Indexanbieter auf alternativen Wegen

Fundamentale und gleichgewichtete Indizes versuchen, die Schwachstellen der traditionellen Benchmarks auszugleichen. Auch in der ETF-Welt halten die Produkte vermehrt Einzug. Für Anleger wird das Wissen über die Eigenheiten dieser Barometer immer wichtiger.

Text: Barbara Kalhammer

Die Lage an den Finanzmärkten ist weiterhin von Unsicherheiten geprägt. Die Zukunft der EU, die konjunkturellen Aussichten sowie Inflationsgefahren sind Themen, die die Anleger beschäftigen. Immer wichtiger werden daher Alternativen, die antizyklisch sind oder ein geringeres Risiko aufweisen. Diesem Anspruch tragen alternative Gewichtungsmethoden Rechnung.

Dass ETF einen Index abbilden, ist bekannt. Zu Beginn waren es vor allem grosse und etablierte Barometer wie der Dow Jones, der Eurostoxx 50, der DAX und der SMI. Mit der Zeit ist die Vielfalt gewachsen. Besonders wichtig ist bei den Indizes die Art und Weise der Berechnung. So werden bei einem preisgewichteten Index die einzelnen Kurse aufsummiert und durch die Anzahl der Indexmitglieder, nicht durch die einzelnen Aktien im Streubesitz, dividiert.

Bei dieser Methode werden Werte mit hohem Kurs stärker gewichtet als jene mit niedrigem Kurs. Bekannte Beispiele dafür sind der Nikkei 225 und der Dow Jones Industrial Average. Eine andere Möglichkeit ist die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. Dabei werden die Aktienkurse mit der Anzahl im Markt verfügbaren Titel (Free Float) multipliziert.

Es ist nachvollziehbar, dass Aktien eines grossen Unternehmens mit hohen Tagesumsätzen stärker gewichtet werden als Papiere eines kleinen Unternehmens mit geringer Kapitalisierung und Bedeutung für den Markt oder die Branche. Zu den kapitalisierungsgewichteten Indizes zählen der DAX und der S&P 500.

Der modernen Kapitalmarkttheorie zufolge ist ein Investment in einen marktgewichteten Index optimal, sofern die Aktienmärkte effizient sind und die Kurse den wahren Wert einer Aktie reflektieren. In der Praxis ist dies aber nicht der Fall, Über- und Untertreibungsphasen sind schon fast die Regel. Marktwertgewichtete Indizes sind stark abhängig von den Indexschwergewichten.

Anleger sind also in teure Titel investiert und bleiben in solchen Börsenphasen auf der Strecke. Die Indizes neigen damit auch zur Übertreibung, sogar zur Blasenbildung. Denn Unternehmen, die schnell wachsen und in der Hausse hohe Gewinne erzielen, haben das grösste Gewicht. Gemäss Sasa Perovic, Leiter Investmentfonds Analyse bei Scope, wird zudem vergangenes Wachstum stärker gewichtet. Die Indizes sind also prozyklisch.

Alternative Gewichtungen

Bereits in den 90-er Jahren wurden alternative statische Indexmethoden entwickelt. Die Bruttoinlandprodukt-gewichtete Indexierung beruht darauf, dass sich die Wirtschaftsmacht einer Nation im Indexgewicht widerspiegeln sollte. In der Folge ist die Bedeutung eines Landes im Index abhängig von der absoluten Höhe des BIP.

Eine andere Möglichkeit, um die Schwachstellen der Indexmethode zu reduzieren, sind gleichgewichtete Indizes. Ihr Vorteil ist, dass Aspekte der Verhaltensökonomie möglichst ausgeschaltet werden. Die Preise an den Märkten werden zum Teil stark vom emotionalen Anlegerverhalten getrieben. Dies hat Auswirkungen auf marktkapitalisierungsgewichtete Indizes.

Die gleichgewichtete Indexierung beruht hingegen auf einer arithmetischen Gewichtung, bei der alle Bestandteile den selben Anteil erhalten. Somit wird die Wertentwicklung von einer grösseren Vielfalt an Titeln bestimmt. Stärker gewichtet werden ausserdem Small- und Mid-Caps. Wachstumswerte sind bei diesem Ansatz untergewichtet. Dieses Vorgehen wird sowohl bei Einzeltiteln als auch bei Sektoren angewandt. Dadurch kann das Risiko der Branchen-Konzentration gesenkt werden. S&P hat diese Strategie erstmals mit einem Index abgebildet, dem S&P Equal Weight Index.

Die bessere Entwicklung von gleichgewichteten Barometern hat das Ed-hec-Risk Institute in der Studie «Improved Beta – A Comparison of Index-Weighting Schemes» unter Beweis gestellt. Zwischen Januar 1999 und August 2011 wurden die beiden Indexvarianten des S&P500 ver-glichen. Das gleichgewichtete Barometer erzielte nach Angaben der Autoren eine Wertsteigerung von durchschnittlich 6 Prozent im Jahr gegenüber 1,4 Prozent beim traditionellen Index mit Gewichtung nach Marktkapitalisierung.

