Mehrwerte durch FinTech Kooperationen

Die Vermögensverwaltung steht unter Druck. Neben anspruchsvollen Marktverhältnissen nagt auch die wachsende Konkurrenz durch kostengünstige Indexprodukte an den Margen der Fondsanbieter. Nicht zuletzt stellen auch Endanleger Forderungen: Sie wollen unabhängig investieren. FinTech Kooperationen bieten Kunden Mehrwerte.

Text: *Adriano B. Lucatelli & Pius Zgraggen
FinTech Kooperationen

Obwohl die globale Finanzindustrie ihre Prozesse seit längerem digitalisiert, war die Entwicklung in der traditionellen Vermögensverwaltung bisher wenig
sichtbar. Anders als im Zahlungsverkehr (Apple Pay), bei Kreditkarten (Revolut) oder Hypotheken (Hypomat) blieb der Einfluss des technologischen Wandels in der Vermögensverwaltung bisher bescheiden. Und zwar innerhalb der Unternehmen, wie auch gegenüber dem Kunden.

Gemäss einer Studie von PwC vom Oktober 2018 sind die Margen der Vermögensverwalter von 2012 bis 2017 um knapp neun Prozent gesunken und sollten bis 2025 nochmals um rund 20 Prozent fallen. Verschärfter Wettbewerb, steigende Regulierungskosten und das Wachstum passiver Anlageprodukte (ETF und Indexfonds) mit ihren niedrigen Gebühren fordern gerade Nischenanbieter, die fehlenden Skaleneffekte zu aktivieren.

Über die Vereinfachung der internen Prozesse kann die Digitalisierung einiges bewirken. Das Ziel ist also klar: Erlangung eines hohen Grades an Industrialisierung und Automatisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Vermögensverwalters.

Endanleger direkt erreichen

Die Digitalisierung sollte aber nicht nur bei den internen Prozessen wirken, sondern auch gegenüber den Kunden. Die Begründung, warum das bisher kaum geschieht, ist der fehlende persönliche Kontakt in der Beratung und Betreuung, der zur Vertrauensbildung bedeutend sei. Tatsächlich verkaufen Fondsgesellschaften ihre Produkte über Vermittler wie Banken, Versicherungen oder unabhängige Finanzintermediäre.

Ob der persönliche Austausch aber derart wichtig bleiben wird, ist fraglich. Während man sich früher mit den Bankberatern während den Geschäftszeiten in der Filiale traf, erledigt die jüngere Generation ihre finanziellen Angelegenheiten lieber selber per Laptop oder Smartphone. Nur wer es schafft, die Vermögensverwaltung einfach und effizient zu organisieren, wird Zugang zur nächsten Generation erhalten. Die Vermögensverwaltung muss also ihren Weg zum Endanleger neu definieren, um wieder genügend grosse Zielgruppen erreichen zu können.

BlackRock – der weltgrösste Vermögensverwalter mit Beteiligungen an den digitalen Vermögensverwaltern Future Advisor in den USA und Scalable Capital in Deutschland – ist ein Beispiel für einen solchen Direktverkäufer. Auch der US-Finanzdienstleister Vanguard verkauft seine Anlageinstrumente in den USA und in Grossbritannien über den eigenen digitalen Kanal direkt an die Endanleger.

Diese Strategie birgt neben Vorteilen auch Gefahren. So könnten die Vermittler den Direktverkauf als Konkurrenz auffassen – und den Produktvertrieb für diese Anbieter einstellen. Das ist der Hauptgrund, weshalb die Mehrheit der Fondsgesellschaften bisher noch davor zurückschreckt, den Kontakt zum Privatkunden zu suchen, «to go retail», wie man im Englischen sagt.

