Renditeoase Frontier Markets

Die Schwellenländer der zweiten Reihe überzeugten in den vergangenen Jahren mit hohen Renditen. Viele Anleger meiden sie jedoch aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Risiken – ein Fehler.

Text: Rino Borini / Barbara Kalhammer

Noch vor wenigen Jahren spielten die wenigsten Anleger ernsthaft mit dem Gedanken, in Staaten wie Bangladesch, Nigeria, Kasachstan oder den Oman zu investieren. Doch die tiefen Zinsen in den industrialisierten Märkten treiben Renditesuchende vermehrt in diese exotischen Märkte. Bekannt als «Frontier Markets» oder «Next 11» sind sie bereits bei einigen Produktanbietern angekommen – doch von Anleger- und Analystenseite erhalten sie noch eine vergleichsweise geringe Beachtung.

Dies zu Unrecht, haben sie doch in den letzten drei Jahren mit hohen Renditen überzeugt. Mit über zehn Prozent generierten diese Länder im Durchschnitt zehn Mal höhere Renditen als die bekannten Emerging Markets. Der MSCI Frontier Markets stieg auch in diesem Jahr um über 17 Prozent. Damit schlug der Index, in dem Aktien unter anderen aus Argentinien, dem Oman,Rumänien, Nigeria oder Kasachstan vertreten sind, die klassischen Schwellenländer mit einem Wachstum von acht Prozent deutlich.

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Investoren sehen langfristiges Potenzial

Die gute Entwicklung hat in den vergangenen Monaten viele ausländische Investoren angelockt», sagt Roy Scheepe,Anlageexperte von ING Investment Management. Seit Jahresbeginn hätten ausländische Fonds bereits mehr als 2,2 Milliarden Dollar in Frontier-Märkte investiert. Scheepe geht davon aus, dass viele dieser Grossinvestoren das langfristige Potenzialder aufstrebenden Staaten sehen und nicht nur auf kurzfristige Renditegewinne abzielen.

Zu diesen Investoren zählt beispielsweise der gigantische Staatliche Pensionsfonds des Königreichs Norwegen, der etwa 1,3 Prozent sämtlicher Aktien weltweit hält. In den letzten Jahren erreichte der Fonds seine Zielrendite von vier Prozent jedoch nicht mehr, was beim norwegischen Staat für fehlende Einnahmen sorgte. Um mehr Rendite zu generieren, setzt der Fonds vermehrt auf Risiko und investiert seit dem ersten Quartal diesen Jahres in Kroatien, Jordanien, Kenia, Rumänien, Katar, den Oman, die Slowakei, Tunesien und Vietnam.

Vielfältige Pro-Argumente

Doch worin liegt genau das Potenzial dieser Nationen? «Sie sind die nächste Generation der Emerging Markets und werden deren Wachstumspfad folgen», erklärt Scheepe. Da sich die Länder in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung befinden, werden ihnen für die nächsten Jahre hohe Wachstumsraten prognostiziert. Die Schätzungen liegen je nach Region oder Nation zwischen fünf und knapp sechs Prozent pro Jahr. Die Gründe für das starke Wachstum sind vielfältig.

«EmergingMarkets verfügen über die demografische Dividende», sagt Scheepe. Das bedeutet, sie haben einen hohen Bevölkerungsanteil an jungen und arbeitenden Menschen. Gemäss Theorie hat dies zur Folge, dass sich die Lohnsteigerungen im Rahmen halten. In Kombination mit den erhöhten Steuereinnahmen bedeutet dies für Investoren ein noch grösseres Renditepotenzial.

Da die Arbeitnehmer zudem weniger Senioren und Kinder zu versorgen haben, steigen die Sparraten, was wiederum neue Investitions- und Konsummöglichkeiten eröffnet. Die aufstrebenden Märkte profitieren zudem von einer wachsenden Produktivität durch hohe ausländische Direktinvestitionen, relativ tiefe Schuldenlevels und Leistungsbilanzüberschüsse. Des Weiteren sind sie weniger anfällig für globale Entwicklungen, sondern zeigen ihr eigenes Momentum, sagt Portfoliomanager Scheepe.

Doch auch diese Medaille hat zwei Seiten: Insgesamt sind die politischen und makroökonomischen Risiken grösser und die Märkte weniger transparent. «Die bislang relativ kleinen und unterentwickelten Ökonomien könnten ausserdem durch ein Rückgang der Rohstoffpreise stärker in Mitleidenschaft gezogen werden», warnt Scheepe.

Breite Diversifikation ist entscheidend

Für Anleger auf Renditesuche sind die Frontier Markets besonders interessant, weil sie eine geringe Korrelation zu den westlichen Kapitalmärkten aufweisen und gleichzeitig attraktiv bewertet sind. Allerdingsmuss dabei berücksichtigt werden, dass die Titel deutlich volatiler sind und über eine geringere Liquidität verfügen. Insgesamt machen sie weniger als zehn Prozent der Gesamtkapitalisierung der Schwellenländermärkte aus. Um die Risiken zu streuen, ist eine breite Diversifizierung entscheidend.

Um von den Wachstumschancen der aufstrebenden Märkte zu profitieren, ist es ratsam, nicht nur in einzelne Titel zu investieren. Das Produktangebot im ETF-Bereich ist bislang noch klein, was mit der geringen Liquidität der Märkte zusammenhängen dürfte. Das Ziel müssen Produkte sein, die zum einen dem gegenwärtigen Investorenbedarf gerecht werden und zum anderen operativ darstellbar sind und nachhaltig am Markt platziert werden können.

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Derzeit sind in der Schweiz zwei verschiedene ETF auf den breit gefassten MSCI Frontier Markets zugelassen. Um direkt in einzelne Nationen zu investieren, fehlen jedoch noch einige Bausteine. Einzig Vietnam ist hierzulande mittels börsengehandelten Indexfonds investierbar. Wer dagegen Risiken in Ländern wie Bangladesch, Kuwait, Pakistan oder Nigeria eingehen will, muss über die Landesgrenzen hinaus Ausschau halten.

Der Ausblick ist gut

Grösser ist das Spektrum im Fondsbereich. Aktive Anlagefonds verfügen über den Vorteil, dass die Manager im Notfall rasch auf Verwerfungen reagieren können. Zudem sollten sie, zumindest in der Theorie, in weniger effizienten Märkten ein Renditeplus liefern, das über einem vergleichbaren Marktindex liegt. Aber auch in diesem Segment haben sich bis dato aggregierte Frontier-Markets-Lösungen durchgesetzt, also Fonds, die in verschiedene Frontier Märkte investieren.

Klassische Länderfonds sind dagegen rar gesät. Einzig Vietnam scheint in der Gunst der Anleger weit oben zu stehen, denn hier gibt es sowohl bei aktiven wie auch passiven Fonds eine Handvoll Anlagelösungen mit teilweise dreistelligem investiertem Vermögen. Portfoliomanager Roy Scheepe hingegen favorisiert klar die Anleihenmärkte. Sie seien derzeit attraktiv bewertet und versprächen Renditen von bis zu knapp sieben Prozent.

Viele Investoren sähen bei den Staaten nur die Gefahren, doch die Fundamentaldaten seien stabil und die Wachstumsaussichten intakt. Durch Wahlen in einigen Ländern hätten sich auch die politischen Unsicherheiten reduziert. «Der Ausblick ist gut», ist Scheepe überzeugt.


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