Der ETF-Markt ist hart umkämpft. Auf der einen Seite treten etablierte Asset-Manager neu in den Markt ein, andererseits lancieren Anbieter ständig neue Themen und Strukturen. Eine Bestandesaufnahme mit Karin Russell-Wiederkehr.
Text: Rino BoriniDerzeit rennen fast alle Anbieter dem Thema Nachhaltigkeit hinterher. Wie ist das bei Ihnen?
Nachhaltigkeit ist für uns nichts Neues. Wir bieten unseren Anlegern schon länger nachhaltige Anlagelösungen für die unterschiedlichsten Bedürfnisse an und verwalten inzwischen rund 180 Milliarden Franken in diesem Segment. Wir bieten für Kunden einerseits massgeschneiderte Investitionslösungen an und zwar sowohl auf der Aktien- als auch auf der Obligationenseite. Dazu haben wir beispielsweise die ersten ETF und Indexfonds auf den MSCI Low Carbon Leaders an den Markt gebracht. Ausserdem haben wir dieses Jahr einen Obligationen-ETF auf USD-Corporates mit SRI-Filter herausgebracht.
Welche Themen beschäftigen Sie sonst noch?
Faktor-Investing ist und bleibt ein grosses Thema. Anleger sind nach wie vor auf der Suche nach Rendite, jedoch mit einem stärkeren Fokus auf die Risiken. Hier haben wir erfolgreich sowohl Single- als auch Multi-Faktor-ETF in Zusammenarbeit mit ERI Scientific Beta, ein Institut der Universität EDHEC, entwickelt. Zudem haben wir für Anleger, die Faktorprämien unabhängig von Schwankungen des europäischen Aktienmarkts nutzen wollen, einen marktneutralen Multi-Faktor-ETF lanciert.
Die Volumina in Smart-Beta-ETF steigen kontinuierlich an. Was ist das Besondere dieser Ansätze?
Bei Anlagefaktoren geht es darum, in Aktien zu investieren, mit denen man gezielt Risikoprämien nutzen kann. Konkret handelt es sich um Papiere, die sich in bestimmten Phasen des Wirtschaftszyklus ähnlich verhalten und bestimmte gemeinsame Merkmale aufweisen. Die bekanntesten Faktoren sind: Value, Momentum, geringe Volatilität, Qualität, Growth, Dividende und Grösse.
Bei Faktorinvestments können Anleger zwischen Single- und Multi-Faktor-Lösungen wählen. Wann soll welche Strategie gewählt werden?
Single-Faktor-Strategien sind interessant, wenn man ein Exposure in einem bestimmten Faktor sucht, das im aktuellen Marktumfeld aussichtsreich ist oder besonders zur Diversifikation eines bestehenden Portfolios geeignet ist. Multi-Faktor-Fonds sind All-in-One-Lösungen. Diese können für Anleger interessant sein, die keine bestimmte Meinung äussern, aber dennoch ein Faktor-Exposure eingehen und Risikoprämien erwirtschaften wollen. Ausserdem ist unserer Erfahrung nach nicht jeder Anleger in der Lage, die Faktoren selbst zu kombinieren. Multi-Faktor-Ansätze bieten diesen Investoren eine Möglichkeit, sich breiter diversifiziert und mit einem reduzierten Risikoprofil zu engagieren.
>Und was sind die Vor- und Nachteile von Faktorinvestments?
Wir sind fest davon überzeugt, dass die Konzentration auf bestimmte Anlagefaktoren und die bessere Nutzung des Risikobudgets langfristige Renditechancen, eine breitere Diversifikation und geringere Drawdowns bringen. Das Faktor-Investing ist somit sowohl für private als auch für institutionelle Investoren sinnvoll.
>Das Angebot ist vielfältig. Auf was soll ein Anleger achten?
Grossinvestoren können zwischen ETF oder Indexfonds wählen oder sich eine massgeschneiderte Lösung, beispielsweise mit einem ESG-Filter, entwickeln lassen. Privatkunden werden sich wahrscheinlich eher über Banken oder sonstige Vertriebsnetzwerke für eine Lösung aus dem inzwischen breiten ETF- und Indexfondsangebot entscheiden. Wer sich für ein Faktorinvestment entscheidet, sollten allerdings über ausreichendes Know-how in diesem Segment verfügen. Ein wichtiger Baustein unseres Services ist daher, Anlegern Informationen und Schulungen zu bieten.