FinTech Kooperationen

Diese Ausgangslage ist der Grund, warum nach neuen Formen der Zusammenarbeit gesucht wird, etwa in der Form von Kooperationen mit unabhängigen digitalen Vermögensverwaltern, den sogenannten Robo-Advisors. Der Wert dieses Vertriebskanals liegt nicht nur im Verzicht auf Zuwendungen von Banken oder Asset Managern, sondern auch darin, dass keine hauseigenen Produkte angeboten werden. Erst diese Selbstständigkeit ermöglicht eine unabhängige Beratung.

Bei den meisten Robo-Advisors im deutschsprachigen Raum wählen die Anleger ein Musterportfolio, das auf ihrem individuellen Rendite-/Risikoprofil basiert. Gegenwärtig stehen Anlegern jedoch nur eine limitierte Anzahl von Musterdepots zur Verfügung. Oft bestehen diese nur aus ETF oder Indexfonds. Der Kunde kauft damit zwar günstig den Marktdurchschnitt, aber kein Portfolio, das ihm langfristig einen Mehrwert bietet.

Einen anderen Ansatz wählt der Anbieter Descartes Finance, der verschiedene Mustermodelle respektive Anlagestile verschiedener Asset Manager anbietet. Auch bei den Depotstellen ist die Plattform offen – momentan bestehen Schnittstellen zu fünf Schweizer Banken. Die klassischen Robo-Advisors haben in der Regel nur eine Depotbank im Hintergrund.

Die Descartes-Plattform übernimmt die gesamte Wertschöpfungskette: Die Dienstleistungen umfassen die Kontoeröffnung und die Risikoprofilierung der Kunden, die Betreuung der Modell-Portfolios verschiedener Asset Manager, die digitale Umsetzung der Portfolios, die laufende Überwachung, die Auftragsgenerierung und das Risikomanagement. Bei Descartes steht nicht der Produktvertrieb im Vordergrund, sondern die Lösung wie die praktische Umsetzung von Musterportfolios oder die strategische Vermögensallokation.

Fokus auf Kernkompetenz

Es ist dieser offene, unabhängige und umfassende Ansatz, der die Finanzboutique OLZ, ein partnerschaftlich geführter Asset Manager in Bern, überzeugte, eine Kooperation mit Descartes einzugehen. So können selbst Anlagelösungen, die bisher vor allem professionellen Anlegern wie Pensionskassen, Stiftungen oder Family Offices vorbehalten waren, einfach abgebildet und auch für kleinere Anlagesumme effizient zugänglich gemacht werden.

Die Zusammenarbeit zwischen digitalem Vermögensverwalter und etabliertem Asset Manager zeigt, dass ein Fondsanbieter neue Märkte erschliessen kann, ohne bestehende Kanäle im institutionellen Bereich zu kompromittieren. Für OLZ wäre der Retailbereich zwar ein mögliches Betätigungsfeld, aber dieses allein zu bearbeiten wäre nicht effizient. Das gilt für die meisten Asset Manager, ob gross oder klein.

Dank FinTech Kooperationen können Fondsanbieter ihre Ressourcen gezielt im intensiveren Beratungsprozess von grösseren Privat- und institutionellen Kunden einsetzen. Davon profitieren beide Parteien, da sie ihre jeweiligen Kernkompetenzen voll ausspielen und gewinnbringend einsetzen können. Fondsanbieter finden in Kooperationen mit digitalen Vermögensverwaltern einen effizienten und kostengünstigen Vertriebskanal für Endanleger, und der Robo-Advisor profitiert von erprobten Musterportfolios, was die Glaubwürdigkeit der digitalen Plattform erhöht. Eine echte Win-Win-Win-Situation, von der die Anleger, der Vermögensverwalter und die digitale Plattform gleichermassen profitieren.

*Adriano B. Lucatelli ist Gründer und CEO der Descartes Finance AG. Pius Zgraggen ist Gründungspartner und CEO der OLZ AG.

 

Dieser Artikel ist am 9.3.19 in der FuW-Verlagsbeilage «Anlegen mit Weitsicht» erschienen, welche von 10×10.ch produziert wird.


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  1. Jordan

    Interessanter Artikel und gespannt, wohin sich diese Trends als nächstes für CH.

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