Bei der Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für Blockchain und Kryptoassets mischt die Schweiz vorne mit. In Bundesbern ist derzeit eine «Distributed Ledger Technology»-Vorlage in Ausarbeitung, damit soll Rechtssicherheit geschaffen werden.
Text: Pascal HügliEs gibt in der Kryptowelt eine faszinierende, immer noch oft unverstandene Tatsache: Eine öffentliche Blockchain ist nicht einfach ein Zeilencode, sie stellt eine neuartige Institution dar. Eine Institution, die gewissermassen über eine eigene, ihr einprogrammierte Rechtsordnung verfügt. Gelegentlich als Smart Property Rights beschriebene Eigentumsrechte werden durch die öffentliche Blockchain autonom durchgesetzt. Diese Entwicklung hat Folgen: Erste Ökonomen erwarten, dass sich die heutige Institutionenlandschaft – Staaten, Märkte, Unternehmen et cetera – grundlegend verändern könnte.
Eine öffentliche Blockchain verfügt zwar über ihr eigenes Recht, doch dieses wird erst dieser Tage mit dem traditionellen Recht in Einklang gebracht. Denn noch immer sind sie verhältnismässig kleine Pflänzchen, deren Wachstum zum Teil auch auf die Liquidität, also Finanzkraft der etablierten Welt angewiesen ist (Deep-Dive: In unserem nächsten Krypto-Lunch werden wir über mögliche neue Liquidität reden, die über die nächsten Jahre in Bitcoin fliessen könnte). Dabei entsteht bei eingefleischten Anhängern der neuen Welt jedoch oft der Eindruck, die Anpassungen an das gegenwärtige Rechtssystem würde die offene, erlaubnisfreie Rechtsordnung öffentlicher Blockchains letztlich einschränken. Ein Einwand, der nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
Gleichwohl wurde in der Schweiz ein Handlungsbedarf erkannt. Der Plan: Man will die traditionelle Welt gewissermassen auf die neuen Standards upgraden. Bei der Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für Blockchain und Kryptoassets mischt die Schweiz damit vorne mit.
Zurzeit ist in Bundesbern eine DLT-Vorlage in Ausarbeitung. DLT steht für «Distributed Ledger Technology» und ist gewissermassen der technisch-wissenschaftliche Begriff für alles, was Blockchain und Kryptoassets umfasst. Über einen sogenannten Mantelerlass sollen insgesamt zehn Bundesgesetze punktuell angepasst werden. Anders als beispielsweise in Liechtenstein verabschiedet man in der Schweiz kein eigenständiges Gesetz, sondern bringt die bestehenden Gesetz auf Vordermann.
Obligationenrecht
Noch fallen Kryptoassets in Form sogenannter Anlage-Token durch alle Maschen (mehr zu Tokens: Der Token macht den Unterschied). Um einen Eigentümerwechsel rechtlich sicherzustellen, taugen weder Immaterialgüter-, Urheber-, Wertschriften- noch Wertrechtgesetz. Bei allen besteht die Forderung nach Schriftlichkeit, was für digitale Vermögenswerte äusserst ungünstig ist.
Die DLT-Vorlage soll dieses Problem lösen, indem sie das Konzept der Registerwertrechte einführt. Diese schaffen die Rechtsgrundlage, auf deren Basis tokenisierte Aktien, Schuldverschreibungen und andere Finanzaktiven eigentümerrechtlich bindend übertragen werden können. So ist jede Art von Effekten ist so mit einem Anlage-Token verknüpft. Das wiederum impliziert, dass das Eigentum an den Effekten automatisch mit dem Anlage-Token verknüpft ist. Letzterer wird so endlich zum modernen Äquivalent des Wertpapiers.
Mit diesem Schritt ist die nötige Rechtssicherheit geschaffen, damit Wertschriften bei der Emission als Registerwertrechte und somit auf DLT-Basis in ein digitales Register eingetragen werden können. Dieses Register muss sehr hohe Anforderungen bezüglich Datenintegrität, Funktionalität und Transparenz erfüllen. Dass dieses digitale Register – bei Einhaltung der erforderlichen technischen Sicherheiten – dezentraler Natur ist, wird durch die Vorlage nicht explizit ausgeschlossen.
