Brexit lässt die Finanzmärkte erbeben

Der Austritt Grossbritanniens hat die Märkte stark belastet, doch sichere Häfen wie Gold und Bitcoin haben vom Brexit profitiert. Für langfristige Anleger bieten sich nun Einstiegschancen.

Text: Adriano B. Lucatelli

Der Juni stand ganz im Zeichen des Austritts Grossbritanniens aus der Europäischen Union nach 43 Jahren Zugehörigkeit. Die Entscheidung kam überraschend, gingen doch die meisten Anleger von einem Verbleib Grossbritanniens aus. In der Folge kam es zu panikartigen Abgaben.

Die Aktienmärkte verloren am Freitag weltweit insgesamt 2080 Milliarden Dollar, wobei der globale Finanzsektor allein rund 400 Milliarden Dollar vernichtete. Das britische Pfund war so schwach wie zum letzten Mal 1985. Auf der anderen Seite legten Gold, Yen, Schweizer Franken, Bitcoin und AAA-Staatsanleihen kräftig zu.

Neben diesem Ereignis ging beinahe vergessen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 8. Juni die «Planwirtschaft» am europäischen Anleihenmarkt einführte. Neu kauft die EZB nämlich auch Unternehmensanleihen, was nichts anderes heisst, als dass die Preisfindung am Markt ausser Kraft gesetzt wurde.

Ähnlich absurd zeigt sich die Situation am Schweizer Obligationenmarkt. Die Eidgenossenschaft platzierte eine 13-jährige Obligation mit einem Nullzinscoupon zu einem Preis von 103 Prozent, was einer Rendite von minus 0,227 Prozent entspricht!

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Nach dem EU-Austritt der Briten wird es zunächst keinen festen Boden für Aktien geben. Es droht vielmehr eine Phase der Unsicherheit. Diese dürfte nach dem Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien vom vergangenen Sonntag andauern, wo sich erneut eine schwierige Regierungsbildung abzeichnet.

Dennoch sollte man das Resultat des britischen Referendums nicht überbewerten. Der Rückzug des Vereinigten Königreichs, dessen Wirtschaft 2,4 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts ausmacht, wird zu keinem nachhaltigen Schaden für die Märkte führen. Tatsächlich dürften sich die jüngsten Rückschläge an den Aktienmärkten rückblickend als interessante Kaufgelegenheit für langfristige Anleger erweisen.

Zu den Brexit-Profiteuren könnten die Schwellenländer gehören, fallen doch die Exporte nach Euroland bescheiden aus. Hinzu kommen der erstarkte US-Dollar und die verflogenen Sorgen um China.

Die Brexit-Abstimmung hat auch Auswirkungen auf die Obligationenmärkte. So dürften etwa die Zentralbanken mit der ultralockeren Geldpolitik vorerst weiterfahren, um die Märkte zu beruhigen, und der für September erwartete Zinsschritt in den USA dürfte zunächst einmal ausbleiben. Für Grossbritannien erwarten wir, dass die Bank of England die Leitzinsen bis Ende Jahr auf null Prozent senken wird.

Von der Unsicherheit um den Ausgang des Brexit-Referendums konnte Gold, das jeweils gerne als sicherer Hafen angefahren wird, deutlich profitieren. Der Aufwärtstrend könnte sogar noch weitergehen, insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Tief- beziehungsweise Negativzinsumfelds.

 

Der Ökonom Adriano B. Lucatelli ist Unternehmer, hält verschiedene Verwaltungsratsmandate und ist Dozent an der Universität Zürich. Lucatelli verfügt zudem über langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen von Schweizer Grossbanken und hat mit Erfolg ein Schweizer Wertpapierhaus auf- und ausgebaut. Neben der Fliegerei nennt der lizenzierte Helikopterpilot Tennis und politische Literatur zu seinen Hobbys. 

Disclaimer: Die gemachten Prognosen und Aussagen über die Finanzmärkte widerspiegeln die persönliche Meinung von Adriano B. Lucatelli zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich jederzeit verändern. Verweise auf bestimmte Wertpapiere, Vermögensklassen oder Finanzmärkte dienen nur zu Illustrationszwecken und sollten nicht als Beratung oder Empfehlung in Bezug auf den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verstanden werden.


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