Gleichgewichtete Indizes sind auch weniger anfällig für Blasen. Beispiel dafür ist die TMT-Blase (Technologie-, Medien- und Telekommunikationswerte). Ein nach Marktkapitalisierung gewichteter Index hätte mehr Technologiewerte enthalten, die in der Folge stark an Wert verloren. Weniger stark abgestürzt wäre hingegen ein gleichgewichtetes Barometer. Doch auch die Gleichgewichtung hat Schwächen. Laut Perovic könnten Investoren durch den Ausstieg aus guten Titeln Renditechancen entgehen. Ausserdem nehme das Risiko durch die hohe Gewichtung schwacher Titel zu.

Auf Kostenebene haben gleichgewichtete Indizes das Nachsehen, da alle Werte proportional gehandelt werden müssen. Das häufige Rebalancing verursacht hohe Transaktionskosten. Eine weitere Schwäche ist, dass bei kleinen Märkten Liquiditätsprobleme auftreten können.

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Fundamentale Indizes

Der aktive Investmentansatz hält immer mehr auch bei sogenannten passiven Investments Einzug. Gleichgewichtete Indizes waren ein erster Schritt in diese Richtung. Viele Fondsmanager gehen nach einem ähnlichen Muster vor und versuchen, gegenüber der Benchmark eine Outperformance zu generieren.

Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist Fundametal Indexing. Diese Indexart wurde erstmals 2005 durch Robert Arnott von Research Affiliates vorgestellt. Bei diesem Ansatz richtet sich die Gewichtung eines Index nicht nach der Marktkapitalisierung, sondern nach Fundamentaldaten wie Dividende, Buchwert oder Cash Flow. Dadurch kann der Nachteil einer höheren Gewichtung überbewerteter und der Untergewichtung unterbewerteter Aktien reduziert werden.

Weit verbreitet sind dividendengewichtete Indizes. Diese Barometer werden anhand der Basis der Dividendenrendite gebildet. Beispiele dafür sind der DJ US-Select-Dividend-Index, der DivDAX oder der S&P-US-Dividend-Aristocrats-Index. Bei den meisten Indizes werden die Titel nach einem kontinuierlichen Dividendenwachstum in den letzten fünf oder mehr Jahren ausgewählt. Doch auch diese Methode hat ihre Schwachstellen.

So sind in der Regel Aktien grosser Unternehmen stärker gewichtet. Daher ist die Abweichung von der klassischen Benchmark oftmals sehr klein. In der Folge ist die Chance auf eine Überrendite gegenüber einem nach Marktkapitalisierung gewichteten Index gering. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Indizes starken Anlagestil-Zyklen unterworfen sind. Ähnlich wie bei den gleichgewichteten Indizes sind ausserdem die Transaktionskosten aufgrund des Rebalancings höher, dafür die Liquidität der im Index enthaltenen Titel tiefer.

Bislang haben sich fundamentale Indizes in der Breite noch nicht durchgesetzt. Bekannteste Vertreter sind die von Robert Arnott und Jason Hsu entwickelten RAFI-Indizes (Research Affiliates Fundamental Indexing). Bei diesen Barometern wird das Indexgewicht eines Titels anhand seines ökonomischen Gewichts ermittelt.

Genaue Produktkenntnis

In der Schweiz stehen den Anlegern bereits einige solcher Indizes zur Verfügung. Das grösste Angebot gibt es im Bereich der Dividendenindizes. Darüber hinaus stehen auch RAFI ETF und ETF auf gleichgewichtete Indizes zur Auswahl. Wie erwähnt sind die Kosten für fundamentale und gleichgewichtete Indizes höher.

Für die Abbildungsrechte zahlen die ETF-Emittenten dem Indexprovider eine Lizenzgebühr. Bei einfachen Barometern liegt diese bei wenigen Basispunkten. Um Kosten zu sparen, könnten zukünftig mehrere ETF-Anbieter selbst Indizes berechnen. Das Angebot wird also sicherlich weiter wachsen. Für Anleger wird es somit immer wichtiger, sich aktiv mit der Selektion des passenden Barometers zu beschäftigen.

Dabei müssen sie sich vor allem der jeweiligen Effekte, die mit der Indexwahl einhergehen, bewusst sein. So kann ein gleichgewichteter oder fundamentaler Ansatz durchaus bessere Renditechancen versprechen, auch wenn die Kosten höher sind. In jedem Fall ist es nötig, den Index und auch den Anbieter genau zu studieren.

Bei MSCI-Indizes beispielsweise sind genauere Informationen zur Zusammensetzung und Berechnung nicht jedermann zugänglich. Hier stehen die Anbieter, die schliesslich Produkte verkaufen wollen, in der Pflicht. Sie sollten dem Investor nicht nur die nötigen Produktmerkmale transparent darstellen, sondern vielmehr auch verstärkt die Indexdetails auf täglicher Basis zur Verfügung stellen.

Ein genauer Blick lohnt, denn ohne die detaillierte Kenntnis des Barometers kann auch das beste Produkt nicht die gewünschte Performance liefern. Letztlich definiert nämlich nicht das Investmentvehikel das Risiko-Rendite- Profil, sondern die Indexkomponenten.


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