Fleischlose Renditen

Der Trend zur umweltfreundlichen Ernährung scheint unumkehrbar, die Zahl der Veganer und Vegetarier steigt stetig. Die Abkehr von Fleisch weckt den Appetit der Anleger – doch dabei gibt es einige Haken.

Text: Christian Euler

Beim festlichen Dinner anlässlich der diesjährigen Oscar-Verleihung feierte Starkoch Wolfgang Puck, der die Awards seit 26 Jahren bekocht, eine Premiere: Rein pflanzliche Gerichte spielten die Hauptrolle. Fleisch, Fisch und Milchprodukte wurden zu Statisten degradiert. Der gebürtige Österreicher traf den Nerv der Zeit, denn sich vegan oder vegetarisch zu ernähren, ist längst kein Nischenphänomen mehr. Laut Swissveg, dem Verein für Veganer und Vegetarier in der Schweiz, bezeichnen sich elf Prozent der Schweizer als Vegetarier, rund drei Prozent leben gar vegan. Dazu kommen 17 Prozent sogenannte Flexitarier, die nur von Zeit zu Zeit Fleisch konsumieren.

Das britische Finanzinstitut Barclays prognostiziert, dass Ersatzprodukte dem Fleischmarkt zehn Prozent des Umsatzes abspenstig machen. Dies, weil sich der Umsatz von zuletzt 14 Milliarden auf 140 Milliarden Dollar erhöhen soll. Angesichts solcher Perspektiven verwundert es nicht, dass Anleger hellhörig werden – wie auch immer sie sich selbst ernähren.

Die Crux: Aufgrund fehlender Anlagemöglichkeiten ist das Thema derzeit nur unzureichend investierbar. Es gibt nur ein börsenkotiertes Unternehmen, das sich ausschliesslich auf vegane Nahrungsmittel spezialisiert hat: Beyond Meat. Die veganen Burger-Patties aus Erbsenprotein geniessen weltweit Kultstatus – doch Anleger, die in Beyond Meat investieren, brauchen vor allem gute Nerven. Nach dem Börsenstart im vergangenen Mai verzehnfachte sich der Aktienkurs, um kurz danach 70 Prozent abzustürzen. Seit Beginn dieses Jahres ging es wieder gut 50 Prozent nach oben, da Experten eine Ausweitung der strategischen Partnerschaft mit McDonald’s erwarten.

Veggie-Burger als Klimakiller

Die Volatilität ist derart hoch, dass sie einen weiteren Makel fast kaschiert: Die Alternativ-Burger sind tatsächlich besser fürs Klima als eine Fleischbulette. Doch um genügend pflanzliche Proteine für künftig neun bis zehn Milliarden Menschen anzubauen, wird das weltweite Ackerlandland nicht reichen. «Man müsste heutiges Weideland in Ackerland umwandeln, um pflanzliche Proteine herzustellen – doch das ist für das Klima etwas vom Schlimmsten überhaupt», gibt der Schweizer Agrarwissenschaftler Urs Niggli zu bedenken. «Es gibt kaum einen anderen Prozess, bei dem so viel CO2 freigesetzt wird wie bei der Umwandlung von Weide- in Ackerland». Die Lösung aller Probleme sei der Veganismus nicht, so der Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau: «So paradox es klingen mag, aber wir werden – zumindest vorläufig – nicht auf tierische Proteine verzichten können, wenn wir das Klima wirklich retten wollen.»

Finanzmarktexperten sind dennoch vom überdurchschnittlichen Potenzial des Veggie-Trends  überzeugt. «Die anfängliche Euphorie für die Beyond-Meat-Aktie mag vorbei sein, aber der grosse Appetit des Marktes auf einen solchen Titel, kombiniert mit der stabilen Performance der Nahrungsmittelmultis, die sich auf ernährungsorientierte Produktportfolios verlagern, scheint zu bestätigen, dass darin die Zukunft der Lebensmittelindustrie liegt», ist Gillian Diesen von Pictet Asset Management überzeugt. Blicke man auf die langfristigen Trends, seien pflanzliche und andere Alternativen über das gesamte Nahrungsspektrum hinweg keine Modeerscheinung mehr. «Vielmehr werden sie mit Wachstumsraten, die kurzfristig um ein Vielfaches höher sind als bei traditionellen Kategorien, ein Dauerthema bleiben», glaubt Gillian Diesen. Mit Blick auf das Potenzial für zukünftige Investitionsmöglichkeiten in börsenkotierten Aktien zeigt sie sich optimistisch.

Der Konkurrent von Beyond-Meat, Impossible Foods, ist einer der Kandidaten, der ebenfalls über den Gang an die Börse nachdenkt. Gegründet von Stanford-Biochemieprofessor Patrick O. Brown vertreibt die Firma seit Juli 2016 ihre Fleischersatzprodukte. Impossible Foods verfügt über zahlreiche Grossinvestoren, darunter Google und Bill Gates. Seit Frühjahr 2019 beliefert man Burger King in den USA mit dem «Impossible Burger».

Erster «veganer» ETF

Anleger, die nicht auf dieses IPO warten wollen und Beyond Meat angesichts der aktuell hohen Bewertung meiden, müssen sich mit Investments in bekannte Lebensmittelriesen begnügen. Der Schweizer Lebensmittelmulti Nestlé etwa verfügt über diverse Subunternehmen, die auf den vegetarischen und veganen Markt zielen. So gehören der Ableger Garden Gourmet mit seinem fleischlosen «Incredible Burger» und auch der von Sweet Earth produzierte «Awesome Burger» zur Nestlé-Familie. Seit Herbst sind die Burger auch in der Schweiz erhältlich, Angaben zum Absatz veröffentlicht der Gigant aus Vevey jedoch nicht.

Tyson Foods wiederum, der grösste Fleischerzeuger der USA, startete seinen Angriff auf Beyond Meat mit der im vergangenen Jahr lancierten Marke «Raised and Rooted», die unter anderem pflanzliche Chicken Nuggets im Angebot hat. Seit letztem September wird mit dem US Vegan Climate ETF der erste «vegane ETF» an der New Yorker Börse gehandelt. Er basiert auf dem Solactive US Large Cap Index mit den 500 grössten amerikanischen Unternehmen, schliesst aber alle Unternehmen aus, deren Aktivitäten mit einem veganen und klimabewussten Anlageansatz unvereinbar sind. Die ausgeschlossenen Aktien werden durch Alternativen aus dem Midcap-Segment ersetzt, die den ethischen Kriterien des Fonds gerecht werden.

Anlagepools wie der Sustainable Food von RobecoSAM oder der Pictet Nutrition beschäftigen sich ebenfalls mit dem Thema Nahrungsmittel, wenn auch auf deutlich breiterer Basis. Aber auch bei den Portfoliomanagern ist das Thema fleischloses Fleisch angekommen.


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