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Das Revolutionäre an Kryptoassets ist, dass sie in eigener Verfügungsgewalt gehalten werden können, da sie mittels kryptografischer Methoden beherrschbar sind. Sie sind somit wie normale Güter direkt durch den Inhaber und ohne Intermediär zu halten.
Natürlich lassen sich digitale Vermögenswerte nach wie vor über eine Drittpartei verwahren. In der Theorie kann dies grundsätzlich über zwei unterschiedliche Szenarien erfolgen. Ein Kunde sowie der Verwahrer verfügen beide über die entsprechenden Privatschlüssel und damit Zugriff auf die Assets. Im anderen Fall lagert der Kunde seine Kryptoassets beim Verwahrer und letzterer ist im alleinigen Besitz der Zugangsschlüssel.
Insbesondere bei letzterem Fall wird oft das Prinzip der Sammelverwahrung angewendet. Das könnte jedoch vor allem im Konkursfall zu Problemen führen: Im schlechtesten Fall würden die Kryptoassets zur Konkursmasse gezählt – und der eigentliche Eigentümer könnte sie verlieren.
Mit der DLT-Vorlage soll auch beim Schuldbetreibungs- und Konkursrecht Klarheit geschaffen werden. Wenn die Vermögenswerte zwar einer Gemeinschaft zugeordnet werden, aber gleichzeitig immer ersichtlich ist, wem welcher Anteil gehört, soll eine Aussonderung möglich sein. Die Kryptoassets wären im Konkursfall sicher.
Bankengesetz
Die Möglichkeit der Absonderung ist letztlich auch Voraussetzung dafür, dass Kryptowerte im Depot eines Kunden und somit ausserhalb der Bankbilanz gehalten werden können. Auf diese Weise soll auch abschliessend geklärt werden, dass Kryptoassets keiner exorbitanten Eigenkapitalunterlegung bedürfen.
Wenn Kryptoassets ausserhalb der Bilanz gehalten werden, braucht es überhaupt keine Unterlegung mit Eigenmitteln. Und die Verwahrer müssten nicht mehr der inoffiziellen Risikogewichtung von Kryptoassets von bis zu 800 Prozent (Basel III) nachkommen.
Finanzmarktregulation
Bei der Finanzmarktregulation geht es um die Schaffung massgeschneiderter Lizenzkategorien für Börsen, auf denen Kryptoassets in der Form von Anlage-Tokens gehandelt werden können. Gemäss der geltenden Börsenvorschriften ist die Kotierung dieser tokenisierten Effekten an einer Schweizer Börse nicht möglich. Die Möglichkeiten, heute schon Anlage-Token zu handeln, bieten grundsätzlich die Konzepte «multilaterales Handelssystem» und «organisierte Handelssysteme». Über die vergangenen Jahre hat sich allerdings gezeigt, dass diese Möglichkeiten wenig praktikabel sind. Sie zahlen sich für Unternehmen schlicht nicht aus.
Diese sogenannten Security Tokens werden jedoch nie abheben können, wenn wir nicht über funktionierende Sekundärmärkte verfügen. Mit der DLT-Vorlage soll über das Finanzmarktinfrastrukturgesetz nun eine Bewilligungskategorie für DLT-Handelssysteme eingeführt werden. Mit diesem Schritt soll die Schaffung der besagten Sekundärmärkte vereinfacht werden. Erlaubt werden soll der Handel, nicht aber die Kotierung von Anlage-Token. In der Praxis dürfte dies vorerst jedoch keinen grossen Unterschied machen.
Geldwäschereigesetz
Zuletzt sieht die DLT-Vorlage vor, die neu geschaffenen DLT-Handelssystemen dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen. Dies deshalb, weil sie im Unterschied zu herkömmlichen Börsen direkten Kontakt mit dem Endnutzer haben werden. Als Intermediäre zwischen Börse und Endkunde fungieren Banken, die ihrerseits dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind. Entsprechend müssen sie darauf achten, dass die einschlägigen Anforderungen eingehalten werden.