Haupttreiber von DeFi war ein Token-Spekulationskreislauf. Diese Protokolle wurden genutzt, um Tokens zu Spekulationszwecken herauszugeben. Mit der inzwischen in Gang gekommenen Einführung von Real-World-Assets auf DeFi-Plattformen könnte sich das schon bald ändern. Stehen also reale Vermögenswerte in DeFi kurz vor dem Durchbruch?
Gastbeitrag von Invesco Asset Management (Schweiz) AG
DeFi, kurz für Decentralized Finance, hat die Welt im Sturm erobert. Auf dem Radarschirm der Finanzexperten ist das Konzept der Finanzdienstleistungen, die über eine dezentrale Plattform (Blockchain) abgewickelt werden, erst vor wenigen Jahren aufgetaucht. Seither hat das neue Phänomen jedoch bereits mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen.
Die ersten Iterationen haben eindrucksvoll belegt, was «permissionless smart contracts» – intelligente Verträge, die auf offenen Blockchains basieren – im Finanzbereich leisten können. Haupttreiber von DeFi 1.0 war jedoch ein Token-Spekulationskreislauf. DeFi-Protokolle wurden genutzt, um Tokens zu Spekulationszwecken herauszugeben. Mit der inzwischen in Gang gekommenen Einführung von Real-World-Assets (RWAs; reale Vermögenswerte) auf DeFi-Plattformen könnte sich das schon bald ändern.
Zirkularität hat DeFi das Genick gebrochen
Seit DeFi im Sommer 2020 aufkam, hat sich das Konzept dank vielfältiger Anwendungsmöglichkeiten als sehr leistungsstark erwiesen. Sowohl individuelle als auch institutionelle Nutzer haben sich auf diese Weise Zugang zu einer Vielzahl von Dienstleistungen wie Kreditvergabe und -aufnahme, Verwaltung digitaler Vermögenswerte, Staking und Margenhandel verschafft.
Viele Marktteilnehmer schätzen die einzigartigen Vorteile von DeFi wie Programmierbarkeit, Transparenz, Unveränderlichkeit, Genehmigungsfreiheit und Interoperabilität. Der Total Value Locked (TVL)4 von DeFI-Protokollen auf Ethereum, das heisst die Anzahl der in diesen Protokollen aktuell abgesicherten Vermögenswerte, ist von Januar 2020 bis Januar 2022 von 934 Millionen USD auf 77 Milliarden USD angewachsen – also um 8144%.
Aber wie bei allen technologischen Innovationen stösst die erste Iteration im Allgemeinen irgendwann an ihre Grenzen. Die fehlende Tragfähigkeit von DeFi wurde gegen Ende des Jahres 2021 immer deutlicher und war in der vorwiegend zirkulären und spekulativen Natur der Aktivitäten begründet.
DeFi war ein grosses Betriebssystem, angetrieben von Krypto-Tokens, einer Art Hülle für andere digitale Vermögenswerte. «Yield Farmer», die durch geschickte Transaktionen im DeFi-Umfeld Renditen «ernten», gaben Krypto-Tokens heraus und brachten diese dann in einen neuen Liquiditätspool ein, nur um weitere Tokens auszugeben. Eine Verbindung zur realen Welt gab es kaum.
Zeit für die Verbindung von Real-World-Assets und DeFi
Das dürfte sich schon bald ändern. Die Chancen stehen gut, dass dezentrale Finanzanwendungen zunehmend auch Transaktionen mit realen Vermögenswerten ermöglichen, in diesem Zusammenhang als Real-World-Assets (RWAs) bezeichnet. Bis 2022 gab es für DeFi-Protokolle keine grossen Anreize, RWAs einzuführen, da sie in den zwei Jahren zuvor mit den Yield-Farming-Spekulationen gut verdient hatten.
Seither sind die Preise für digitale Vermögenswerte jedoch gesunken und es gibt kaum noch Yield-Farming-Möglichkeiten. Das hat die Spekulationsfreude der Anleger gedämpft. Sehr deutlich wurde das im Januar 2022, als die Kapitulation von Krypto-Walen – Anlegern, die eine grosse Anzahl von Kryptowährungen oder Tokens besitzen – die Kryptowährung OHM abstürzen liess. OHM ist der native Token von Olympus DAO, einem Projekt, das als Paradebeispiel für DeFi 2.0 gepriesen wurde und Nutzer anlockte, die während dieser sogenannten DeFi 2.0-Saison im Jahr 2021 hohe jährliche Erträge (APY – annual percentage yield) einfahren wollten.
Die rückläufigen DeFi-Renditen haben auch zu einem deutlichen Rückgang des TVL von DeFi-Protokollen geführt. So ist der Total Value Locked von Ethereum von Anfang 2022 bis Mitte August 2022 auf rund 39 Milliarden USD gefallen. Daher ist der Anreiz für DeFi-Protokolle, neue Einnahmequellen aufzutun, aktuell größer denn je – und der Ort, an dem neue, nachhaltigere Renditen erzielt werden können, scheinen reale Vermögenswerte zu sein.
