Die Profond Vorsorgeeinrichtung zeichnet sich durch ihre hohe Realwertquote aus. Warum Pensionskassen vermehrt auf Aktien setzen und die Digitalisierung ihr Unternehmen vorantreibt, verraten uns die drei Herren im Gespräch.
Text: Pascal Hügli
Das System der zweiten Säule ist stark politisiert. Betrifft das auch das Anlagegeschäft der Pensionskassen?
AH: Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), welchem alle Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz unterliegen, trat 1985 in Kraft. In diesem, respektive in der dazugehörigen Verordnung (BVV2) hat der Gesetzgeber die zulässigen Anlagen sowie deren Begrenzungen festgelegt. So soll der Aktienanteil am Gesamtportfolio beispielsweise nicht mehr als 50 Prozent betragen. Bei den Fremdwährungen und den Immobilien liegt die Obergrenze bei jeweils 30 Prozent.
Starre gesetzliche Bandbreiten also.
AH: Will eine Pensionskasse eine Obergrenze überschreiten, kann sie das. Sie muss es jedoch schriftlich begründen. Von den Pensionskassen mit über einer Milliarde Vermögen schöpft aktuell nur Profond die gesetzlichen Bandbreiten bei den Realwerten aus.
Wie sieht die durchschnittliche Aufteilung der Anlageklassen bei Pensionskassen aus?
AH: Für das Jahr 2018 war die Aufteilung gemäss Zahlen von Swisscanto wie folgt: rund 28 Prozent Aktien, 40 Prozent Anleihen, 18 Prozent Immobilen. Der Rest entfiel hauptsächlich auf Bargeldbestände und alternative Anlagen. Bei Profond legen wir ungefähr 50 Prozent in Aktien, 30 Prozent in Immobilien und 10 bis 15 Prozent in Obligationen sowie liquiden Mitteln an.
Woher rühren die Unterschiede zu anderen Pensionskassen?
AH: Viele Pensionskassen investieren einen grossen Teil ihrer Anlagen in Nominalwerte wie Obligationen. Als Gründe dafür werden ALM-Studien, Risikobereitschaft oder Risikofähigkeit genannt.
Auch wenn gewisse Obligationen negativ rentieren?
AH: Ja. Dass negativ rentierende Anleihen heute noch gekauft werden, hat teilweise auch mit den regulatorischen Bestimmungen zu tun, die vor allem Versicherungsgesellschaften betreffen.
Warum das?
AH: Ist eine Pensionskasse in Unterdeckung, bedeutet das, dass sie im Falle einer Saldierung nicht die gesamten versprochenen Leistungen auszahlen kann. In der Praxis hat dies aber kaum Auswirkungen, da eine Pensionskasse nicht täglich saldieren muss. Weil dem Deckungsgrad jedoch eine hohe Relevanz beigemessen wird, nehmen manche Pensionskassen mehr Anleihen ins Portfolio, um den Deckungsgrad über 100 Prozent zu halten. Das geht jedoch zulasten der Rendite. Eine hohe Realwertquote bedeutet kurzfristig ein höheres Risiko, dafür ermöglicht sie eine nachhaltig hohe Performance und erlaubt somit eine nachhaltig hohe Verzinsung.
Haben Sie manchmal schlaflose Nächte?
AH: Nein. Weil Pensionskassengelder über eine Frist von etwa 60 Jahren angelegt werden – 40 Jahre Erwerbstätigkeit und rund 20 Jahre Rentenbezug –, lassen sich kurzfristige Schwankungen an den Märkten gut ausgleichen. Sie werden langfristig durch Wertsteigerungen übertroffen.
Kurseinbrüche an den Aktienmärkten von 20 bis 30 Prozent fürchten Sie also nicht?
AH: Ein solcher Einbruch würde die Anleger treffen, das ist klar. Wie die Geschichte aber zeigt, haben sich Märkte nach Einbrüchen immer wieder erholt.
Was ist Ihnen bei der Anlage am wichtigsten?
AH: Für eine Pensionskasse sollte die Langfristigkeit oberstes Gebot sein. Um diese zu gewährleisten, braucht es einen stabilen Cashflow. Anleihen vermögen diesen aktuell nicht zu liefern. Deshalb setzen wir auf eine Kombination von Mietzinseinnahmen und Dividenden. Auch achten wir auf unseren strukturellen Cashflow. Das heisst, wir stellen sicher, dass die Zahl aktiv Versicherter die Zahl der Rentnerinnen und Rentner stets übertrifft.
Worauf achten Sie bei der Diversifikation?
AH: Bei Profond diversifizieren wir nicht maximal, sondern optimal. Wer eine maximale Diversifikation anstrebt, versucht so viel zu diversifizieren wie möglich. Das birgt die Gefahr, dass man mit Anlagen diversifiziert, die nicht ins Portfolio passen. Wer optimal diversifiziert, berücksichtigt, dass es Anlagethemen gibt, die aus einer ganzheitlichen Sicht zu meiden sind.
Haben Sie ein Beispiel?
AH: Eine Diversifikation mit Rohstoffen kann suboptimal sein. Rohstoffe müssen teils über Terminkontrakte gekauft werden. Diese haben Auf- und Abschläge, also Friktionskosten, welche die Investition in diese Anlageklassen erschweren. Gleichzeitig sind Rohstoffe zyklischer als andere Anlagen und daher auch in der Analyse schwieriger. Zudem generieren Rohstoffe keinen Cashflow. Daher investieren wir nicht in Rohstoffe.
