Während sich der Konjunkturaufschwung in den USA fortsetzt, ist nun auch die Eurozone auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. Peter Bänziger, Anlagechef bei Swisscanto, erkärt, ob es an den Märkten weiter aufwärts geht und was die Zinswende bedeutet.
Text: Barbara KalhammerDie Konjunkturerholung in den USA dürfte anhalten. Können wir kurz durchatmen oder sehen Sie bereits neue dunkle Wolken am Horizont?
Wir können hier wohl erst ein bisschen durchatmen. Tatsächlich scheint die Konjunktur in den USA weiter an Fahrt zu gewinnen. Ein guter Indikator dafür sind beispielsweise die deutlich höheren Auftragseingänge. Doch es gibt auch Risiken. Ja, wobei die dunklen Wolken zumeist hausgemacht sind. Einerseits wegen der laufenden Budgetstreitigkeiten der US-Regierung, und andererseits, und das wird uns noch weiter beschäftigen, wegen der erneuten Diskussionen um die Anhebung der Schuldenobergrenze für Amerika.
Unsicherheit herrscht zudem hinsichtlich der amerikanischen Geldpolitik. Was erwarten Sie?
Wir hatten eigentlich für den September den Beginn des sogenannten Taperings erwartet. In diesem Fall hätte die amerikanische Zentralbank ihre Liquiditätszufuhr zurückgefahren. Zu diesem Zweck wären weniger Anleihen am Markt gekauft worden. Das ist allerdings nicht eingetreten. Vielmehr hat die Zentralbank klar gemacht, dass sie ihre lockere Geldpolitik aufrechterhalten wird, solange es zu keinem deutlichen Rückgang bei den Arbeitslosenzahlen kommt.
Zurück auf dem Wachstumskurs ist auch die Eurozone, wird sie ihn halten können oder sogar noch an Fahrt gewinnen?
Die Eurozone ist tatsächlich früher und vor allem stärker als erwartet aus der Rezession gekommen. Wenn man einen Blick auf die Zahlen aus den USA und den Schwellenländern wirft, dann wird die Eurozone davon profitieren und tendenziell weiter an Fahrt gewinnen.
Positiv überrascht haben auch die Aktienmärkte, die ihre Aufwärtsbewegung weiter fortsetzten. Stehen die Zeichen auch weiterhin auf Grün?
Ja, die Zeichen sind noch auf Grün, ich würde vielleicht sagen hellgrün. Die Aktienmärkte waren vor einem Jahr deutlich unterbewertet. Einen Grossteil dieser Unterbewertung haben sie durch den starken Kursanstieg in den vergangenen Monaten wettgemacht. Nun sind die meisten Aktienmärkte bereits fair bewertet, sodass das weitere Aufwärtspotenzial nicht mehr gleich gross sein wird.
Wo bieten sich Chancen für jene, die den Einstieg verpasst haben?
Tatsächlich ist der europäische Aktienmarkt nach wie vor sehr günstig bewertet. Hier lohnt sich durchaus ein Einstieg. Wenn man die Kombination aus tiefer Bewertung und den besseren Konjunkturdaten betrachtet, dann würde ich Europa momentan favorisieren.
Auf welchen Sektoren sollte das Hauptaugenmerk liegen?
Primär sollte zyklischen Branchen der Vorzug gegeben werden. Denn diese werden von einer raschen Verbesserung der Weltkonjunktur profitieren. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite sollte man sich aber auch verhasste Branchen, die seit zehn Jahren oder länger gemieden wurden ansehen. Dazu zähle ich beispielsweise Telekom-Unternehmen, aber neuerdings auch Versorger.
Welche Unsicherheitsfaktoren bestehen für die Märkte?
Kurzfristig bestehen die grössten Risiken in der Diskussion über die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA. Mittelfristig ist die entstandene Instabilität im Nahen Osten natürlich ebenfalls ein belastender Faktor. Dieser könnte durchaus starke Auswirkungen auf die Ölpreise haben.
Turbulent geht es in den Schwellenländern zu. Warum ziehen sich Anleger zurück?
Zuerst zu den Obligationen, die sind in den letzten zwei Jahren richtiggehend heiss gelaufen. Die Renditen sind gemessen an den Risiken auf unrealistisch tiefe Werte gefallen. Jetzt sind aber die Zinsen in Amerika gestiegen, was zu einem starken Ausverkauf der Obligationen geführt hat. Dadurch kam es parallel zu einer markanten Abwertung der Lokalwährungen der Schwellenländer.
Hat das auch die Aktien belastet?
Durchaus. Denn diese Entwicklungen brachten markante Kursverluste bei Obligationen mit sich. Die Anleger haben darum ihre Investitionen aus Schwellenländerfonds zurückgezogen. Im Zuge dieser Mittelabflüsse sind auch die Aktienmärkte unter Druck gekommen.
Sollten Aktien und Anleihen aus Schwellenländern weiterhin gemieden werden?
Nach der scharfen Korrektur an den Obligationenmärkten denke ich das nicht. Einerseits sind die Renditen der Obligationen in Lokalwährungen im Durchschnitt um zwei Prozentpunkte gestiegen, anderseits haben die Währungen einen starken Einbruch erlebt. Nun können Anleger, die bislang noch nicht in Schwellenländer-Obligationen investiert sind, an einen Einstieg denken. Zu diesem Zweck sollte breit diversifizierte Fonds in Lokalwährungen der Vorzug gegeben werden.
Wie sieht es im Aktienengagement aus?
Die Aktienmärkte sind mittlerweile eher wieder günstig bewertet. Aktuell befinden wir uns allerdings noch in einem Abwärtstrend, sodass man hier noch zuwarten könnte. Bei einem weiteren Rückschlag würde ich die Quote aber aufstocken. Aktien haben 2013 klar die Nase vorn. Nun ist aber die Zinswende eingeläutet.
Was bedeutet das für die Anleger im Detail?
Bei Obligationen ist es wegen der steigenden Zinsen zu Kursverlusten gekommen, sodass die Gesamtrenditen auf den Obligationenmärkten für das laufende Jahr leicht negativ sind. Wir glauben, dass der weltweite Zinsanstieg unterbrochen, aber nicht abgeschlossen ist. Das bedeutet also weiterhin Vorsicht insbesondere bei lang laufenden Staatsobligationen.
Immer häufiger ist von einer grossen Rotation die Rede. Was ist das genau?
Die grosse Rotation bedeutet, dass Gelder ganz massiv aus Obligationenprodukten abgezogen werden und anschliessend in die Aktienmärkte fliessen sollen. Wir haben bislang Anzeichen dafür, dass die Zuflüsse in die Aktienprodukte kurzfristig ansteigen. Das geht aber im Moment nicht zur Lasten der Obligationen, sondern primär der Liquidität der Anleger.
Rechnen Sie in Zukunft damit?
Ja, die Umschichtungen dürften sich fortsetzen. Dies allerdings vor allem, weil Aktien immer noch die attraktivste Anlagekategorie sind. Damit die Rotation weiter anhält, müssen allerdings die erwähnten Unsicherheitsfaktoren in den USA verschwinden. Renditestärker sind die Unternehmensanleihen.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten, warum?
Weil ein weiterer Zinsanstieg auch die Performance dieser Anlagekategorie belasten würde. Allerdings sind Unternehmensanleihen den Staatsobligationen noch immer vorzuziehen. Bei tendenziell weiter steigenden Zinsen ist verstärkt auf eine gute Bilanzqualität zu achten.
Peter Bänziger ist Chief Investment Officer von Swisscanto