Mit Innovation wollen alle auftrumpfen, zumindest sagen es die meisten Anbieter.
Am wichtigsten ist, im stetigen Gespräch mit Anlegern zu stehen und die richtigen Rückschlüsse daraus zu ziehen. Beispielsweise haben wir als erster ETF-Anbieter US-Dollar Corporate Floating Rate Note ETF angeboten, in denen heute mehr als 5 Milliarden Euro verwaltet werden. Bei Lancierung waren Zinserhöhungen in den USA noch kein Thema. Heute sieht es anders aus und Anleger haben eine Lösung, um von steigenden US-Zinsen zu profitieren. Innovativ zu sein, heisst aber auch, Anlegern den Zugang zu Lösungen zu ebnen, die sich nur schwierig umsetzen lassen.
Ein Beispiel?
Wir haben kürzlich einen ETF zum Thema künstliche Intelligenz auf den Markt gebracht. Laut PwC hat die künstliche Intelligenz (KI) das Potenzial, im Jahr 2030 bis zu 15,7 Billionen Dollar zur globalen Wirtschaftsleistung beizutragen. Von solch einem Zukunftstrend profitiert man am besten, indem man frühzeitig investiert. Denn dann sind die Bewertungen und die Kurse der Aktien noch günstig. Die Wahl eines ETF kann hier durchaus eine Lösung sein. Der KI-Index von Stoxx umfasst zum Beispiel die Unternehmen mit den meisten KI-Patenten und stützt sich auf folgende zwei Aspekte: das KI-Exposure und den KI-Beitrag. Wir haben uns dafür entschieden, Konzentrations- und Behavioral-Risiken zu vermeiden und gewichten daher alle Titel gleich.
Sie konnten auch viele Innovationen anbieten, weil sie ETF synthetisch replizieren?
Die Vorteile und Risiken beider Replikationsmethoden wurden von Anlegern, Emittenten und Regulatoren detailliert diskutiert. Die UCITS-Bestimmungen setzen für beide Varianten einen verbindlichen Rahmen und verlangen ein hohes Mass an Transparenz. Heute gilt als Common Sense, dass beide Methoden Vor- und Nachteile haben. Gleichzeitig belegt das breite Angebot von physisch und synthetisch replizierenden ETF, dass Kunden das für sie passende Produkt wählen können. Wir bieten ebenfalls nach strikten Best-Practice-Vorgaben beide Methoden an.
Ein Trend ist der Gebühren-Preiskampf. ETF werden immer billiger und in den USA gibt es sogar Indexfonds ohne Gebühren. Wird letzteres die neue Realität?
Kosteneffizienz war und ist für uns sehr wichtig und Teil unserer DNA. Die Folge ist, dass unsere ETF im Durchschnitt günstiger als die unserer Mitbewerber sind. Gleichzeitig ist Kostendruck gut für Investoren und die Branche. Allerdings sind die günstigsten ETF nicht zwingend das ultimative Ziel. Man muss immer auch bedenken, wie nachhaltig solche Modelle sind. Ausserdem sind neben den Gebühren immer auch andere Faktoren wichtig, um eine tragfähige Partnerschaft mit Kunden aufzubauen.
Die Vielfalt an ETF steigt. Damit einher geht eine Komplexitätszunahme. Ist das nicht ein Widerspruch zu ETF?
ETF sind klare Produkte mit dem sehr einfachen Ziel, die Wertentwicklung eines Indexes abzubilden. Es stimmt, dass die Zahl von ETF dynamisch gewachsen ist, aber letztlich sehe ich das als Vorteil für Investoren. Diese können heute bedarfsgerecht und sehr zielgerichtet in bestimmte Marktsegmente investieren. Mit dem wachsenden Angebot wird es für ETF-Anbieter immer wichtiger, Kunden bei der Wahl des richtigen Indexes beziehungsweise Produkts zu beraten und Schulungen anzubieten. Das ist letztlich das, was uns täglich beschäftigt.