Die ETF-Industrie bringt Innovationen am Laufband. Florian Schubiger sieht diese Entwicklungen im ETF-Bereich kritisch.
Text: Barbara KalhammerDie ETF-Industrie lanciert am Laufmeter neue Innovationen. Welchen Mehrwert liefern Produkte wie Smart Beta oder Faktor-ETF wirklich?
Die beiden Strategien sind dem ursprünglichen Gedanken des passiven Investierens noch relativ nahe, auch wenn sie vom traditionellen kapitalisierungsgewichteten Indexkonzept abweichen. Zudem sind Smart-Beta-ETF bei gewissen Anbietern zu sehr tiefen Gebühren zu haben. Sie können ein Portfolio daher durchaus abrunden. Kernanlagen bleiben aber ETF auf grosse, bekannte Indices.
Ist es für die Branche sinnvoll, sich so weit vom ETF-Grundgedanken zu entfernen?
Vor zehn Jahren stand das Kürzel ETF in der Branche für das Credo «einfach, transparent und flexibel». Das hat sich geändert. Wer heute ETF kauft, findet sich im immer intransparenteren Produktedschungel nur mit umfassendem Fachwissen zurecht. Es besteht die Gefahr, dass die ETF-Branche mit dem Trend zu mehr Komplexität ihren hervorragenden Ruf aufs Spiel setzt. Gehebelte, aktiv verwaltete oder andere neue und zunehmend intransparentere ETF-Formen verwässern den Grundgedanken des passiven Anlegens. Verstärkt sich der Trend, dass immer mehr komplexe und zunehmend intransparentere Produkte unter dem Label ETF lanciert werden, sind früher oder später Negativschlagzeilen vorprogrammiert.
Wie gehen Sie als Vermögensverwalter mit solchen Innovationen um?
Eine grosse Produktvielfalt ist grundsätzlich zu begrüssen, sie fördert den Konkurrenzdruck zwischen den Anbietern. Entscheidend ist, dass man neue Trends kritisch analysiert, und trotz neuer Möglichkeiten nur Produkte einsetzt, deren Risikostruktur in jeder Marktlage nachvollziehbar ist. Wer nur in Anlageinstrumente investiert, die er bis ins letzte Detail versteht, hat beim Geldanlegen schon vieles richtig gemacht. Das gilt für professionelle Investoren genauso wie für Privatanleger.
Können solche ETF überhaupt in ein Portfolio integriert werden?
ETF mit einer transparenten Risikostruktur können auf andere Bestandteile eines Wertschriftendepots abgestimmt werden und lassen sich durchaus in ein Portfolio integrieren. Es stellt sich aber die Frage, ob es sinnvoll ist, ein Depot stark auf kurzfristige Börsenentwicklungen auszurichten. Wer zu aktiv investiert, kann sich bei der Beurteilung von Trends auch irren. Was dann bleibt, sind eine schlechte Rendite und zusätzlich hohe Kosten für trendige Produkte sowie häufiges Umschichten.
Die ETF-Selektion ist bereits jetzt sehr anspruchsvoll. Was muss bei den neuen Produkten zusätzlich berücksichtigt werden?
Durch die Fülle an Möglichkeiten ist es schwieriger geworden, sich zur Erreichung eines Anlageziels einen umfassenden Produktüberblick zu verschaffen. Bei unserem Selektionsprozess von Anlageprodukten sind bereits seit vielen Jahren Transparenz, Diversifikation und tiefe Gesamtkosten die wichtigsten Kriterien. Zahlreiche neulancierte «Trend-ETF» fallen beim Kostenkriterium bereits durch oder haben in Punkto Transparenz ein Manko. Langfristig am besten fährt, wer breit diversifiziert und mit möglichst tiefen Kosten in transparente Produkte investiert. Dabei wird man um ETF, welche das alte Credo weiterhin kompromisslos verfolgen, nicht herumkommen.
Florian Schuber ist Mitgründer und Geschäftsführer von VermögensPartner AG