«Die Mobile-App fordert einen Bewusstseinswandel»

Privatbanken gelten unter jungen nicht selten als verstaubt. Maerki Baumann will zeigen, dass das nicht sein muss. Neben einer bald zu lancierenden Mobile-App will die Privatbank auch ein Krypto-Angebot auf den Markt bringen.

Text: Pascal Hügli
Maerki Baumann Milko Hensel

Maerki Baumann ist dabei, eine Digitalisierungsstrategie auszuarbeiten. Wie weit sind Sie schon?

Milko Hensel Wir sind in unseren Bestrebungen schon weit fortgeschritten. Dass wir solide Arbeit geleistet haben, zeigt sich gerade jetzt, da aufgrund der Coronakrise viele unserer Mitarbeitenden von zuhause aus arbeiten. Diese räumliche Distanz bemerken unsere Kunden nicht.

Digitalisierung bedeutet für Sie also vor allem Prozessoptimierung mittels digitaler Werkzeuge?

Im ersten Schritt auf jeden Fall. Noch immer arbeiten Banken mit analogen Prozessen – intern wie auch auf Kundenseite. Die Digitalisierung dieser Prozesse bringt eine beschleunigte und fehlerfreie Abwicklung der Aufgaben. 

Muss man als Bank nicht davon wegkommen, bloss interne Prozesse mit digitalen Technologien optimieren zu wollen? Digital zu sein verlangt doch, eine tiefgreifende Veränderung von Geschäftsmodellen, Kultur und Mindset.

Um digital arbeiten zu können, müssen in einem ersten Schritt die Prozesse digitalisiert werden. Ist diese Hürde geschafft, kommt die eigentliche Herausforderung: der Bewusstseinswandel. Digitalisierung bedeutet auch eine Veränderung von Dienstleistungen sowie von Formen der Zusammenarbeit mit den Kunden. Dass sich gerade Banker in der Schweiz mit der Änderung des Mindsets so schwertun, hat meiner Meinung nach mit Incentivierung und Risikovermeidung zu tun. 

Wie meinen Sie das?

Im Schweizer Private Banking scheint mir ein anderer Unternehmensgeist zu herrschen als beispielsweise in Grossbritannien. Mein Eindruck ist: Hierzulande arbeitet man zu wenig kaufmännisch. Man denkt immer noch zu stark in der Schablone von Produkten und Dienstleistungen, statt sich zu fragen, welche Bedürfnisse die Kunden haben. Man überlegt sich auch zu wenig, wie man gewisse Bedürfnisse wecken könnte. 

Braucht es anstelle einer Digitalisierungsstrategie also vielmehr eine am Kunden orientierte Gesamtstrategie für eine digitale Ära?

Die Digitalisierungsstrategie muss stark mit der Gesamtstrategie der Bank verwoben sein. Bei uns gilt: Wir wollen jüngere Kunden gewinnen und sie langfristig an uns binden. Noch dieses Jahr lancieren wir eine Mobile-App. Wir sind überzeugt, dass die meisten Kunden inzwischen vor allem über diesen Weg mit ihrer Bank kommunizieren wollen.

Eine Mobile-App ist aber nicht gerade neu. Und entspringt sie nicht genau dem von Ihnen kritisierten Produkte-Denken? 

Ja und Nein. Ein Grund für die Einführung unserer Mobile-App ist die Chat-Funktion, für die bei vielen Kunden ein Bedarf besteht. Als Privatbank sehen wir die Mobile-App als Kommunikationskanal, der die Kundennähe und die Reaktionsgeschwindigkeit des Kundenberaters erhöhen soll. Somit fordert unsere Mobile-App einen klaren Bewusstseinswandel.

Inwiefern?

Der Kundenberater muss sich bewusst sein, dass man im Chat unmittelbar antwortet. Es bringt keine Vorteile, wenn man Zeit verstreichen lässt. Der Bewusstseinswandel, den es dafür braucht, wird gemeinhin unterschätzt.

Was tun Sie als Privatbank auf der Angebotsseite, damit ich als junge Person von ihrer Mobile-App Gebrauch machen will? 

Wir schaffen ein Angebot für den Handel mit und die Verwahrung von Krypto-Vermögenswerten. Damit versuchen wir, das bewährte Know-how einer Privatbank mit den Herausforderungen und Chancen der neuen Welt zu verbinden.

Wie wird dieses Angebot für den Privatkunden konkret aussehen?

