Honorarbasierte Modelle treten in Vordergrund

Die europäische ETF-Industrie feiert ihren 15. Geburtstag. Mit Sven Württemberger von iShares blickt 10×10 zurück und voraus und zeigt die wichtigsten Entwicklungen der Branche auf.

Text: Barbara Kalhammer

Die europäische ETF-Industrie feiert ihren 15. Geburtstag. Während die Produkte bei Privatanlegern in den USA sehr beliebt sind, wächst das Segment hierzulande nur langsam. Warum?

Im Schweizer Produktzyklus besteht noch Entwicklungspotenzial. ETF sind weiterhin stark von Institutionellen getrieben, der Markt ist dominiert von Versicherungen, Vermögensverwaltern und grossen Banken. Der Grossteil der Vermögen liegt bei den Banken. Der klassische Schweizer Privatkundenmarkt hingegen ist relativ klein und hatte einen anderen Schwerpunkt. Doch langsam wächst das Interesse. Die Kosten rücken stärker in den Fokus, zudem verlangen Kunden mehr Transparenz.

Wie sieht es bei Vermögensverwaltern aus? Ist es einfacher geworden, ihnen ETF näher zu bringen?

Es wird immer leichter, weil sich das Ertragsmodell grundlegend verändert. So treten zum Beispiel honorarbasierte Modelle zunehmend in den Vordergrund. Man wird so über seine Beratungsleistung entlohnt und die Vermögensverwaltung bekommt einen noch zentraleren Stellenwert. Das kann zu einer differenzierteren Auswahl führen.

Werden dann keine aktiven Fonds mehr verkauft?

Doch, aber es wird wahrscheinlich einen noch stärkeren Fokus auf Fonds geben, die wirklich Alpha generieren.

Vier von fünf Fonds schaffen es nicht, den Markt zu schlagen. Wie sieht Ihre Prognose für 2020 aus? Kommt eine Bereinigung?

Das ist wie mit den meisten Dingen im Leben: Was gut funktioniert, bleibt, der Rest wird auf lange Sicht verschwinden. Es gibt viele gute Fonds, aber ein gewisser Teil schafft es eben nicht, Alpha zu generieren. Beim S&P 500 waren dies im vergangenen Jahr 85 Prozent. Wir werden künftig weniger zwischen aktiv und passiv unterscheiden und stattdessen in einer Asset-Allokationsperspektive denken, das heisst: Für welchen Markt welches Instrument das Beste ist. Dann verkauft man dem Anleger die gesamte Asset Allokation. Bis 2020 könnte die Industrie sich fundamental verändern.

Welche Fehler machen Anleger beim Einsatz von ETF?

Wir als Industrie müssen aufpassen, dass wir das Produkt nicht zu komplex machen. Der Anleger muss sich im Klaren darüber sein, was er kauft. So muss er sich der Struktur des Modells bewusst sein. Bei vielen Investoren ist sicherlich noch Aufklärungsarbeit bezüglich Handel und Liquidität nötig. Jeder weiss, wie die Produkte funktionieren, aber wie werden ETF tatsächlich gehandelt? Wo gibt es die beste Liquidität? Welche Handelszeiten sind am geeignetsten und welcher Handelspartner ist der günstigste? Hier können wir Investoren bei der optimalen Auswahl unterstützen.

Im vergangenen Jahr wurden die ETF-Kosten stark gesenkt. Ist der Prozess abgeschlossen?

Ich verstehe gut, dass die Kosten wichtig sind. Wir haben 2014 allerdings nicht nur die Kosten gesenkt, sondern auch unsere Produkte segmentiert. So gibt es zum Beispiel Produkte, die in den Managementgebühren etwas höher sind, aber dafür einen tiefen Spread haben. Für langfristig orientierte Anleger hingegen ist eine tiefe Manage-mentgebühr entscheidend, da die Handelskosten, die selten anfallen, eher nachrangig sind. Dieser Trend ist sicherlich nicht vorbei. Wir haben ein sehr kompetitives Umfeld und müssen uns erst finden. Hier stellt sich auch die Frage, welches Preislevel für ETF richtig ist.

