E-Franken – Die logische Konsequenz?

Soll die Nationalbank einen E-Franken lancieren? Was würde ein solcher bringen und wie könnte dieser technisch ausgestaltet werden? Wäre vielleicht die Blockchain-Technologie angebracht? Mögliche Antworten liefert das folgende Gedankenspiel.

Text: Pascal Hügli
E-Franken

Mit dem Aufkommen Blockchain basierter Krypto-Assets ist auch eine Debatte um das Wesen des Geldes entfacht. Private Digitalwährungen, die abseits des Staats- und Bankenapparats entstanden sind, versuchen das staatliche Währungsmonopol in Frage zu stellen.

Vor diesem Hintergrund werden Forderungen laut, wonach die Zentralbanken die Blockchain für eine eigene Digitalwährung nutzen sollten. In der Schweiz wurde der E-Franken erst kürzlich thematisiert. Respektive gefordert – beispielsweise von Marianne Wildi, Chefin der Hypothekarbank Lenzburg. Doch warum braucht es überhaupt einen digitalen Franken, wo doch der Grossteil unserer heutigen Währung, darunter die Sichtguthaben auf unseren Bankkonten, bereits digitalisiert ist?

Die Befürworter argumentieren mit der Geldschöpfung, die heute hauptsächlich durch private Geschäftsbanken betrieben wird. Ungefähr 90 Prozent aller «Schweizer Franken» sind digitale Buchungseinträge bei einer Bank, sogenanntes Buchgeld. Interessanterweise ist dieses heute nicht gesetzliches Zahlungsmittel, sondern bloss eine allgemein akzeptierte Forderung auf dasselbe. Wer eine elektronische Zahlung macht, bezahlt mit einem impliziten Schuldtitel einer Geschäftsbank.

Gesetzliches Zahlungsmittel fürs Digitalzeitalter

Aufgrund dieser Tatsache hat die SNB bloss indirekten Einfluss auf den Geldschöpfungsprozess – der E-Franken dürfte ihren Einfluss wieder erhöhen. Die SNB könnte dazu übergehen, Privaten ein Sichtguthabenkonto anzubieten. So stünde diesen fortan ein digitales gesetzliches Zahlungsmittel zur Verfügung. Über den Zins dieser neuen SNB-Sichtguthabenkonten könnte die Nationalbank die Nachfrage nach E-Franken regulieren.

Die Implementierung eines E-Franken dürfte zudem eine disziplinierende Wirkung auf Geschäftsbanken haben. Um weiterhin Gelder anzuziehen, müssten sie ihr Geschäftsmodell ändern oder die Zinszahlungen auf Einlagen erhöhen, um ihre Kunden für das zusätzlich eingegangene Risiko zu entschädigen. Die disziplinierende Wirkung auf die Geschäftsbanken würde dadurch verstärkt, dass Privatpersonen im Falle einer Bankenkrise ihr Geld rasch auf ihre SNB-Sichtguthabenkonten überweisen könnten. Geschäftsbanken hätten den Anreiz, weniger Risiken einzugehen und mehr Reserven und Eigenkapital zu halten.

Doch was würde Privatpersonen überhaupt noch davon abhalten, ihre Bankeinlagen von Geschäftsbanken vollständig abzuziehen und ihre «blossen» Forderungen auf ein gesetzliches Zahlungsmittel in Form von Buchgeld in eigentliches gesetzliches Zahlungsmittel in der Gestalt des E-Frankens umzutauschen? Die SNB würde zwar ein Girokonto für Privatpersonen anbieten, nicht aber das Kredit-, Zahlungs- oder Vorsorgegeschäft –  denn diese Finanzdienstleistungen gehören nicht zu ihrem Metier. Hierfür wären weiterhin die privaten Finanzdienstleister zuständig.

Wie eine Einführung des E-Franken und SNB-Girokonten im Detail aussehen würde und welche Auswirkungen ein solcher Schritt auf die Geschäftsbankenwelt hätte, darüber lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Es gibt zwei verschiedene Arten, wie ein System mit einer durch die Nationalbank herausgegebenen Digitalwährung konzipiert sein könnte.

Digitaler Franken – aber wie?