Sobald wir grünes Licht von der FINMA erhalten haben, starten wir mit der Verwahrung und dem Handel von Krypto-Vermögenswerten. In einem nächsten Schritt wollen wir Anlageprodukte anbieten, zum Beispiel Direktanlagen in Krypto-Währungen oder Token aus Security Token Offerings (STOs). Das langfristige Ziel sind Anlagestrategien in Form von Krypto-Mandaten und integrierte Krypto-Anlagelösungen.

Langfristig, weil der Kryptomarkt für professionelle Anlagelösungen momentan noch zu unreif ist?

In der Tat. Zum heutigen Zeitpunkt ist immer noch schwierig abzuschätzen, welche Krypto-Vermögenswerte sich in welchen Branchen durchsetzen werden. Ausser Bitcoin und einige wenige andere kommen und gehen die meisten Kryptowährungen sehr schnell. Wenn viele der gehandelten Werte in einer Anlageklasse nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden, müssen die Anlagelösungen auf die bedeutendsten Währungen fokussieren.

Handelt es sich bei der Kryptowelt überhaupt um eine eigene Anlageklasse?

Hier müssen wir differenzieren. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass sich die Krypto-Währungen zu einer eigenen Anlageklasse entwickelt haben, die ihre Berechtigung neben den klassischen Werten haben wird. Bei Security und Utility Token erwarten wir, dass sie mittel- bis langfristig mit den traditionellen Aktien- und Obligationenmärkten verschmelzen werden. 

Lohnt sich ein Krypto-Angebot für Junge, die meist nicht über viel Vermögen verfügen, für eine Privatbank überhaupt? 

Mit unserem Krypto-Angebot versuchen wir, mögliche jüngere Kunden frühzeitig auf uns aufmerksam zu machen. Wenn wir heute über Kryptowährungen eine jüngere Kundschaft gewinnen, können wir sie später an die Welt der traditionellen Anlagen heranführen. Gleichzeitig versuchen wir, unseren traditionell orientierten Kunden die Krypto-Welt näher zu bringen.

Wie stark wird die Blockchain-Technologie die heutige Finanzwelt insgesamt verändern? 

Wir sind sicher, dass sich die gesamte Finanzwelt in diese Richtung entwickeln wird, weil die Blockchain-Technologie für alle relevanter wird. Früher oder später werden wir alle Finanzwerte mithilfe der Blockchain-Technologie handeln. Wenn wir als lokale Privatbank diesbezüglich auch keine Standards setzen können, so sind wir doch an vorderster Front dabei. Wir haben derzeit sechs Mitarbeitende, die sich mit Krypto und Blockchain befassen. 

Das Thema hat bei Ihnen also einen hohen Stellenwert.

Ja. Krypto erscheint uns auch deshalb interessant, weil neue Ertragsflüsse möglich sind. Angesichts der fallenden Courtagen auf breiter Front dürfte es auch im Private Banking immer schwieriger werden, die traditionellen Ertragsflüsse aufrechtzuerhalten. 

Wie und wo informieren Sie sich um sicherzustellen, dass Sie auch tatsächlich Expertise gewinnen und nicht auf Experten hören, die vielleicht eigene Interesse vertreten?

Es ist tatsächlich schwierig, verlässliche Quellen für die Bewertung von Krypto-Vermögenswerten zu finden. Hier versuchen wir über unser Netzwerk und im Gespräch mit unseren Partnern, gemeinsame Mindestanforderungen zu definieren. Wir identifizieren verlässliche Informationsquellen und beobachten fortlaufend ihre Entwicklung.

Wie glauben Sie, wird Krypto die Coronakrise überstehen?

Die aktuelle Situation ist eine sehr gute Möglichkeit, das Verhalten von Krypto-Vermögenswerten in Extremsituationen empirisch zu erfassen und besser zu verstehen. Denn bislang war die Haltung: Krypto verhält sich asynchron zu traditionellen Anlagen. Das ist in den letzten Wochen nur bedingt eingetroffen. Wie sich Krypto-Vermögenswerte in den nächsten Monaten entwickeln, dürfte sehr spannend sein.

Milko Hensel ist Leiter Digitale Partnerschaften bei der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG und ist in dieser Funktion unter anderem verantwortlich für Digitalisierungsmassnahmen innerhalb der Bank und die Beziehungspflege zu Krypto- und Fintech-Unternehmen. Vor dieser Tätigkeit war er bei verschiedenen Banken und Beratungsgesellschaften in der Schweiz und Deutschland tätig. Zudem vertritt er die Bank in diversen Arbeitsgruppen der Vereinigung Schweizerischer Handels- und Verwaltungsbanken.

 


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