Die Zinswende an den Anleihenmärkten ist eingeläutet. Für Anleger ist es an der Zeit sich auf die veränderten Marktbedingungen einzustellen und ihre Positionen anzupassen.
Text: Barbara KalhammerNachdem die Zinsen für Staatsanleihen in den vergangenen Monaten auf Tiefstständen verharrten, steigen sie langsam wieder an. Ist damit die erwartete Zinswende eingeläutet?
Der Ende Mai von der amerikanischen Notenbank FE D angedeutete Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik war ein Weckruf an die Investoren und Ausgangspunkt für einen weltweiten Anstieg der Renditen. Der Tiefpunkt der Renditen hochqualitativer Anleihen liegt damit hinter uns. Auf Basis unserer Frühindikatoren, die einen markanten Vorlauf vor den öffentlich verfügbaren Stimmungsindikatoren haben, rechnen wir in den nächsten Quartalen mit einer zunehmenden Wachstumsdynamik und einer weiteren Stabilisierung der Krise in der Eurozone.
Ist damit auch ein weiterer Zinsanstieg verbunden?
Ja, durch das höhere Wirtschaftswachstum erwarten wir, dass auch die Zinsen weiter nach oben klettern. Allerdings dürfte dieser Zinsanstieg nicht lange anhalten. Weil die Konjunktur schon im Frühjahr 2014 wieder schwächer werden sollte, ist dann auch wieder mit sinkenden Zinsen zu rechnen.
Welche Länder wären von einer Zinswende besonders betroffen?
All jene Länder, die zuvor in besonderem Masse von der ultraexpansiven Geldpolitik der Notenbanken profitiert haben. So sind zum Beispiel die Renditen 10-jähriger US -Treasuries seit Mai dieses Jahres von 1,60 auf knapp 3 Prozent gestiegen, was Kursverluste in Höhe von 9 Prozent nach sich zog. Die Renditen 10-jähriger Eidgenossen sind auf 1,20 Prozent gestiegen, was einer Verdoppelung entspricht. Die Renditen britischer Staatsanleihen sind im selben Zeitraum von 1,60 auf 3,30 Prozent geklettert. Die Beteuerung der Europäischen Zentralbank, das Leitzinsniveau für einen langen Zeitraum auf dem aktuell niedrigen Niveau zu belassen, konnte das Ausmass des Zinsanstiegs bei deutschen Bundesanleihen abmildern. Mit 2,05 Prozent notieren aber auch sie 0,90 Prozent über ihrem Tiefststand.
Welche Folgen ergeben sich für Anleger?
Steigende Zinsen ziehen Kursverluste für Investoren nach sich, die aufgrund des extrem niedrigen Zinsniveaus nicht mehr durch Couponerträge kompensiert werden können. Für Investoren, die frühzeitig investiert haben, schmelzen damit vorhandene Kurszuschreibungen ab. Anlegern, die spät auf den Anleihenzug aufgesprungen sind, drohen Kursverluste.
Wie sollten sich Anleger mit Staatsanleihen verhalten?
Die Zeiten von Buy-and-Hold sind vorbei. Auch Staatsanleihenportfolios müssen zukünftig aktiv bewirtschaftet werden. So haben wir zum Beispiel bereits vor einigen Monaten die durchschnittliche Restlaufzeit in unseren Anleihenfonds erheblich reduziert, die Staatsanleihenquoten verringert und höherverzinsliche Pfandbriefe sowie Unternehmensanleihen übergewichtet.
Wo lohnt sich ein Neuengagement?
Staatsanleihen aus den Peripherieländern der Eurozone mit mittleren Laufzeiten bieten mit Renditen leicht über 3 Prozent ein für uns attraktives Chance-Risiko-Profil. Aber auch im Bereich der Unternehmensanleihen gibt es durchaus interessante Investitionsmöglichkeiten. Viele Anleger sind aufgrund der tiefen Staatsanleihenrenditen, die durch die Inflation aufgefressen werden, auf Unternehmensobligationen ausgewichen.
