf sich warten lassen, dürfte spätestens die Antizipation des bevorstehenden Halvings im Mai 2020 einen neuen Positivtrend auslösen. Den ersten beiden Halvings 2012 und 2016 ist jeweils ein Preisanstieg vorausgegangen, da der Markt die
anstehende Halbierung der Bitcoin-Inflation bereits frühzeitig einkalkuliert hat.


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