Hürden bei der ETF-Selektion

Der Markt für ETF entwickelt sich mit Riesenschritten. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, welche Themen dabei auf der Strecke bleiben. Besonders weit oben auf der Prioritätenliste der Anleger stehen Gegenparteirisiken, Transaktionskosten und Transparenz.

Text: Barbara Kalhammer

Die Analystenhäuser überschlagen sich mit hohen Wachstumsprognosen für den ETF-Markt. Aktuell sind 1,45 Billionen Dol­lar in ETF investiert. Debbie Fuhr, die ehe­malige BlackRock-Expertin, stellte zum Jah­reswechsel verwaltete Vermögen (Assets under Management) in Höhe von zwei Bil­lionen Dollar bis Ende 2012 in Aussicht. Die Analysten des Vermögensverwalters BNY Mellon rechnen damit, dass sich der US-Markt bis 2015 auf zwei Billionen Dollar verdoppeln wird.

Das anhaltende Wachstum schaffe Raum für weitere Anbieter und Produkte. Die neuen Emittenten müssten sich aber durch ihre Angebote von den bestehenden Gesellschaften und von Anbietern aktiv gemanagter Fonds abgrenzen. Gemäss BNY Mellon seien dafür vor allem ETF geeignet, deren Zusammensetzung nicht nur auf der Marktkapitalisierung beruht, sowie aktiv gemanagte ETF, Short- und Leverage-ETF und Produkte auf Rohstoffe und Hedgefonds.

Gute Aussichten also für die Branche. Aber wodurch werden diese enormen Wachstumschancen überhaupt ermöglicht? Und vor allem: Wie werten Anleger die aktuellen Entwicklungen am ETF-Markt. Die Antworten liefert eine aktuelle Studie von Hans-Jörg Morath zum europäischen ETF-Markt.

Durchgeführt wurde die Marktstudie im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Universität Zürich zur Ermittlung der Anlegerinteressen bei ETF im kontinentaleuropäischen Raum.  Insgesamt wurden die Antworten von 300 Personen, davon 22 Prozent Privatanleger und 78 Prozent institutionelle Investoren, ausgewertet.

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Vor- und Nachteile von ETF

Anbieter haben in der Vergangenheit ETF gerne mit «Einfach, Transparent, Flexibel» übersetzt. Aber sind dies auch die wichtigsten Vorteile für Anleger? Als den grössten Pluspunkt von ETF werten Private die tiefen Gebühren. Für institutionelle Anleger hat hingegen die fortlaufende Preisfestlegung sowie die hohe Liquidität das grösste Gewicht.

Unter den individuellen Vorteilen stechen neben den Kosten auch die Liquidität, die 1:1-Partizipation, die schnelle Umsetzung von Anlageentscheiden und die Transparenz der Produkte hervor. Ein Teilnehmer fasste die positiven Eigenschaften folgendermassen zusammen: «ETF bieten mir auf eine einfache Art und Weise die Möglichkeit eine bestimmte Anlagekategorie (Aktien, Obligationen, Rohstoffe, Gold, etc.) mit einer Anlage abzudecken und zu diversifizieren.»

Doch eine Medaille hat bekanntlich immer zwei Seiten, und so wurden die Teilnehmer auch zu den Nachteilen der Produkte befragt.

Kritikpunkt Replikationsart

Als einen der negativsten Aspekte werteten die pri­vaten Befragten die Intransparenz der je­weiligen ETF-Methodik. In der Kritik steht insbesondere die synthetische Indexrepli­kation. Dabei nutzen die Anbieter Swap­geschäfte für die Indexabbildung. Im Ge­gensatz zu physisch replizierenden ETF sind swapbasierte ETF somit nicht in den Werten investiert, die den zugrundeliegen­den Index ausmachen.

Bei dieser Indexme­thode besteht ein Gegenparteirisiko. Dies wird vor allem von institutionellen Anle­gern als Nachteil gesehen. Aufgrund beste­hender europäischer Fondsrichtlinien ist jedoch der Wert aller Derivattransaktionen auf zehn Prozent des Fondsvermögens be­schränkt. Die Praxis zeigt, dass dieses Risi­ko zwischen zwei und sieben Prozent liegt. Ebenfalls als sehr negativ werteten profes­sionelle Investoren das Gegenparteirisiko bei der Wertschriftenleihe.

Bei der Wert­papierleihe wird dem Entleiher vom Ver­leiher ein Wertpapier für eine begrenzte Zeit und gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt (siehe 10×10-Ausgabe 05/2011). Unterstrichen werden die Gefahren bei der Frage nach den bevorzugten Replikati­onsmethoden. 38 Prozent der privaten zie­hen die volle Replikation der synthetischen vor, bei den Institutionellen sind es sogar rund 52 Prozent.

