Gold gilt gemeinhin als sicherer Hafen. Das Edelmetall dient häufig der Kaufkraftsicherung in turbulenten Zeiten dient. Angesichts einer deutlich beschleunigten Inflation und der geopolitischen Situation ist für viele Marktteilnehmer die diesjährige Kursentwicklung des Goldes enttäuschend. Wie weiter mit dem Gold?
Für Gold-Anleger war das zweite Quartal 2022 das schwächste Vierteljahr seit 1,5 Jahren. Zwar hatte Gold – im Vergleich zu vielen anderen Anlageklassen – im ersten Halbjahr kaum hohe Kurseinbussen zu verzeichnen, doch angesichts der turbulenten Zeit hatten so manche Experten eine bessere Kursentwicklung erwartet.
Anders als alle anderen Anlageklassen, die in den vergangenen sechs Monaten mitunter kräftig Federn lassen mussten, notiert Gold heute ziemlich genau auf dem Niveau um den jüngsten Jahreswechsel. Somit konnte das gelbe Metall seinem Ruf als Krisenanlage – aktuell – gerecht werden. Der Goldpreis ist nicht eingebrochen und das Edelmetall hat sich als wertstabil erwiesen
Performance ausgewählter Anlagen (YtD)
Ernüchternder Ausblick
Die steigenden Zinsen in den Vereinigten Staaten haben den Dollar in den vergangenen Monaten stark beflügelt. Und die Aussichten auf eine Goldpreissteigerung scheint nicht vorhanden zu sein, schreiben die Experten des World Gold Council in ihrem aktuellen Gold-Ausblick. Die Experten gehen davon aus, dass weitere Zinserhöhungen und ein starker US-Dollar den Goldpreis weiter unter Druck setzen werden. Eine allfällige Konjunkturabschwächung könnte sich zusätzlich negativ auf die Gold-Nachfrage auswirken, das gelte insbesondere für China, deren Wirtschaft weiterhin unter einer strikten Corona-Politik leide.
Vor diesem Hintergrund kann der Goldpreis für Anleger unattraktiver werden und die Rolle von Gold als Krisenwährung und Inflationsschutz rückt in den Hintergrund. Grund: Es steigen für Anleger Opportunitätskosten. Denn die weltweit steigenden Zinsen stellen sich als Problem für den Goldpreis da, da das Edelmetall keine laufenden Erträge abwirft und damit unattraktiv wird.
Trotz des Images als sicherer Hafen ziehen Anleger ihr Geld aus Gold-Anlagen ab. Ein gutes Barometer dazu sind die Volumenentwicklungen der weltweiten Gold-ETF.
Gold-ETF haben Abflüsse
Auf Halbjahres-Basis konnten die Gold-ETF im ersten Quartal von hohen Zuflüssen profitieren. Die Bestände stiegen um 273 Tonnen. Das ist der höchste Stand an Zuflüssen seit dem dritten Quartal 2020. Angetrieben wurde die Nachfrage durch die steigenden Inflationserwartungen und insbesondere die unerwarteten geopolitischen Ereignisse.
Doch seit dem der Goldpreis sich wieder auf dem Rückzug befindet, zogen im gleichen Zuge Anleger Geld aus den Gold-ETF ab. Im Juni verzeichneten die globalen Gold-ETF Abflüsse in Höhe von 28 Tonnen (1,7 Mrd. USD) und im Mai wurden bereits 53 Tonnen (3,1 Mrd. USD) aus diesen Fonds abgezogen.
Zu- & Abflüsse Gold-ETF (Tonnen)
Gold versus Bitcoin
Einen Vergleich mit dem Bitcoin braucht die altbewährte Krisenwährung nicht zu scheuen, schliesslich hat der Bitcoin im ersten Halbjahr 2022 fast 60 Prozent an Wert verloren und somit gegenüber Gold stark underperformt. Das Kursverhalten der vergangenen Monaten zeigt aber, dass das Narrativ des Bitcoins als sicherer Hafen eher eine Mär ist.
Eine Krisenanlage sollte den Anlegern Stabilität bieten – und das tut der Bitcoin - zumindest derzeit - nicht. Doch der Bitcoin blickt auf eine junge Geschichte zurück, erst in den letzten Jahren wurde er für die Finanzmärkte wirklich relevant. Bislang hat die Mutter aller Kryptowährungen keine Erfahrung mit geopolitischen Krisen gemacht. Bitcoin ist noch früh in seiner Reifekurve, um fest in die Kategorie ‚digitales Gold‘ eingestuft zu werden. Um mit Gold als Wertaufbewahrungsmittel konkurrieren zu können, bräuchte wohl Bitcoin eine breitere Akzeptanz, ähnlich wie es beim Gold bereits vorhanden ist.
Gold und Inflation
Doch auch beim Gold ist der Inflationsschutz zu Hinterfragen. Damit ein Investment als Inflationsschutz angesehen werden kann, sollte sein Wert immer dann auch ansteigen, wenn die Inflation, also die Verbraucherpreise, anziehen. Das ist derzeit jedoch beim Gold nicht der Fall. Und bekanntermassen ist der beste Schutz gegen Inflation Cashflow - und Gold hat keinen Cashflow. Gold zahlt keine Dividenden und keine Zinsen.
Eine interessante Analyse zum Inflationsschutz hat kürzlich Morningstar präsentiert. Gemäss dieser Studie wiesen der Goldpreis und die Inflation in den vergangenen 50 Jahren lediglich eine Korrelation von 0,16 auf. Die Morningstar-Experten halten in der Studie fest, dass Gold in der Vergangenheit keine perfekte Absicherung sei. Denn das Edelmetall hat in Zeiten mit hoher Inflation teils deutlich an Wert verloren.
In dieser Morningstar Analyse wurden drei Zeiträume aus den letzten 50 Jahren betrachtet, in denen die Inflation in den USA besonders hoch lag. Die erste Phase betrachtete die Jahre 1973 bis 1979. In dieser Zeit lag die jährliche US-Inflation im Schnitt bei 8,8 Prozent. In dieser Zeitphase wurde Gold seinem Ruf als Inflationsschutz nicht gerecht. Gold lieferte in dieser Periode insgesamt nur eine Kurssteigerung von 35 Prozent. Die zweite Phase, in den Jahren 1980 bis 1984, lag die jährliche US-Inflation bei 6,5 Prozent. Und in diesem Zeitabschnitt verloren Goldanleger im Schnitt zehn Prozent. Ähnliches konnte auch von 1988 bis 1991 beobachtet werden: Während die Inflationsrate durchschnittlich bei 4,6 Prozent lag, verlor Gold in diesem Zeitraum rund 7,6 Prozent an Wert.
Ein Wermutstropfen für Gold-Anleger gibt es: Wenn man sich sehr lange Zeiträume anschaut, dann kann Gold seinen Wert gegen Inflation behaupten. Denn der Goldpreis legte in den letzten 30 Jahren 411 Prozent zu.