Auf Produktebene ist Smart Beta, oder besser Advanced Beta, ein grosses Thema. Sind wir Zeuge eines Hypes?

Das mag sein, aber das Produktkonzept dahinter ist absolut zukunftsträchtig. In den USA sind bereits 20 Prozent der ETF Smart-Beta-Produkte. In Europa stecken wir noch in den Kinderschuhen, es braucht seine Zeit, bis sich ein neues Konzept etabliert. Wir sehen aber im aktuellen volatilen Umfeld, dass Lösungen zur Reduktion der Volatilität stark nachgefragt werden. Auf der Suche nach Ertrag erfreuen sich aber auch Dividendenstrategien eines anhaltend hohen Interesses.

Ob die Produkte halten, was sie versprechen, konnten sie noch nicht zeigen. Es gab noch keinen wirklich Stresstest.

Auf Sicht der vergangenen zehn Jahre haben die Produkte risikoadjustiert sicher eine gute Performance gezeigt. Es gibt aber Zeitfenster, in denen die Produkte eine gute Entwicklung erzielten und einige, in denen dies nicht der Fall war.

Wie sollen Anleger den besten Zeitpunkt finden, wenn selbst Profis es nicht schaffen?

Anleger, die nicht in einzelne Produktbausteine investieren möchten, können auch sogenannte Multi-Faktor-Modelle erwerben. Das heisst, dass gleichgewichtet in verschiedene Faktoren wie beispielsweise tiefe Volatilität investiert wird. Dadurch kann das Momentum-Problem reduziert werden. In den USA hat sich dies sehr erfolgreich etabliert, nun werden wir solche Lösungen auch sukzessive nach Europa und in die Schweiz bringen. Hierzulande ist sogar eine Lösung für den heimischen Markt vorgesehen.

Es gibt zahlreiche Produktarten im Smart-Beta-Bereich. Besteht das Risiko, immer komplexer zu werden und die Fehler der Struki-Branche zu wiederholen?

Ziel der Branche ist es, mit einfachen und transparenten Produkten zu überzeugen, die nur einen einzigen Markt abbilden. Nun gehen wir mit dem Smart-Beta-Bereich einen Schritt weiter. Das ist eine normale Produktevolution. Es ist aber durchaus wichtig, die Strukturen im Blick zu behalten, damit sie nicht zu komplex werden. Wenn der Kunde das Produkt nicht mehr versteht, dann hat der ETF sein Ziel verfehlt.

Woran fehlt es aus Kundensicht?

In erster Linie an währungsgesicherten Produkten. Hier besteht sowohl auf der Aktien- wie auch auf der Obligationenseite noch Bedarf. Aber auch neue Konzepte wie beispielsweise Multi-Asset-ETF fehlen. Dieser Bereich wird bislang kaum abgedeckt. Und im Smart-Beta-Bereich ist ebenfalls noch vieles möglich.

Welche Problematik ist für Kunden aktuell vor allem wichtig?

Das negative Zinsumfeld ist das Hauptproblem. Die Cash-Bestände sind hoch, sie schwanken zwischen 10 und 30 Prozent. Dementsprechend sind vor allem Lösungen gesucht, die als Cash-äquivalent – also Anlagevehikel, die über Cash-ähnliche Liquidität und Sicherheit verfügen, aber eben nicht Cash – oder «Cash-enhanced» eingesetzt werden können.

Wie sehen diese aus?

Bond-ETF können zum Beispiel eine Alternative zu Cash darstellen. Eine Möglichkeit dafür sind amerikanische Unternehmensanleihen mit Duration 0 bis 1 Jahr, die sicherlich im gegenwärtigen Umfeld ein interessantes Risiko-/Rendite-Profil aufweisen. Ein Muss für Investoren ist bei diesen Produkten auch die Währungsabsicherung zum Franken. Doch aktuell sind die Hedging-Kosten dafür noch relativ hoch.

Sven Württemberger ist Leiter Vertrieb für die deutschsprachige Schweiz bei iShares
sentifi.com

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