Eigentümergeführte Firmen erzielen auf lange Frist häufig stabilere Renditen als managergeführte Unternehmen. Denn oftmals denken Entrepreneure langfristig, setzen sich früh mit künftigen Trends auseinander und meistern Krisen deshalb auch oft besser.
Text: Pascal HügliSie gelten als menschgewordenes Unternehmertum schlechthin: Steve Jobs oder Elon Musk. Doch abgesehen von diesen Lichtgestalten dürften die meisten Unternehmer in ihrer Funktion unterschätzt werden. Dabei gibt es nicht wenige dieser stillen Schaffer, die für unseren heutigen Wohl- und Lebensstandard unentbehrlich sind. Mit ihrem Engagement schaffen sie neue Arbeitsplätze, durch ihre Initiative und ihren Mut wollen sie eine bessere Zukunft hervorbringen.
Not macht erfinderisch
Doch was macht einen guten Unternehmer überhaupt aus? «An der Universität kann man Unternehmertum nicht lernen», sagt Birgitte Olsen, Portfoliomanagerin bei Bellevue Asset Management. «Erstaunlich viele Unternehmer sind aus der Not geboren, viele hatten schlicht keinen Job», weiss Olsen. Neben dieser Kategorie gäbe es aber auch jene der «Erfinder und Visionäre» sowie jene der «Erben und Nachunternehmer», so die Fondsmanagerin.
Ob Arbeitsloser, Erfinder oder Erbe: Ein jeder guter Unternehmer sei letztlich ein Überzeugungstäter, meint Olsen. Aufgrund der starken Überzeugungen habe dieser Typ Mensch viel Ausdauer, eine hohe Frustrationstoleranz und einen langfristigen Horizont, ist die Vermögensverwalterin überzeugt. Als Portfoliomanagerin von vier unterschiedlichen Fonds, die in europäische und Schweizer Familienunternehmen investieren, kennt sie ihre Klientel genaustens.
«Ob Arbeitsloser, Erfinder oder Erbe: Jeder gute Unternehmer ist letztlich ein Überzeugungstäter durch und durch.»
Die positiven Eigenschaften könnten aber auch in negative übergehen. So seien einige Unternehmer zum Teil kaum beratbar. Gerade in Zeiten eines Paradigmenwechsels könne sich ein Unternehmen hoffnungslos verrennen, da die dahinterstehenden Köpfe den Wandel nicht mitmachen wollen und jegliche Veränderung kategorisch ablehnen, so die Portfoliomanagerin.
Die Ideen eines Unternehmers verwirklichen sich zudem nicht alle in einem vorhersehbaren Tempo. Im Idealfall kauft Olsen mit ihren Fonds Anteile an einem Familienunternehmen günstig, um diese nach drei bis vier Jahren zum dreifachen Preis wieder zu verkaufen. Beispielsweise der spanische Poolbauer Fluidra, dessen Geschäft mit der Finanzkrise einbrach. Bei einer Marktkapitalisierung von 360 Millionen Euro stiege ein. Fluidra richtete sich danach internationaler aus und erschloss neue Märkte – heute ist das Unternehmen an der Börse 2,3 Milliarden Euro wert. Hier ist die Strategie aufgegangen. Es gäbe aber gegenteilige Fälle, bei denen man mit Verlust verkaufen müsse. Das ist das Los eines jeden Vermögensverwalters, versichert Olsen.
Die Vorzüge von Familienunternehmen
Unabhängigkeit und Beständigkeit seien letztlich jene Eigenschaften, die eigentümergeführte Unternehmen aus- und damit stark machen. Sie finanzierten sich über den eigenen Cash-Flow, führten solide Bilanzen und hätten eine Abneigung gegenüber zu grosser Fremdverschuldung, weshalb kaum Abhängigkeiten vom Kreditzyklus und den Banken bestehen, so Olsen.
Das macht Familienunternehmen auch für Anleger interessant. Aufgrund der guten Kapitaldecke kann ihnen eine Krise weniger anhaben. Ein möglicher Nachteil: Bei kleinkapitalisierten Werten kann die Handelbarkeit vorübergehend eingeschränkt sein.
Mit diesen eher konservativen Merkmalen unterscheiden sich diese Familienunternehmen die Fondsmanagerin Olsen vor Augen hat, vom typischen Start-up des Fintech-Zeitalters. So gibt es Jungunternehmen, die auch Jahre nach ihrer Gründung noch immer Investorenkapital verbrauchen. Für Olsen tritt dieser Kontrast insbesondere zwischen Amerikanern und Europäern zutage.
«Ein Unterschied zum Silicon Valley: Deutsche oder westeuropäische Unternehmer sind besessen davon, profitabel zu sein.»