Was sind Real-World-Assets?
Um zu verstehen, welche Art von RWAs es auf die Blockchain schaffen, muss man nicht sehr weit schauen. Fiat-Währungen7 in Form von Stable Coins sind die populärsten RWAs und verzeichnen ein erstaunlich schnelles Wachstum. Wie eine im Juni 2022 veröffentlichte Binance-Untersuchung zeigt, ist die Marktkapitalisierung von Stable Coins8 von Januar 2020 bis Januar 2022 um mehr als 3.000% gestiegen.
Die mit Abstand bekannteste tokenisierte Fiat-Währung ist der US-Dollar. An den USD gebundene Stable Coins wie USDC, BUSD und USDT werden stark nachgefragt, während andere Fiat-Währungen wie EUR, GBP, CAD, AUD und HKD nur langsam aufholen und auf die Blockchain gebracht werden. Der Stable Coin Euro Coin zum Beispiel ist zu 100% mit Euro unterlegt und kann jederzeit im Verhältnis 1:1 eingelöst werden. Physisches Gold ist ein weiteres Real-World-Asset, das in Form von mit Rohstoffen unterlegten Stable Coins tokenisiert worden ist.
Neben Fiat-Währungen und Rohstoffen können auch Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien, Wertpapiere, Unternehmensanleihen und Staatsanleihen durch Tokenisierung auf die Blockchain gebracht werden. Société Générale, eine der größten französischen Banken, hat bereits Anleihen auf der Ethereum-Blockchain tokenisiert. Ein weiteres Beispiel ist das Schweizer Unternehmen RealUnit, dessen Aktien jetzt auch als Token auf der Ethereum-Blockchain gehandelt werden können.
Die Vorteile der Tokenisierung realer Vermögenswerte
Kritiker bemängeln, dass On-Chain-RWAs – auf Blockchain-Plattformen gehandelte reale Vermögenswerte – nicht den Idealen des ursprünglichen Krypto-Ethos entsprechen, weil sie nicht völlig „trustless“ sind – was bedeutet, dass die Nutzer sich weder kennen noch vertrauen müssen. Trotzdem eröffnen sich durch die Verbindung realer Vermögenswerte mit der Blockchain mehrere Vorteile. Dazu gehören:
- Sie sind für Menschen ohne Bankverbindung leichter zugänglich; das vergrössert den adressierbaren Markt für Emittenten von Real-World-Assets.
- Durch sie ergeben sich zusätzliche Einnahmequellen für einen größeren Markt.
- Es besteht ein hohes Mass an Transparenz in Bezug auf die Verwendung der Vermögenswerte und das Marktrisiko.
- Sie bieten eine hohe Kombinierbarkeit mit anderen neuen grundlegenden Finanzelementen.
Mit der unweigerlich bevorstehenden Regulierung von DeFi werden Vorstöße in Bezug auf die Tokenisierung realer Vermögenswerte zunehmend auf einem soliden regulatorischen Fundament stehen. Das sollte das Wachstum dieses Marktes fördern und die Vereinnahmung der genannten Vorteile ermöglichen.
Beispiele von DeFi-Protokollen
Was die Verbindung von RWAs mit DeFi angeht, stechen einige Protokolle, die bei der Einführung von Real-World-Assets eine führende Rolle spielen, als besonders fortschrittlich heraus:
MakerDAO
MakerDAO, eine Plattform für besicherte Kredite auf Ethereum, hat RWAs in Form von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Immobilien, gewerblichen Krediten und Rechnungen in seine Plattform eingebunden. Trotz der Komplexität der Verwaltung und Tokenisierung von Off-Chain-Vermögenswerten und der Kosten für die Einrichtung zusätzlicher Infrastruktur wie sogenannten Preisorakeln, die für die Bereitstellung der Bewertungskennzahlen von Off-Chain-Vermögenswerten entscheidend sind, leistet das Protokoll in dieser Hinsicht Pionierarbeit. Erstaunlich ist, dass die RWAs auf Maker im Juli 2022 bereits 10% der Einnahmen des Protokolls ausmachten, „bei einem Anteil von nur 1% des TVL,“ wie Messari berichtete.
MakerDAO hat vor Kurzem Pläne für ein DAI-Darlehen in Höhe von 100 Millionen US-Dollar an die in Pennsylvania ansässige Bank Huntingdon Valley genehmigt. Im Gegenzug wird die Bank Sicherheiten in Form von RWAs wie gewerbliche Immobilienkredite, Verbraucherkredite und Wohnimmobilienkredite stellen. Wie bereits erwähnt, hat MakerDAO einen weiteren Antrag genehmigt, der Société Générale 30 Millionen DAI-Tokens zu leihen. Im Gegenzug wird das Unternehmen OFH-Tokens als Sicherheiten stellen. OFH-Tokens sind auf EUR lautende besicherte Anleihen mit einem AAA-Rating von Moody’s und Fitch.
