Der Token macht den Unterschied

Das Internet scheint regelrecht befallen zu sein. Im Zuge der von Bitcoin lancierten Krypto-Epidemie schiessen digitale Token derzeit wie Pilze aus dem Boden. Doch was ist ein Token überhaupt? Wofür ist er gut?

Text: Pascal Hügli

Im Zuge der von Bitcoin lancierten Krypto-Epidemie schiessen digitale Token derzeit wie Pilze aus dem Boden. Sie tragen Namen wie Dash, Lumens, Monero, Ethorse, Moon- oder Trumpcoin. Doch was ist ein Token überhaupt? Wofür ist er gut? Dabei handelt es sich letztlich um eine digitale Wertmarke, die in irgendeiner Weise mit einer Geschäftsidee, einem Projekt, einem Unternehmen in Verbindung steht. Auf unterschiedlichen Handelsbörsen lassen sie sich wie Aktien kaufen oder verkaufen. Vielfach ermöglicht ein Token exklusiven Zugang zu einem Internetprotokoll, letztlich zu einem Netzwerk, das durch die Blockchain-Technologie und deren dezentralisierte Datenbank aufrechterhalten wird.

Vielfalt der Token-Arten

Token ist allerdings nicht gleich Token. So gibt es den Coin, der die Funktion einer Währung innehat. Im Gegensatz zu konventionellen Währungen wird dieser Coin nicht durch eine Zentraleinheit herausgegeben, sondern entsteht durch das Mining unterschiedlicher am System teilhabender Akteure. Dabei investieren diese stromintensive Rechenleistung, um das jeweilige Zahlungsnetzwerk aufrechtzuerhalten. Als Belohnung erhalten sie die neu geschürften Coins. Das prominenteste Beispiel ist der Bitcoin. Die Finanzmarktaufsicht der Schweiz spricht bei dieser Art Coin von Zahlungs-Token (ICO-Wegleitung der Finma)

Der eigentliche Token ist vielmehr mit einem Gutschein, Coupon oder Ticket zu vergleichen. Beispielsweise ein Kinoeintritt, der Zutritt in den Kinosaal gewährt. Ausserhalb des jeweiligen Kontextes hat er keinen Wert. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Token-Arten. Unter dem Utility-Token werden diejenigen Token verstanden, die digitalen Zugang zur Nutzung eines Blockchain-Netzwerkes ermöglichen. Davon abgesehen, scheint dieser Token keinen anderen Nutzen zu haben. Etwas salopp spricht man in diesem Zusammenhang deshalb auch von «Krypto-Fuel», dem Treibstoff für das Netzwerk. Als Beispiele werden hier häufig Ether oder IOTA genannt. Um diese Kategorie zu beschreiben, verwendet die Finma den Begriff des Nutzungs-Token.

Eine zweite Art ist der Security-Token. Als solche werden sämtliche Arten von handelbaren Vermögenswerten bezeichnet. Ausschlaggebend ist, dass diese Art von Token durch einen physischen Gegenwert gedeckt ist und letztlich eine Einlösungspflicht besteht. So können Inhaber eines entsprechenden Security-Token diesen entweder für ein Edelmetall, ein Luxusgut oder einen Anteil an einer Immobilie einlösen. Ein Beispiel hier ist der DigixDao-Token. Gemäss Finma fallen die Security-Token in die Kategorie der Anlage-Token.

Dann gibt es auch noch den Equity-Token. Der Idee nach verkörpert ein solcher eine digitale Aktie. Über einen Smart Contract, einen sich selbst exekutierenden Vertag auf der Blockchain, sollen potenziell anfallende Dividenden an die Equity-Token-Inhaber ausbezahlt werden – in einer Kryptowährung versteht sich. Wie bei einer Aktie kann der Inhaber an Abstimmungen teilnehmen, die transparent über die Blockchain durchführt werden. Prominentes Beispiel aus der Schweiz: der Modum-Token. In diesem Fall verwendet die Finma ebenfalls den Begriff des Anlage-Token.

Neue Welt der Token-Ökonomie

Gewöhnlich ist die Anzahl Token auf eine im Programmiercode des jeweiligen BlockchainNetzwerkes festgelegte Menge beschränkt. Falls sie bereits geschaffen wurden, werden sie als «premined» bezeichnet. Alternativ werden über einen programmieren Netzwerk-Algorithmus und unter vordefinierten Bedingungen in regelmässigen Abständen neue Token kreiert, bis die im Code festgelegte Gesamtmenge erreicht ist.

Als Werteinheit eines Netzwerkes sind die Token Teil einer Anreizstruktur. Für ein Blockchain-Netzwerk ist eine solche unabdingbar. Es gibt eben keine zentrale Kontrollinstanz, welche die Funktionalität des Netzwerkes sicherstellt, indem sie letztgültige Entscheidungen fällt und Fehlverhalten von NetzwerkTeilnehmern sanktioniert. Im Falle der Blockchain sorgen dafür Kryptografie und Mathematik.

Die netzwerkeigenen Token steuern ihren Teil dazu bei, indem sie für die Nutzer des Netzwerkes ökonomische Anreize zur dezentralisierten Konsensfindung schaffen. Denn über einen Token ist dessen Inhaber finanziell am Netzwerk beteiligt. Nur logisch also, dass Miteigentümer eines Netzwerks ein Interesse an dessen Erfolg haben. Die teils frenetisch anmutende Begeisterung von Bitcoin-, Ethereum- oder IOTA-Nutzern ist darauf zurückzuführen, dass sie das Netzwerk nicht nur nutzen, sondern über die Token daran beteiligt sind und direkt von dessen Erfolg profitieren. Nutzer werden so zu Fans oder gar Jüngern, die als passionierte Entwickler, Vermarkter und Verkäufer zur weiteren Verbreitung der Idee beitragen.

Diese Art von Netzwerkinhaber-Effekt hat es so noch nie gegeben. Wer bis zum Aufstieg der Token-Ökonomie mit der Entwicklung neuer Internetprotokolle Geld verdienen wollte, musste dazu Software entwickeln und diese verkaufen. Die Entwickler von Webservern oder Browsern waren oftmals andere, sodass die Urheber der ihnen zugrundeliegenden Internetprotokolle nicht direkt mitverdienten.

Dank digitaler Token können Blockchain-Protokolle von ihren Schöpfern direkt monetarisiert werden. Zudem verdienen sie und die Early Adopter einer Idee erst noch daran, dass andere Unternehmen neue Projekte auf ihrem Protokoll aufbauen. Nicht zuletzt deshalb sind jene Token mit der derzeit höchsten Marktkapitalisierung fast ausschliesslich Bestandteil verschiedenster Basisprotokolle. Auf der Grundlage dieser beschriebenen kryptoökonomischen Anreize entstehen neue Internet-Gemeinschaften in Form Blockchain-basierter Token-Modelle. Auch wenn es derzeit weit über tausend gibt, werden nur einige überleben. Der Token an sich ist gekommen, um zu bleiben.


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