Mojmir Hlinka schreibt über berechtigte und unberechtige Ängste an den Finanzmärkten.
Anleger treffen in unsicheren Börsenzeiten oft die falschen Entscheidungen, wenn sie das Minus bei der Performance sehen. Die Marktpsychologie aber sagt: Verluste mögen schmerzen. Dabei ist es die Furcht vor Verlusten, die schmerzen sollte. Wer verliert denn schon gerne Geld?
Leider ist die derzeitige Lage an den Börsen so, dass im laufenden Jahr so manches Anlageportfolio ins Minus gefallen ist. Dabei werden Investoren bombardiert mit Nachrichten zur unsicheren Welt- und Wirtschaftslage rings um den Globus – und treffen oft die falschen Entscheidungen.Bereits 1844 beschrieb Alexandre Dumas in «Der Graf von Monte Christo» die Irrationalität französischer Investoren. Als die Französische Revolution ausbrach, herrschte grosse Angst, sie könne Spanien erfassen. Die Investoren warfen spanische Anleihen zu Spottpreisen auf den Markt, nur um diese kurze Zeit später wieder bei den Hochständen zu sehen.
Ob auch wir bald wieder Höchststände sehen werden? Als Investor muss man – auch im Sinne seiner Kunden – immer damit rechnen. Doch derzeit halten es Anleger wohl eher mit dem Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud, der da sagte: «Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden, als Freude zu gewinnen.» Ich habe mich neulich bei einem Kunden nach seinem Befinden erkundigt. Er antwortete: «Es ist nicht gerade berauschend, wenn man Geld verliert.»
Ich stimme dem zu – in der Momentaufnahme. Bei AGFIF International verwalten wir das ausgewogene Depot dieses Kunden seit Beginn des Jahres 2014. Zusammen gingen wir die Jahresabschlüsse durch: 2014 erzielte sein Depot netto eine Performance von 7 Prozent, 2015 waren es 4 Prozent, 2016 8 Prozent und 2017 schliesslich 16 Prozent. Im laufenden Jahr liegt die Performance bei minus 4 Prozent. Seit Beginn 2014 legte der SMI bis heute rund 8 Prozent, seit Anfang 2018 verlor er 7 Prozent.
Der Kunde zeigte sich nach dieser Performanceanalyse erstaunt – er hatte die Jahre mit überdurchschnittlichen Renditen schlicht verdrängt. Mir wurde einmal mehr klar, wie eng das klassische Fehlverhalten von Anlegern, Verlustaversion und das Referenzpunktdenken Hand in Hand gehen. Die Verlustaversion spricht für sich: Sie führt dazu, das Verluste deutlich mehr schmerzen, als Gewinne Freude bereiten. Dabei wird auch der emotionale Effekt des Referenzpunktdenkens evident: Selbst die deutliche Outperformance der Jahre 2014 bis 2017 kompensiert die Missstimmung in diesem Jahr nicht. Der Grund: Unsere Psyche definiert den Referenzpunkt nicht, sie tätigt eine Momentaufnahme und orientiert sich am Höchststand des Depots zu Beginn 2018. Dabei wäre es rational korrekt, den Beginn des Jahres 2014 als Referenzpunkt zu wählen.
Als Investor darf man eine momentane Unsicherheit nicht zum Anlass nehmen, seine Strategie über den Haufen zu werfen. Das kann sehr teuer werden und den Schmerz deutlich verstärken. An der rationalen Alternativlosigkeit von Aktieninvestments hat sich nichts geändert, genauso wenig wie an unserer Strategie, auf substanzstarke Unternehmen zu setzen, die konstant eine Dividende bezahlen. Denn lassen Sie sich von einem Marktpsychologen gesagt sein: In schlechten Börsenzeiten ist die Stimmung der Anleger immer schlechter als die fundamentalen konjunkturellen Daten und Aussichten.
*Mojmir Hlinka ist Direktor AGFIF International AG