Technologischer Fortschritt zieht vielen über Jahrzehnte erfolgreichen Produkten und Dienstleistungen irgendwann den Stecker. ETF werden davon profitieren. Davon ist Florian Schubiger, Mitgründer der VermögensPartner AG, überzeugt.
Text: Florian SchubigerTechnologischer Fortschritt zieht vielen über Jahrzehnte erfolgreichen Produkten und Dienstleistungen irgendwann den Stecker. Was in jüngerer Vergangenheit auffällt: Die Digitalisierung analoger Daten wirkt beim technologischen Wandel wie ein Brandbeschleuniger. Die ETF-Industrie wird davon profitieren. Mehr als 6‘000 Milliarden Dollar ETF-Vermögen ist zwar ein beeindruckender Wert. Trotzdem dürften wir erst am Anfang des Booms stehen. Grund dafür: Der ETF-Vertrieb läuft immer noch mit angezogener Handbremse.
Wer heute in einer Bankfiliale 50‘000 Franken anlegen will, erhält entweder einen überteuerten Strategiefonds oder ein Mini-Verwaltungsmandat mit 1.5 bis 3 Prozent Gesamtkosten empfohlen. Die als Beratungsgespräch getarnte Verkaufsveranstaltung findet zwar meist mit digitaler Unterstützung statt, ETF oder Gebühreneinsparung sind für Software und Berater aber Fremdwörter. Ziel ist nicht primär, die für den Kunden beste Lösung zu finden, sondern die Maximierung der Profite.
Das ist kein Vorwurf an die Bankberater, sondern eine logische Folge der seit über 30 Jahren erfolgreichen Vertriebssysteme der Banken. Durch interne Margen- und Verkaufsziele ist der Spagat zwischen Verkauf und Beratung für Mitarbeitende in der Bankbranche ein Drahtseilakt. Alle Beteiligten verdienen mit, wenn der Kunde höhere Gebühren bezahlt. Vertriebsprovisionen, die sich verschiedene Anbieter innerhalb der Wertschöpfungskette gegenseitig vergüten, lähmen die Innovation. Das ist eine denkbar schlechte Ausgangslage für kostengünstige Finanzprodukte wie börsengehandelte Indexfonds. Oder anders ausgedrückt: Der Markt für Anlageprodukte ist aktuell noch immer ein ausgeprägter Push-Markt. Die Kundschaft kauft, was ihnen in einer Bankfiliale empfohlen wird.
Durch Fintechs ist die Digitalisierung des Finanzvertriebs in den letzten Jahren in die Gänge gekommen. Plattformen, Vergleichsportale und Roboadviser spielen ihre Kostenvorteile gnadenlos gegen die traditionellen Vertriebssysteme aus und etablieren sich als eigenständiges Glied in der Wertschöpfungskette. Durch Communities wird Finanzwissen vermittelt und der Push-Markt wandelt sich immer mehr zum Pull-Markt. Gut informierte Kunden – nicht Bankberater – entscheiden, was sie in ihr Wertschriftendepot legen. Das sind perfekte Aussichten für ETF, um mit Vollgas in die nächste Wachstumsphase überzugehen.
Banken kämpfen aktuell an verschiedenen Fronten. Genau die gleichen Mechanismen spielen im Hypothekargeschäft, dem wichtigsten Ertragspfeiler der Schweizer Hochfinanz. Fintechs machen den Big Playern Konkurrenz und der Verkaufspunkt verschiebt sich von der Bankfiliale ins Internet. Der Nutzen eines voll digitalen Hypothekenvergleichs ist so offensichtlich, dass auch hier ein Wandel vom Push- zum Pull-Markt stattfinden wird und die Margen sinken.
Die Lancierung der Hypothekenplattform Key4 der Grossbank UBS ist also alles andere als Zufall und die im letzten Monat durch die Credit Suisse bekannt gegebene Schliessung von 37 Bankfilialen nur eine logische Vorbereitung auf das, was kommen wird. Es ist positiv, dass die Vorbereitung auf die digitale Revolution beginnt. Schliesslich will keiner so enden wie der einstige Fotopionier Kodak, der zu lange an der analogen Technik festhielt, den Zug verpasste und im Jahr 2012 pleiteging.
Florian Schubiger ist Mitgründer der auf unabhängige Honorarberatung spezialisierten VermögensPartner AG sowie der Hypothekenplattform Hyptheke.ch. Schubiger ist auch Co-Autor des Buches «Was Sie über Altersvorsorge wissen sollten», welches im Februar im NZZ-Libro Verlag erschien.