Als Grund für die Bevor­zugung der vollen Replikation wurden viel­fach Sicherheit, Transparenz und gerin­gere Gegenparteirisiken genannt. Für die synthetische Replikation spricht nach Sicht der Anleger der geringere Tracking Error, aber auch das grössere Anlageuniversum. Festhalten sollte man aber auch den Nut­zen dieser Abbildungsmethode, denn oh­ne Einsatz von Swaps wären viele Markt­segmente nicht oder nur in Verbindung mit hohen Kosten abbildbar.

Swap oder Wertpapierleihe

In der Folge wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie eher die Gegenparteirisiken aus Swaps oder aus Wertschriftenleihe bevorzugen. Über ein Drittel aller Befragten hatte diesbezüglich keine Präferenz. Jedoch bevorzugen 44,7 Prozent der Gesamtheit physische Repli­kation mit Wertschriftenleihe gegenüber synthetischer Replikation mit 17,7 Prozent.

Besonders deutlich ist das Urteil der Pro­fianleger. Für sie ist die Indexnachbildung mit Swaps ein rotes Tuch. Als problema­tisch werten daher sowohl Private als auch Professionelle die Nichtbekanntgabe der Gegenpar­tei – sowohl bei Swapreplikation als auch bei Wertschriftenleihe.

Diesen Kritikpunkt wollen ETF-Anbieter aus der Welt schaffen. Aus diesem Grund veröffentlichen bereits zahlreiche Häuser wie Credit Suisse, Deut­sche Bank, Lyxor und Commerzbank die ge­naue Indexzusammensetzung des Substitu­te Baskets.

Investmentstrategien und Indexwahl

Ebenfalls ein Thema der Befragung waren die Einsatzmöglichkeiten von ETF. Als be­sonders geeignet werten private Investo­ren ETF in der Asset Allocation. Instituti­onelle hingegen bringen ETF am stärksten mit einem Core-Satellite-Ansatz in Ver­bindung. Starke Unterschiede zeigen sich beim Intraday Trading. Hier sehen professi­onelle Investoren vielmehr Einsatzmöglich­keiten als die Privaten. Differenzen zeigen sich ebenfalls bei den bevorzugten Indexty­pen.

Während Privatanleger Gesamtmarkt­indizes am geeignetsten als Grundlage für ETF beurteilen, sind es bei Institutionel­len Branchen- und Regionenindizes. Auf den letzten Rängen finden sich hier Short Indizes und aktive Indizes. Insbesonders Strategie-ETF haben eine Berechigung. Für erfahrene Anleger mit einer klaren Markt­meinung können diese in der taktischen Allokation Mehrwerte generieren. Wo es noch Arbeit für die ETF-Anbieter gibt, wur­de bei der Frage «Was hält Sie persönlich davon ab, mehr ETF einzusetzen?» klar.

Anbieter müssen Hausaufgaben ma­chen

Bemängelt wurden bei einigen Pro­dukten hohe Handels- und Transaktions­kosten wie beispielsweise Courtagen. Zudem fordern einige Anleger mehr Trans­parenz und Lösungen zur Minimierung des Währungsrisikos. Den Anbietern wur­de unter anderem vorgeworfen, «zu sehr auf Aktienindizes fokussiert» zu sein. Mehrmals genannt wurden auch die Vorteile von aktiv gemanagten Fonds, die beispielsweise für Satelliten-Investments genutzt werden.

Damit wird von Kundenseite der Anstoss gegeben, sich auch in Richtung aktiver ETF und In­dexoptimierung weiterzuentwi­ckeln. Wie bereits erwähnt sehen Experten in diesem Bereich durchaus Wachstums­chancen. Aber auch auf der Verkaufssei­te besteht noch Potenzial, denn «mein Kundenberater empfiehlt mir selten ETF», erklärte ein Teilnehmer. Trotz aller Kri­tikpunkte erwarten 73,3 Prozent der Befrag­ten, dass ETF in den nächsten fünf Jahren an Bedeutung im Investmentprozess ge­winnen werden.

Die Anleger wissen die Vorteile von ETF zu schätzen. Damit scheinen die optimis­tischen Wachstumsprognosen nicht unre­alistisch. Dafür müssen aber auch die An­bieter ihre Hausaufgaben machen und sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Diese Umfrage zeigt einen weiteren Missstand auf. Bei einigen Teilnehmern, sprich Anle­gern, fehlt es oft noch an ausreichendem Wissen. Damit sind auch die Anleger gefor­dert, sich mit den Produktdetails auseinan­derzusetzen.


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