Multi-Faktoren, auch für die Schweiz

Seit diesem September kann auch an der Schweizer Börse in Einzel- und Multifaktor–Indizes-investiert werden. Da die Produkte ein grosses Verständnis der Finanzmärkte erfordern, sind sie nicht für jedermann geeignet.

Text: Rino Borini

Smart-Beta ist in der Gunst der Investoren in jüngster Vergangenheit weit nach oben gerückt. Das zeigen einerseits die zahlreichen neu lancierten Finanzprodukte auf alternative Strategien, andererseits die investierten Vermögen am Beispiel der Exchange Traded Funds (ETF): Gemäss dem Analysehaus ETFGI sind weltweit bereits über 430 Milliarden Dollar in ETF mit alternativem Beta investiert.

Alternative Faktoren sind im Aktienbereich zwar schon länger zu finden, doch erst in jüngster Vergangenheit haben sie die Anleger erreicht. Obschon die Tatsache, dass die grosse Mehrheit der aktiven Fonds ihre Benchmark auf lange Sicht nicht schlagen können, nicht neu ist. Natürlich gibt es Ausnahmekönner, die den Markt systematisch und über längere Zeiträume schlagen. Aber sie sind die klare Ausnahme.

Bei einer Analyse der Überflieger stellt man fest, dass sie oft mit einer Kombination diverser Renditequellen arbeiten, sogenannten Faktoren. Dieser Ansatz basiert auf den Erkenntnissen der Wirtschaftsnobelpreisträger Eugene Fama und Kenneth French. Sie stellten fest, dass auch die Faktoren Size (Unternehmensgrösse) und Value (wertorientiertes Anlegen) für die Rendite mitverantwortlich sind. Alleine aufgrund des Marktrisikos, dem Beta, lasse sich die Renditeerwartung nicht bestimmen. Basierend auf diesen Erkenntnissen sind weitere Faktoren entstanden.

Doch ein Schritt zurück. Eigentlich ist der Entdecker der Faktoren ein Schweizer, nämlich Rolf Banz. Für viele ein unbekanntes Blatt, doch Banz zählt international zu den angesehensten Finanzprofis. Bereits 1981 hatte er in seinen Untersuchungen den Effekt von Small und Mid Caps identifiziert. Banz kam zur Erkenntnis, dass kleinere börsenkotierte Firmen im Durchschnitt eine höhere risikoadjustierte Rendite aufweisen als die grossen Blue Chips.

Erst über ein Jahrzehnt später, 1993, lancierten die beiden Nobelpreisträger ihr Drei-Faktorenmodell. Ihre Untersuchungen wurden von Mark Carhart weitergeführt. Dieser kam zur Erkenntnis, dass ein neuer Faktor zur Erklärung von Aktienrenditen herbeigezogen müsse: Momentum. Denn wie diverse Analysen zeigten, erzielten Aktien mit starken Kursgewinnen in der jungen Vergangenheit in den folgenden zwölf Monaten ebenfalls eine Mehrrendite.

Auch diese Theorie hat einen Mangel: Einen Faktor, der in allen Marktphasen nachhaltig positiv ist, gibt es nicht. Value, Momentum und Small Caps beispielsweise haben sich in der Vergangenheit prozyklisch entwickelt. Die Schlussfolgerung ist klar: Anleger müssen Market Timing betreiben und regelmässig in den passenden Faktor umschichten.

AmW-2-2016-Faktor-IndizesAktives Management ist also nötig. Doch für Anpassungen und Rebalancing fallen hohe Kosten an, zudem besteht die Gefahr, auf die falschen Faktoren zu setzen. Abhilfe schaffen sollen Multi-Faktor-Fonds, die mit einer Kombination eine geglättete Wertentwicklung anstreben.

Bisher gab es für diverse Aktienmärkte solche Vehikel, sowohl auf Einzelfaktoren wie auf Multifaktoren-Fonds. Insbesondere der Indexanbieter MSCI hat für diverse Regionen und Länder unterschiedliche Indizes nach alternativen Konzepten entwickelt. Diese sind wichtig, um neue Vergleichsmöglichkeiten zu erhalten, aber auch für die Finanzprodukteindustrie: Sie kann basierend auf den Kursentwicklungen dieser Barometers entsprechende Produkte anbieten.

In der Schweiz sind Einzel- und Multifaktor-Indizes erst seit September 2016 verfügbar. Die erste Bank, die darauf einen Indexfonds lancierte, war die Credit Suisse. Doch einfach das erstbeste Anlageprodukt zu kaufen, greift zu kurz. Noch bevor sich der Anleger an die Produktselektion wagt, muss er sich klar werden, in welchen Markt er überhaupt investieren möchte.

