Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten hat viele irritiert – bloss die Finanzmärkte nicht. Und im Nachhinein ist das auch völlig logisch.
«Die neue Präsidentin der USA heisst Hillary Clinton!» Die Meinungen waren gemacht, die Umfragen und Prognosen liessen keine Zweifel offen, Journalisten hatten die Schlagzeilen schon im Kasten. Und dann hat die Realität zugeschlagen und ein ganz anderes Kapitel der Zeitgeschichte aufgeschlagen. Die neue Frau im Weissen Haus ist ein Mann und der heisst Donald Trump.
Ich muss an den Satz des deutschen Mediziners Ebo Rau denken, der einst schrieb: «Akzeptiere die Diagnose, aber nicht die Prognose.» Sicherlich richtete sich Rau mit dieser Aussage an Patienten, die Klarheit suchen und haben müssen, bevor sie behandelt werden können.
Doch hat Rau auch den Nagel auf den Kopf getroffen, was den Zustand der Märkte im vermeintlichen «post-shock» der Trump-Wahl betrifft.
Denn die Prognosen waren doppelt falsch: Den Sieg Trumps sah niemand voraus und auch die darauf folgende Reaktion der Märkte nicht. Was sind doch im Vorfeld für Horrorszenarien skizziert worden, sollte das Unmögliche doch eintreten und Trump gewinnt die Wahl. «Brexit realoaded» waren noch die harmlosesten Prognosen.
Was aber geschah, war ein kurzes panikartiges Flackern an den Märkten, bis die Rationalität mit sicherer Hand wieder für Ruhe, ja gar für Optimismus sorgte. Vielleicht ist ein Donald Trump gar nicht so katastrophal für die Wirtschaft?
Während wir am Morgen nach den Wahlen bei der AGFIF International damit beschäftigt waren, einige unserer Kunden zu beruhigen, ihre Aktien um Himmels Willen nicht zum besten Preis bestens auf den Markt zu werfen, hielt Mr. Trump seine überraschend versöhnliche Siegesrede – und initiierte eine der grössten Turn-around-Situationen der Börsengeschichte.
Plötzlich schien den Märkten klar geworden zu sein, dass hier eine historische Chance winkt: Ein republikanischer Präsident und ein republikanisch dominierter Kongress könnten in diesem zerrissenen Land, wie sich die Vereinigten Staaten heute darstellen, tatsächlich etwas bewirken, beispielsweise eine Steuerreform oder Infrastrukturprojekte.
Oder einfach gesagt: Mit Hillary Clinton als US-Präsidentin wäre der Status quo unangetastet geblieben, eine zwar stabile, aber impulslose Wirtschaftspolitik wie unter Barack Obama wäre die Folge gewesen. Und genau das haben die US-Bürger nicht gewollt.
Ich gebe es gerne zu: Ich habe auch nicht mit diesem Wahlausgang gerechnet. Aber ich erinnere mich Ronald Reagan, der mit seiner Politik der amerikanischen Wirtschaft einen historischen Boom bescherte, welcher den Dow Jones Index während seiner Amtszeit verdreifachen liess. Ich erinnere mich auch, dass die heute überall lauernden geopolitischen Risiken damals um ein Vielfaches grösser waren mit abschussbereiten Nuklearraketen in Russland, den USA und in Europa.
Vor diesem Hintergrund wirken die Marktgeschehnisse plötzlich irgendwie logisch – im Nachhinein. Und damit sind wir in eine klassische Psychofalle getappt, den Rückschaufehler. In der Marktpsychologie sprechen wir vom Hindsight-Bias. Er spiegelt den Hang vieler Menschen, ihre früheren Vorhersagen zu vergessen oder zu verfälschen, nachdem sie den wahren Ausgang von Ereignissen erfahren haben. Getreu nach dem Motto: «Hab‘ ich es doch gesagt!»
Und was bedeutet dies für unsere Anlagestrategie? Wir lassen uns nach wie vor von Fakten und Analysen leiten und nicht Hoffnungen oder Ängsten. Vor Trump waren solide und dividendenstarke Aktien unsere Favoriten, die sogenannten Schweizer Langweiler aus der zweiten Reihe, exportstarke Unternehmen mit hohem Cash-flow.
Unter Trump sind diese Aktien mehr denn je unsere Trümpfe.
Mojmir Hlinka ist Direktor bei AGFIF International AG.