Die Flut an Indizes ist enorm. Drei grosse Häuser, MSCI, S&P und Stoxx buhlen um Marktanteile. Doch inzwischen überlegen sich auch Produktanbieter eigene Indizes zu entwickeln, um mitunter auch Kosten zu sparen.
Text: Rino BoriniHerr Graf, die ETF-Branche ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Wie beurteilen Sie die Rolle der Indexanbieter in diesem Prozess?
Passive indexbasierte Investments haben in den vergangenen Jahrzehnten einen wahren Siegeszug gefeiert, ETF sind hierfür nur ein Beispiel. Der Erfolg basiert auf einem zentralen Element dieser Produkte: Die Wertentwicklung von ETF wird eindeutig durch die zugrundeliegenden Indizes bestimmt. Diese Indizes sind der wesentliche Baustein der ETF und das zentrale Element, auf das sich Anleger konzentrieren sollten. In den letzten Jahren haben sich die Konzepte und Methodologien der Indizes kontinuierlich weiterentwickelt, um die vielfältigen Anforderungen seitens Emittenten und Investoren zu erfüllen.
Die Indexvielfalt ist enorm. Verlieren Anleger nicht langsam den Überblick?
Es stimmt, die Anzahl der Indizes nimmt stetig zu. Dies ist jedoch vor allem eine Reaktion auf ein sich ständig veränderndes Marktumfeld. Grundsätzlich ist ein breiteres Angebot nicht schlecht, wichtig ist jedoch die Qualität der Angebote. Hier unterscheiden sich die Konzepte im Markt teilweise erheblich. Um die Vorund Nachteile einzelner Konzepte zu identifizieren, muss man sich intensiv mit ihnen beschäftigen. Ein einfaches Mass für die Beurteilung von Indexkonzepten sind die Marke und die Reputation des Indexanbieters. Dies vor allem aus einem Grund: Nur unabhängige Indexanbieter garantieren dem Investor Sicherheit, da bei ihnen eine Verflechtung mit Produktemittenten ausgeschlossen ist.
Die Indizes von Stoxx decken bereits zahlreiche Märkte ab. Was fehlt noch?
Momentan bieten wir vorwiegend Aktienindizes. Seit Mitte des letzten Jahres vertreiben wir jedoch auch Indizes der Anteilseigner, so zum Beispiel die DAX-und SMIIndexFamilien. Über diese Indexfamilien werden unter anderem die Bereiche Rohstoffe und Anleihen abgedeckt. Für diese Anlageklassen werden wir zukünftig auch unter der Marke Stoxx Indizes anbieten.
Welche Trends zeichnen sich ab? Was waren die Innovationen in diesem Jahr?
Im Februar 2011 kam die Stoxx Global Index Family an den Markt, die 61 Länder und knapp 8000 Titel umfasst. Die Besonderheit dieser Indexfamilie ist, dass wir uns nicht auf das traditionelle Angebot mit Regionen, Länderund Sektorenindizes beschränken, sondern auch Strategieindizes für die Länderindizes berechnen, die es so bislang nicht gab. Alle unsere Indizes sind so konzipiert, dass sie problemlos investierbar sind. Des Weiteren steht das Thema Nachhaltigkeit im Zentrum. Laut einer Analyse des Think Tank Eurosif stieg das nachhaltig investierte Anlagevolumen in Europa zwischen 2007 und Ende 2009 um 36 Prozent pro Jahr auf fünf Billionen Euro. Das Thema Nachhaltigkeit ist ein gutes Beispiel dafür, dass neue Indexkonzepte für Investoren einen positiven Mehrwert schaffen können. Ältere Konzepte sind häufig nicht transparent in der Auswahl der Unternehmen und auch die Gewichtung der einzelnen Unternehmen ist nicht konsistent. Die im April 2011 lancierte Stoxx Global ESG Leaders Indexfamilie setzt genau hier an.
Wie funktionieren diese?