Wie ist hier die Lage?
Unternehmensanleihen haben einerseits vom bis Mitte Mai abwärts gerichteten Zinstrend und anderseits von rückläufigen Zinsaufschlägen gegenüber Staatsanleihen partizipiert. Die Zinsen sind mittlerweile zwar absolut gesehen niedrig – relativ zu anderen Anleihensektoren aber noch immer attraktiv. Dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits liegen die Risikoprämienvon Unternehmensanleihen noch immer weit über dem Vorkrisenniveau. Andererseits ist die auf dem aktuellen Spreadniveau implizierte Ausfallwahrscheinlichkeit mit 8 Prozent weiter höher als die historisch maximale Ausfallrate von knapp 5 Prozent.
Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie in diesem Bereich?
Die anziehende konjunkturelle Dynamik wird zu einer weiteren Verbesserung der Ertragslage der Unternehmen führen. Dadurch erhöht sich die Kreditqualität der Unternehmen, was einen nochmaligen Rückgang der Zinsaufschläge nach sich ziehen wird. Unternehmensanleihen werden damit den von uns erwarteten Zinsanstieg bei hochqualitativen Staatsanleihen kompensieren können und eine Outperformance erzielen. Mit den höchsten Erträgen rechnen wir bei Unternehmensanleihen im niedrigen Investment-Grade-Bereich (BBB-/Baa3). Da in diesem Segment aber auch die höchsten Ausfallrisiken lauern, gewinnt die Emittentenauswahl an Bedeutung. Die Risiken im Obligationenbereich werden vielfach nicht ausreichend entschädigt.
Wie sieht es diesbezüglich bei High-Yield-Bonds aus?
Die Zinsaufschläge von High-Yield-Bonds sind zwar ebenfalls stark zurückgegangen, aber auf Basis unserer Analysen sind sie noch immer attraktiv. Wir raten jedoch von Einzelinvestitionen in High-Yields ab. Investoren sollten vielmehr auf ein breit diversifiziertes Portfolio aus High-Yields setzen. Auch Anleihenfonds, die diesen Bereich als Teil des gesamten Obligationenuniversums aktiv bewirtschaften, bieten Chancen. Diese Produkte haben die Möglichkeit, die High-Yield-Bonds zeitweise komplett zu verkaufen.
Worauf müssen sich die Anleger in den nächsten Monaten im Bond-Bereich einstellen?
Auf eine erhöhte Volatilität und die Notwendigkeit der aktiven Bewirtschaftung des Anleihenportfolios. Bis zur Jahreswende rechnen wir mit steigenden Renditen von hochqualitativen Staatsanleihen sowie fallenden Renditeaufschlägen von Peripherie- Staatsanleihen, Pfandbriefen und Unternehmensanleihen. Bereits im Frühjahr des kommenden Jahres dürfte jedoch dieser Trend drehen. Grund ist die bereits erwähnte Abkühlung der Konjunktur.
Welche Kriterien sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden?
Im aktuellen Umfeld bevorzugen wir kurze bis mittlere Restlaufzeiten von Peripherie-Staatsanleihen, aber auch Unternehmensanleihen mit niedrigem Investment-Grade-Rating aus dem Bereich der Grundstoffe und zyklischen Konsumgüter sind interessant. Selektiv können zur Ertragsoptimierung High-Yield-Bonds beigemischt werden.
Worauf sollte in den nächsten Monaten das Hauptaugenmerk liegen?
Unseres Erachtens stellt die aktive Bewirtschaftung der Duration und Anleihensektoren den entscheidenden Erfolgsfaktor für die nächsten zwölf Monate dar. Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir aktiv bewirtschaftete Anleihenfonds, die sowohl ihre Durationsausrichtung als auch die Gewichte der einzelnen Anleihensektoren konsequent an die konjunkturellen Perspektiven anpassen.
Stephan Kuhnke, CEO und Leiter Portfoliomanagement des Anleihenmanagers Bantleon Bank AG, Zug.