Smart-Beta-ETF sind in aller Munde, doch wie schlagen sich die Produkte in der Praxis? Dieser Frage geht Alex Hinder in seiner Kolumne nach.
Während Smart-Beta-ETF in den USA bereits 25 Prozent der ETF-Anlagen ausmachen, sind sie in Europa viel weniger verbreitet. Die meisten Produkte sind im Aktienbereich zu finden. Die Aktien werden bei solchen Fonds – anders als bei ETF üblich – nicht nach Börsenwert beziehungsweise Marktkapitalisierung gewichtet, sondern nach Faktoren wie Firmenumsatz, Qualität, Aktienkurs-Volatilität oder Momentum.
Mehr als 60 Prozent des Volumens der Smart-Beta-Fonds konzentriert sich auf Dividendenstrategien sowie Value- und Growth-Ansätze. Derzeit noch klein, dafür aber rasch wachsend, sind «Minimum Volatility» und «Multi-Factor».
Letztlich handelt es sich bei Smart-Beta-ETF um regelbasierte aktive Fonds. Es gibt zwei Hauptunterschiede zu klassischen, aktiv verwalteten Fonds: Erstens erfolgen die Gewichtungen der einzelnen Aktien rein mechanisch nach fest definierten Kriterien, zweitens sind diese Produkte deutlich günstiger.
Wir haben in unserem Newsletter die Smart-Beta-Strategien einer detaillierten empirischen Analyse unterzogen. Auf historischer Basis seit dem Jahr 2000 haben die in den Smart-Beta-ETF meistverwendeten Strategien den Marktindex deutlich übertreffen können – allerdings ohne Berücksichtigung der Transaktionskosten. Längerfristig sind die Ergebnisse weniger überzeugend. Es gibt sehr lange Perioden mit einer schlechteren Rendite als diejenige des Marktindexes. Letztlich muss der Investor eine Meinung haben, weshalb eine bestimmte Strategie im Rahmen seines Anlagehorizonts eine Zusatzperformance erzielen soll.
Ein Teil der Mehrrendite ist darauf zurückzuführen, dass die durchschnittliche Aktienbewertung in den Smart-Beta-Strategien relativ zum Marktindex in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Beispielsweise haben Minimum-Volatility-Strategien heute ein um 50 Prozent höheres Verhältnis von Kurs zu Buchwert als der breite Markt. Ende der 1990er-Jahre lag es um gut zehn Prozent tiefer als der Markt.
Der Trend der (relativen) Höherbewertung wird in Zukunft kaum so weitergehen. Es muss damit gerechnet werden, dass die in historischen Simulationen nachgewiesene Zusatzperformance weniger hoch sein oder gar verschwinden wird. Smart-Beta-ETF weisen sehr hohe Abweichungen (Tracking Error) in der Wertentwicklung im Vergleich zum Marktindex auf. Diese liegen alle über drei Prozent; der Momentum Faktor weist sogar einen Tracking Error von acht Prozent auf. Eine Abweichung der Performance relativ zum breiten Index um sechs Prozent ist dementsprechend kein Ausnahmeereignis, sondern ein im Rahmen der Erwartungen liegendes Resultat.
Die Produkte sind wesentlich komplexer als «normale» ETF. Das Verständnis für die Logik und die Qualität der Strategie ist sehr anspruchsvoll und aufwändig. Es sind interessante Produkte, die vor allem aktiv verwaltete Fonds unter enormen Druck setzen könnten. Die Vorstellung aber, dass mit diesen ETF in jedem Fall eine Zusatzperformance erzielt werden kann, ist naiv und wird zu Enttäuschungen führen. Der Begriff Smart Beta ist dementsprechend eine Fehlbezeichnung. Style- oder Faktorbeta wären wesentlich geeignetere Begriffe. Die grossen Versprechungen der Smart-Beta-Industrie erinnern gefährlich an die vor zehn Jahren populären «Absolute Return»-Produkte.