Einer Pensionskasse wäre es theoretisch erlaubt, in Krypto-Assets zu investieren. Ein Thema für Profond?
AH: Bei Krypto-Assets handelt es sich um zyklische Anlagen. Diese Art von Anlagen setzt ein sehr hohes Produkt- und Marktverständnis voraus. Aktuell sind solche Anlagen für Profond kein Thema.
Krypto-Assets sind also (noch) kein Thema – dafür die Digitalisierung?
MI: Richtig. Unser Ziel ist es, mittels Digitalisierung den Kundenservice und das Kundenerlebnis weiter zu verbessern und effizienter zu werden.
Alle reden davon, digital zu werden. Was konkret bedeutet es bei einer Pensionskasse?
MI: In erster Linie geht es um Optimierung des internen Betriebs. Prozesse müssen end-to-end digitalisiert werden. Im Vergleich zu anderen Branchen hat die Vorsorgebranche noch ein grosses Potenzial im Bereich der Digitalisierung. Wenn ein Versicherter beispielsweise von Pensionskasse A zu Pensionskasse B wechselt, wird heute noch alles manuell und auf Papier abgewickelt.
Dabei wären die digitalen Instrumente vorhanden.
MI: Ein Hauptproblem ist, dass es keine Standardisierung gibt. Die eine Pensionskasse erfasst ihre Daten in einem Excel, eine andere wiederum in einem Word-Dokument. Das führt zu einem grossen Koordinierungsaufwand. Eine Standardisierung im Markt würde unheimlich viel vereinfachen.
Wie kann Digitalisierung dabei helfen, für den Kunden Mehrwert zu schaffen?
MI: Wir sprechen hier von verschiedenen Zielgruppen. Den Versicherten stellen wir auf Portalen eine detaillierte Sicht über die Vorsorgesituation in der beruflichen Vorsorge zur Verfügung. Weiter werden sie mit verschiedenen Berechnungsmöglichkeiten einfach die Auswirkungen einer vorzeitigen Pensionierung, eines Vorbezuges oder eines Einkaufs in die Pensionskasse berechnen können und diese Prozesse auch gleich digital durchführen können. Als Hauptzielgruppe sehen wir jedoch die Unternehmen, die als Kunden viel mehr Berührungspunkte zur Pensionskasse haben.
Welche digitalen Optimierungsmöglichkeiten gibt es?
MI: Zum Beispiel müssen digitale Schnittstellen zum Lohnbuchhaltungssystem einer Firma geschaffen werden. Auf diese Weise würde ein effizienter Informationsaustausch mit der Pensionskasse und optimalerweise auch mit der Ausgleichskasse geschaffen.
Wie hilft das dem Kunden?
MI: Der Kunde wird durch die geeigneten Instrumente und Anwendungen seine Mutationen unabhängiger und effizienter abwickeln können. Dies gilt auch für die Partner, für die wir ebenfalls die Möglichkeit anbieten, in einem Portal das Kundenportfolio im Überblick zu haben und Offerten und weitere Prozesse für die Kunden direkt abzuwickeln.
Mit der Digitalisierung liessen sich auch Kosten sparen.
LS: Die Durchschnittskosten pro versicherte Person, die bei Profond auf operativer Ebene anfallen, liegen bei rund 350 Franken. Ein Ziel der Digitalisierung ist es, diese Kosten deutlich zu reduzieren.
Dank der Digitalisierung kann der Einzelne immer mehr über seine Finanzangelegenheiten entscheiden. Wird das in Zukunft auch für Pensionskassengelder gelten?
LS: Man muss unterscheiden zwischen den technischen Möglichkeiten und den gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Digitalisierung bietet sehr viele Möglichkeiten bei Finanzangelegenheiten. Ob die Versicherten aber von all diesen Möglichkeiten Gebrauch machen wollen, ist eine andere Frage.
Was könnte sie daran hindern?
LS: Der Solidaritätsgedanke steht beim BVG heute klar im Vordergrund. Und daran wird sich kurzfristig wohl kaum etwas ändern. Wie es langfristig aussehen wird, ist schwierig zu sagen. Der Trend zur Individualisierung setzt sich fort und das Thema Generationengerechtigkeit beispielsweise wird immer häufiger diskutiert. Daher ist es nicht auszuschliessen, dass irgendwann neue Modelle in der Vorsorge auftauchen werden und der Versicherte mehr Einflussmöglichkeiten und Mitspracherecht bei der Verwaltung seines Pensionskassengeldes haben wird.
Für die Pensionskassen würde dies Mehraufwände und somit höhere Kosten zur Folge haben.
LS: In der Tat. Aus unserer Sicht sollten Versicherte künftig jedoch trotz dieser Tatsache die Wahl haben, ob sie bei einem Jobwechsel bei der bestehenden Pensionskasse bleiben wollen oder nicht. Das ist aber eine Diskussion, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene geführt werden muss.
Wird dieser Druck zu diskutieren jemals kommen?
LS: Versicherungen sind so genannte Low-interest-Produkte, sprich, die Versicherten interessieren und befassen sich vergleichsweise wenig mit solchen Produkten. Das gilt auch für die Leistungen der Pensionskassen, da die Versicherten sich ja nicht aktiv für eine Pensionskasse entscheiden müssen, sondern durch ihren Arbeitgeber. Da das Thema Vorsorge aber in den Medien immer häufiger aufgenommen wird, werden wahrscheinlich auch die Diskussionen zunehmen.