Sie sieht darin einen gewichtigen Mentalitätsunterschied: «Deutsche oder westeuropäische Unternehmer sind geradezu besessen davon, nachhaltig profitabel zu wachsen. Es liegt gar nicht in deren Naturell, ohne Rücksicht auf Verluste Marktanteile und Kunden zu gewinnen.» Wird man in eine deutsche Familie geboren, die bereits über ein Familienunternehmen verfügt, vermittle einem das schon sehr früh ein Verantwortungsgefühl. Man lerne, was es heisst, für Hunderte von Mitarbeitern verantwortlich zu sein.
Im Wettbewerb mit amerikanischen Tech- Entrepreneuren kann eine solche Haltung zum Problem werden, das sieht auch Olsen. Hierzulande ist Scheitern nun einmal keine Option, während Amerikaner vielmehr nach der Devise Leben: «Failure is not an issue – just reinvent yourself». Man erfindet sich nach einer Pleite einfach neu.
Immer wieder hört man, gerade in der Schweiz, den Wunsch nach dieser amerikanischen Kultur des Scheiterns. Für Fondsmanagerin Olsen haben beide Wege ihre Vor- und Nachteile: «Die amerikanische Haltung kann auch einen Schlendrian, Verantwortungslosigkeit sowie die Problematik des moralischen Wagemuts fördern. Vor allem dann, wenn die Scheiternden die Verluste kaum selber zu tragen haben.»
Generationen- statt Quartalsdenken
Insbesondere Anreizsysteme aus den 1980er-und 1990er-Jahren wie Aktienoptionspläne hätten dazu geführt, dass die Halbwertzeit eines CEO – auch in Europa – viel kürzer geworden sei. Laut Olsen werden dadurch strategische Kurzfristigkeit gefördert. Fehle ein Langzeitdenken, komme es immer wieder zu Restrukturierungen, die sich negativ auf Mitarbeiter auswirken. Angesichts der gestiegenen Ungewissheit klammern sich diese an ihren Stuhl.
«Familienunternehmen kennen derartige Anreizstrukturen kaum. Da gibt es teils nicht einmal einen Bonus», argumentiert Olsen. Ohne romantisieren zu wollen: Ihrem Empfinden nach ist die Langfristigkeit bei eigentümergeführten Unternehmen eher gegeben. Gemäss empirischen Untersuchungen ist der heikelste Generationenwechsel von der ersten zur zweiten statt – vom Gründer, Supervisionär, Alleskönner zum Nachfolger. Sei dieser Schritt erfolgreich überwunden, zeigten viele Familienunternehmen eine beeindruckende Kontinuität, betont die gebürtige Norwegerin. Deshalb sei auch die Identifikation des einzelnen Mitarbeiters mit dem Unternehmen grösser.
Softfaktoren sind wichtiger als Desk-Research
Dieser Grad an Identifikation seitens der Mitarbeiter spielt auch in Olsens Recherchearbeit für die einzelnen Bellevue-Fonds eine wichtige Rolle. Neben den zahlreichen Fundamentalwerten stellt er den wohl entscheidendsten Softfaktor zur Bewertung eines Familienunternehmens dar.
Die Fondsmanagerin und ihr Team machen sich vor allem vor Ort ein Bild des Unternehmens. Dabei achten sie auf viele kleine Mosaiksteine, die zusammen ein Gesamtbild ergeben. Sind die Unternehmer wirklich so kostenbewusst? Der Parkplatz verrate bereits einiges, so Olsen. Sieht das Unternehmensgebäude wie ein Mausoleum aus, wisse man, dass hier vermutlich Geld für Unnützes ausgegeben würde. Aus Gesprächen mit den Mitarbeitern, Assistentinnen an der Rezeption oder den Verantwortlichen einzelner Managementstufen liessen sich zudem Arbeitsklima und -philosophie eines Unternehmens gut heraushören, hebt die Portfoliomanagerin hervor.
«Im Gegensastz zur Kundenschnittstelle steckt die Digitalisierung bei der Produktion noch klar in den Kinderschuhen.»
Doch welchen Stellenwert hat die Digitalisierung in der Analyse der Unternehmen – immerhin hat sie das Potenzial, ganze Wertschöpfungsketten umzukrempeln? «Der Einsatz von neuen Technologien ist für uns sehr wichtig», sagt Olsen. In der Regel werde sie von den Entrepreneuren nicht enttäuscht. Obschon Familienunternehmen gewöhnlich konservativ wirtschaften würden, stünden sie der Digitalisierung keineswegs ablehnend gegenüber. Eher das Gegenteil sei der Fall, versichert die Portfoliomanagerin.
Viele Familienunternehmen würden ihren Cashflow seit einiger Zeit in digitale Innovation reinvestieren. Im Gegensatz zur Konsumentenschnittstelle stecke die Digitalisierung bei der Produktion noch in den Kinderschuhen. Hier sehen sich Familienunternehmer als Treiber. Mittels digitaler Einrichtung liesse sich die Produktion steigern, Maschinen aus der Ferne warten und proaktiver Kundenservice anbieten, glaubt die Portfoliomanagerin.