Die erste Möglichkeit: Die Nationalbank bietet direkt oder indirekt über die Geschäftsbanken ein SNB-Girokonto an. Die Vermögenswerte wären auf einer zentralen Datenbank gespeichert, der E-Franken wäre ein Eintrag in einem zentral organisierten Buchungsregister. Transaktionen würden durch Eingabe einer Zahlungsanweisung auf einer Web- oder Smartphone-Applikation ausgeführt und durch das zentrale System verifiziert.

Aus Sicht eines Privaten bedeutete das: Wer über ein SNB-Girokonto verfügt, ist nur scheinbar im Besitz der eigenen E-Franken – genauso wie man auch heute nicht Eigentümer von Buchgeld ist. Unangebrachte Transaktionen – an unerwünschte Gruppen beispielsweise – könnten gar verhindert werden. Auch dürfte die Einführung nominaler Negativzinsen durch eine Zentralbank einfacher sein, fiele mit der Implementierung des E-Frankens wohl das Bargeld.

Anders sähe es aus, wenn der E-Franken als digitaler Token mithilfe der Blockchain- oder – etwas allgemeiner formuliert – der «Decentralized-Ledger-Technologie» (DLT) ins Leben gerufen würde. Auf diese Weise wäre der E-Franken, was in der Fachsprache ein «Digital Bearer Instrument» genannt wird: digitales Eigentum an einer Sache, worüber niemand anderes gleichzeitig verfügen kann. Der E-Franken existierte so als digitales Besitzstück, über das man via privaten Zugangsschlüssel eigenständig verfügen könnte. Damit wäre er nicht nur ein Buchungseintrag bei einer Drittpartei. Privatpersonen könnten ihre E-Franken in einem privaten Wallet – einer digitalen Geldbörse- -– aufbewahren.

Blockchain und Zentralbanken – eine sinnvolle Kombination?

Aus Sicht der Zentralbank liesse sich mit dem Einsatz von DLT die Ausfallsicherheit erhöhen, da durch die Dezentralisierung des Netzwerkes ein «Single-Point-of-Failure» vermieden werden kann. Gleichwohl dürften alle Netzwerkteilnehmer der Nationalbank bekannt und durch sie eingesetzt sein, um so die letztgültige Kontrolle über das System zu behalten. Noch immer hätte die SNB die Möglichkeit, das Angebot von E-Franken bei -Bedarf auszuweiten.

In gewisser Weise würde diese zweite Variante dem heutigen Bargeldsystem ähneln. Genau wie mit Cash wäre eine direkte und endgültige Abrechnung möglich, also sogenannte erlaubnisfreie Transaktionen. Zahler und Empfänger wären somit nicht von einem Dritten abhängig. Ob die Anonymität in gleichem Ausmass gegeben wäre, scheint zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Die Daten könnten kryptografisch verschlüsselt werden und über sogenannte «Zero-Knowledge-Proofs» dürfte gleichwohl sichergestellt werden, dass ein Konsens über die Gültigkeit der Transaktionen innerhalb des E-Franken-Netzwerkes erreicht werden kann. Die zusätzliche Verschlüsselung würde jedoch die Komplexität erhöhen und liesse daher Fragen zur Geschwindigkeit und Skalierbarkeit eines solchen Systems aufkommen. Gegen diese zweite Variante dürften jedoch auch Stimmen laut werden, die in der heutigen Anonymität von Bargeldzahlungen gerade einen Anachronismus sehen, den es nicht weiterzuführen gilt.

Die Frage ist nun: Möchte die Bevölkerung einen solch radikalen Schritt? Immerhin würde die Schaffung eines E-Frankens letztlich zu Vollgeld führen – und diese Idee wurde doch eben erst an der Urne klar verworfen. Vielleicht könnte aber auch eine nächste Geschäftsbankenkrise einen solchen Umschwung herbeiführen. So würde die SNB dann nicht die Bank retten, sondern direkt das Geld der Einleger, indem sie ihnen den Nominalwert ihrer Einlagen in Form von E-Franken auf einem persönlichen SNB-Girokonto gutschreiben liesse. Unsere digitalen Franken wären dann vollständig durch die Nationalbank gesichert und somit so sicher – oder unsicher, je nach Meinung – wie die SNB selbst.


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  1. Bernhard

    Interessanter und lehrreicher Artikel – Vielen Dank und weiter so!

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