In einem nächsten Schritt gilt es, den Index zu identifizieren, der diesen Markt umfassend abbildet und dem Rendite-/Risiko-Profil des Anlegers entspricht. Vor allem beim Faktor-Investing ist das Verständnis des entsprechenden Faktors zentral.

Die neuen SPI-Indizes (SPI Premia Indizes) der SIX umfassen die Faktorprämien Value (günstige Titel), Size (kleine Titel), Momentum (systematische Trends), Residual Momentum (titelspezifische Trends), Reversal Premium (Trendumkehr), Low Risk (sichere Titel) und Quality (profitable Titel). All diese Strategien weisen über langfristige Zeiträume hinweg eine Prämie gegenüber dem Schweizer Aktienmarkt auf. Aber aufgepasst: Kurz- bis mittelfristig kann ein einzelner Faktor stark variieren.

Um diesen Umstand zu glätten, hat die SIX einen Index auf alle Faktoren lanciert, den SPI Multi Premia. Die Kombination von SPI-Single-Premia-Indizes hat historisch zu einer robusten Überrendite gegenüber dem marktgewichteten SPI geführt (siehe Grafik oben).

So wird die Indexselektion durchgeführt:

  • Titeluniversum: Als Ausgangslage für jeden der sieben Einzelindizes dient der breit gefächerte SPI, der rund 200 Titel enthält. Dabei handelt es sich um einen dividendenadjustierten Performance-Index, die Dividenden werden bei diesem Barometer also vollumfänglich berücksichtigt. Aus dem SPI werden die 60 grössten und liquidesten Aktien ausgewählt und für jeden dieser sieben Single-Primia-Indizes auf spezifische Eigenschaften untersucht. Dazu wurden unterschiedliche Kriterien festgehalten, die in einem Indexreglement transparent festgehalten sind. Diese Kriterien charakterisieren jeweils die relevante Faktorprämie. Die 30 bestbewerteten Titel kommen letztlich in den Index.
  • Gewichtung: Die meisten Indizes gewichten die Titel nach Marktkapitalisierung. Die SPI-Premia-Indizes weichen, wie die meisten Smart-Beta-Strategien, von diesem üblichen Gewichtungsschema ab. Stattdessen orientiert sich die Gewichtung am Risiko der einzelnen Bestandteile. Somit wird sichergestellt, dass ein hoher Grad an Diversifikation und eine optimale Risiko-Rendite-Effizienz erreicht werden. Dabei werden die Indexgewichte so festgelegt, dass jede Komponente gleich viel zum Risiko des Index beiträgt. Diese Risikoparität bedeutet, dass das Portfolio-Risiko zu gleichen Teilen auf unterschiedliche Risikotreiber (z.B. Index Komponenten oder Sub-Indizes) verteilt wird.
  • Zusammenführung: Zuletzt werden die verschiedenen Subindizes zum SPI-Multi-Premia-Index zusammengelegt. Um alle sieben Prämien breit diversifiziert abzuschöpfen, werden die SPI-Single-Premia-Indizes gemäss Equal Contribution to Tracking Error gewichtet. Dabei werden die Indexgewichte so festgelegt, dass jeder der Einzelindizes gleichviel zum relativen Risiko (Tracking Error) des Index beiträgt. Die Indexrevision wird analog zum SPI jeweils im September durchgeführt, die Anpassung der Titel findet quartalsweise statt.

.

Transparenz

Nebst dem grösseren Performancepotenzial ergeben sich aus einer gleichzeitigen Berücksichtigung der sieben Faktoren in einem gemeinsamen Index weitere Vorteile. Die einzelnen Strategien müssen regelmässig rebalanced werden, das generiert Kosten. Werden nun mehrere Strategien in einen Index verpackt, können die Transaktionen bei Wiederherstellung der ursprünglichen Gewichtung aufsummiert werden, nur die Netto-Aufträge werden ausgeführt.

So können die Transaktionskosten innerhalb des Fonds gesenkt werden. Für alle hier beschriebenen Schritte hat die SIX ein klares Reglement entwickelt. Darin finden interessierte Anleger alle Grundlagen und Berechnungsmethoden. Es wird nicht lange dauern, bis weitere Indexfonds und Exchange Traded Funds auf diese Indizes lanciert werden. Nebst den tiefen Kosten dieser passiven Finanzprodukte ist die Transparenz bei der Zusammensetzung ein grosser Vorteil. Insbesondere bei komplexen Anlageinstrumenten ist sie enorm wichtig.


sentifi.com

Top 10 meistdiskutierte Werte



Kommentar schreiben

  • (will not be published)