Aave
Das dezentrale Finanzprotokoll Aave ermöglicht den auf seiner Plattform tätigen Kreditgebern und -nehmern künftig auch Transaktionen mit Real-World-Assets. Aave hat in Kooperation mit Centrifuge einen RWA-Markt aufgebaut, der im Dezember 2021 an den Start gegangen ist. Centrifuge gibt RWAs als tokenisierte Vermögenswerte auf Ethereum heraus, um die Lücke zwischen traditionellen Finanzdienstleistungen und DeFi zu schließen. Tinlake ist der dezentrale Marktplatz von Centrifuge, der es Asset Originators – d.h. den Besitzern der Kreditforderungen – ermöglicht, das Eigentum an diesen RWAs weiter zu demokratisieren, indem sie Anteile an jedem RWA-Pool an DeFi-Investoren verkaufen.
Der RWA-Markt wurde mit sieben Pools (Märkten) gestartet und bietet Anlegern die Möglichkeit, Einlagen in USDC (an den USD gebundene Stable Coins) zu tätigen. Damit können sie Renditen aus mehreren Märkten erzielen und nicht nur einem. Zuvor konnten Nutzer nur Kredite vergeben, die mit Krypto-Assets unterlegt waren. Der RWA-Markt erlaubt es ihnen nun, Kredite auf Grundlage stabiler realer Sicherheiten zu vergeben. Da es sich um geschlossene Pools handelt, müssen Nutzer vor dem Beitritt die KYC-Prüfung durchlaufen. KYC steht für „Know Your Customer“ und bezeichnet die Legitimationsprüfung von Neukunden zur Verhinderung von Geldwäsche.
Die sieben Märkte auf Tinlake sind:
- Branch: Verbraucherkredite in Schwellenländern
- New Silver: Überbrückungskredite für Immobilienfinanzierungen
- Database.Finance: Markenbestandsfinanzierung
- Fortunian: Revenue-Based Financing (Wachstumskapital ohne Verwässerung)
- Harbor Trade Credit: Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
- Cauris Global Fintech: Fintech-Fremdkapitalfinanzierung
- ConsolFreight: Fracht- und Speditionsrechnungen
Der RWA-Markt ermöglicht es diesen Unternehmen, ihre tokenisierten realen Vermögenswerte mithilfe von Krypto zu finanzieren.
Diese Beispiele zeigen: Real-World-Assets in DeFi eröffnen Unternehmen Zugang zu einem neuen Kreditmarkt, dessen Kredite aufgrund der zugrunde liegenden Smart-Contract-Infrastruktur für die Kreditnehmer letztlich günstiger sein könnten. Umgekehrt profitieren DeFi-Investoren von einer stabilen Renditequelle in volatilen Märkten. Damit handelt es sich hier um eine mögliche Win-Win-Situation, was ein kontinuierliches Wachstum der Verbindung von Real-World-Assets und DeFi erwarten lässt.
Glossar
Was ist die Blockchain? – Eine Blockchain ist einfach ein elektronisches Hauptbuch, das Transaktionen und Salden in einem bestimmten System aufzeichnet. Die Technologie ermöglicht eine effiziente Aufzeichnung des Transfers von Währungen, Vermögenswerten oder Informationen zwischen mehreren Teilnehmern. Diese Sammlung von Aufzeichnungen ist für alle Blockchain-Teilnehmer überprüfbar und stellt eine permanente, einheitliche Version der Wahrheit dar, so dass keine zentrale Behörde für den Abgleich erforderlich ist.
Staking stellt eine Möglichkeit dar, durch das Halten von bestimmten Kryptowährungen Rewards zu verdienen. Dabei setzen Krypto-Halter ihre Coins dazu ein, die Blockchain fortzuschreiben – im Gegenzug erhalten sie eine Belohnung.
Total Value Locked (TVL) ist eine Kennzahl, die den Gesamtwert aller Krypto-Assets misst, die in Decentralized Finance (DeFi)-Protokollen über Smart Contracts gesperrt sind.
Yield Farming beschreibt eine Strategie, die es Menschen ermöglicht, einen fixen oder variablen Zins zu erhalten, indem sie in einen DeFi-Markt investieren.
Wesentliche Risiken
Der Wert einer Anlage und die Erträge hieraus können sowohl steigen als auch fallen und es ist möglich, dass Anleger den ursprünglich angelegten Betrag nicht zurückerhalten.
Wichtige Informationen
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Stand der Daten: 22. August 2022, sofern nicht anders angegeben.
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Herausgegeben in Deutschland und Österreich durch Invesco Asset Management Deutschland GmbH, An der Welle 5, 60322 Frankfurt am Main, Deutschland. Herausgegeben in der Schweiz durch Invesco Asset Management (Schweiz) AG, Talacker 34, CH-8001 Zürich, Schweiz.
EMEA 2408952/2022