Im Fokus stehen klare Ausschlusskriterien, ein transparenter Indexaufbau sowie einfach nachvollziehbare Kriterien. Die Gewichtung der einzelnen Titel im Index richtet sich danach, wie sie bei den Nachhaltigkeitskriterien abschneiden. Die eigentliche Innovation dieser Indizes ist ihre einzigartige Transparenz: Alle Firmenratings sind auf unserer Website einzusehen. Die hohe Transparenz erlaubt es Investoren, selber zu beurteilen, ob die definierten Kriterien und die ausgewählten Unternehmen zu ihrem Anlageverhalten passen. Zudem können sie ihr Portfolio dank den drei Subindizes eigenständig nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten der Corporate Governance gewichten.
Worauf sollten Anleger bei der Indexwahl achten?
Am besten ist es, wenn Anleger sich im Detail über die Methodik der einzelnen Indizes informieren. Falls diese nicht vollumfänglich zugänglich ist, sollte der Anleger Vorsicht walten lassen. Die Indexregeln sind im Einzelnen vor allem darauf zu prüfen, dass keine verborgenen Gebühren enthalten sind, und dass die Indizes liquide und handelbar sind. Indizes, welche die Besonderheiten der jeweiligen Märkte berücksichtigen, unterstützen die konkreten Investitionen besser. Oftmals sind diese Einschätzungen schwierig. Sich an einen unabhängigen Indexanbieter zu halten, kann ein Ausweg sein.
Welche unterschiedlichen Methodologien gibt es bei der Indexzusammensetzung?
Populär sind immer noch Indizes, welche die Anteile nach Marktkapitalisierung gewichten. Moderne Konzepte weichen hiervon vor allem auf zwei Arten ab: Zum einen etablieren sich mehr und mehr Indizes, welche die Aktien nach alternativen Kriterien gewichten und damit die Ertragsund Risikostruktur anpassen. Ein Beispiel dafür sind Minimum Varianz Indizes, die Zugang zu einem bestimmten Markt mit minimalem Risiko gewähren.
Zum anderen wird die Indexzusammensetzung zunehmend auf Basis externer Einflussparameter verändert. Als Beispiel können hier moderne Risk-Control-Indizes genannt werden, welche die Aktienquote in Abhängigkeit vom aktuellen Marktumfeld begrenzen. In beiden Bereichen ist Stoxx aktiv tätig. Eine weitere Innovation ist, dass diese Konzepte nicht nur für einzelne Märkte zur Verfügung stehen, sondern weltweit.
Um Kostenersparnisse zu generieren, überlegen sich einzelne Anbieter von Finanzprodukten, selber Indizes zu entwickeln. Das wird Sie kaum freuen …
Der vielfach gerühmte Transparenzvorteil von Indizes gilt nur, solange sie auf einer objektiven und verlässlichen Berechnung basieren. Diese kann per se nur durch eine unabhängige Stelle, also einen Indexanbieter, erfolgen. Wir sehen dieser Entwicklung daher gelassen entgegen.
Was sind denn die grössten Herausforderungen für Indexanbieter?
Eine der grössten Herausforderungen und gleichzeitig der Anspruch an uns selbst ist, weiterhin innovative und regelbasierte Indexkonzepte zu entwickeln und damit massgeblich zur Weiterentwicklung des Marktes beizutragen.
Indizes gelten zwar als transparent, doch von den Indexanbietern erhalten Anleger nicht wirklich viele Detailinformationen.
Das wird von Indexanbieter zu Indexanbieter unterschiedlich gehandhabt. Auf der Stoxx-Website sind die wichtigen Informationen frei verfügbar. Anleger können sich ein Bild machen über Regelwerke, Indexzusammensetzung und -anpassungen. Des Weiteren sind zum Beispiel die Informationen zu den Nachhaltigkeits-Ratings der Stoxx Gobal ESG Leaders Indizes frei verfügbar. Für Anleger ist das ein klarer Mehrwert.
Hartmut Graf führt seit Anfang 2010 als Geschäftsführer die Aktivitäten von Stoxx Ltd.