Thomas Merz über die Aussagekraft des Tracking Error für die Abbildungsgenauigkeit von ETF.
Text: Barbara KalhammerReplizieren ETF die Risiko-Rendite-Charakteristiken des zugrundeliegenden Index ausreichend?
Wir haben für eine wissenschaftliche Publikation 131 ETF untersucht. Dabei zeigte sich in Bezug auf die Abbildungsgenauigkeit ein unterschiedliches Bild. Während die meisten ETF ein nahezu perfektes Abbildungsverhalten zeigen, gibt es auch solche, die in dieser Disziplin abfallen. Es lohnt sich, genau hinzuschauen.
Zur Messung der Tracking-Qualität wird meist der Tracking Error (TE) herangezogen. Eine gute Wahl?
Der Tracking Error beschreibt die Schwankungsbreite der Renditedifferenzen zweier Portfolios, in unserem Fall zwischen Index- und ETF-Portfolio. Es gibt demzufolge einen Anhaltspunkt bezüglich des Risikos, dass die Renditedifferenz nicht Null ist und sich somit eine Renditedifferenz zwischen Index und ETF-Portfolio einstellt. Je nach Frequenz der Datenmessung werden unterschiedliche TE-Werte ausgewiesen. Davon jedoch abzulesen, wie gross eine über einen Zeitraum von mehreren Perioden gemessene Abweichung zwischen Index und ETF-Portfolio ausfallen wird, ist unsinnig und hat mit der Nachbildungsgüte, der Tracking-Qualität im engeren Sinne, wenig zu tun.
Welche Ursachen gibt es für Renditeabweichungen?
Während der Index eine rein rechnerische Grösse darstellt, muss ein ETF-Portfolio die Performance des Index mit echten Transaktionen umsetzen. Dadurch wird es immer wieder mit Kosten konfrontiert, die bei den rechnerischen Grössen nicht oder nicht im selben Ausmass berücksichtigt sind. Dies führt zu Abweichungen. Diese können im Vergleich zum Index positiv oder negativ ausfallen. Ursächlich können diese Abweichungen Kosten, Steuern, Zusatzerträge, Bewertungsdifferenzen, Differenzen in Bezug auf Verbuchungszeitpunkte und noch vieles mehr mit einschliessen. Viel wichtiger zur Beurteilung, ob eine hohe Abbildungsqualität vorliegt, ist die Ursache einer Renditedifferenz und deren Richtung.
Welche Schlüsse können vom Tracking Error auf zukünftige Abweichung gezogen werden?
Eigentlich keine. Unser Research-Paper zeigt, dass der TE kaum Aussagekraft im Hinblick auf die zu erwartende Abweichung hat. Die Erklärungskraft des TE liegt bei Aktien-ETF nur gerade bei rund 5,5 Prozent und bei Anleihen-ETF bei 11,5 Prozent. Diese sehr tiefen Werte lassen den Schluss zu, dass man wegen des TE kaum auf die künftige Performancedifferenz zwischen Index und ETF schliessen sollte.
Sollten TE-Werte für die ETF-Auswahl überhaupt genutzt werden?
Aufgrund unserer Studie können wir sagen, dass bei europäisch domizilierten ETF keine Aussagen gemacht werden können, ob ein ETF über einen mehrperiodischen Zeitraum eine hohe oder tiefe Abbildungsgenauigkeit aufweisen wird.
Wie kann nun die Tracking-Qualität am besten beurteilt werden?
Ob ein ETF die entsprechende Indexperformance möglichst genau nachbilden kann, lässt sich verlässlicher mittels der Gesamtkostenquote vorhersagen. Den grössten Einfluss auf die Replikationsqualität haben gemäss der wissenschaftlichen Untersuchung unterschiedliche Kostenpositionen. Obschon die Gesamtkostenquote nicht alle Replikationskosten vollständig erfasst, ist sie trotzdem ein guter Anhaltspunkt. Mit einer Erklärungskraft von 44,3 für Aktien- und 36,8 Prozent für Anleihe-ETF ist der TER mit grossem Abstand der zuverlässigste Indikator für zukünftige Renditeabweichung zwischen Index und ETF.
Thomas Merz, Head UBS ETF Europe bei UBS Global Asset Management