Der Dow Jones Index ist der berühmteste und älteste Aktienindex der Welt. Doch für ein realistisches Stimmungsbild der US-Wirtschaft taugt er nicht. Ein solches ermöglichen der S&P 500 und der Nasdaq, doch die hohe Konzentration der Technologiewerte birgt auch Gefahren.
Text: Rino Borini«Wetten sie niemals gegen Amerika», meinte der amerikanische Milliardär und Investor Warren Buffett inmitten der Coronakrise. Der 90-jährige Starinvestor hat bereits diverse Krisen hautnah miterlebt und weiss darum um die Stärke seines Heimatlandes. Die USA würden nach Krisen immer wieder auf den Erfolgspfad zurückfinden, wobei die Wirtschaft jeweils stärker wachse als zuvor. Wer diese Ansichten teile, könne weiter auf auf eine positive Entwicklung der US-Wirtschaft setzen, so Buffett an der Generalversammlung seiner Beteiligungsfirma Berkshire Hathaway.
Um amerikanische Titel kommen Aktienanleger nicht herum, da die USA den mit Abstand grössten Aktienmarkt haben: Er umfasst rund 55 Prozent der globalen Aktienmarktkapitalisierung. Weit abgeschlagen folgen Japan mit 7,7 Prozent und Grossbritannien mit 5,1 Prozent. Auch bezüglich Renditen trumpfen die USA auf: Von 1900 bis 2019 konnte der US-Markt im Durchschnitt eine reale Jahresrendite von 6,5 Prozent generieren, während der Weltmarkt 5,2 Prozent erzielte, wie dem aktuellen Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook zu entnehmen ist.
Diese Stärke ist auch der Grund, dass die Schweizerische Nationalbank im grossen Stil in US-Aktien investiert: Alleine ihr US-Portfolio hat einen Wert von 120 Milliarden. Die SNB selbst betreibt jedoch kein Stockpicking, wie sie schreibt. Sie bewirtschaftet das Portfolio ausschliesslich passiv, indem breite Marktindizes abgebildet werden.
Unterschiedliche Indizes
Das wichtigste US-Stimmungsbarometer ist der S&P 500, auch wenn sich die Berichterstattung der Medien meist auf den Dow Jones Industrial bezieht. Der Dow Jones wird seit 1896 berechnet, er ist das älteste Börsenbarometer der Welt. Der grosse Kritikpunkt: Der Index folgt keinem klaren Regelwerk, umfasst nur 30 Einzeltitel und liefert darum kein adäquates Abbild der US-Börsen – und schon gar nicht der US-Wirtschaft. Die 30 Mitglieder werden heute noch vom Wall Street Journal bestimmt. Dazu kommt, dass die Überprüfung der Zusammensetzung nicht zu fixen Zeitpunkten erfolgt, sondern nach Gutdünken der Kommission.
Auch die Berechnungsmethode wirft Fragen auf. Der Dow Jones wird als preisgewichteter Index berechnet, der Indexwert wird also aufgrund der Aktienkurse der enthaltenen Unternehmen ermittelt. Somit werden Aktien mit einem hohen Kurs stärker gewichtet als solche mit einem niedrigen Kurs. Die Übergewichtung von Aktien mit zahlenmässig hohem Wert ist der Grund, warum sich das Barometer in der Finanzwelt nicht durchgesetzt hat.
Deutlich besser aufgestellt ist der S&P 500. Aufgrund seiner Marktbreite gilt der S&P 500 als das Stimmungsbild für den US-Aktienmarkt. Er ist in der Finanzwelt das am häufigsten verwendete Aktienbarometer und auf ihm basieren auch die meisten Indexprodukte. Wie es der Name suggeriert, umfasst er 500 US-Unternehmen. Somit repräsentiert der S&P 500 rund 75 Prozent des US-Marktes.
S&P, Nasdaq oder Dow Jones im Vergleich
Nie dagewesene Konzentration
ETF auf den S&P 500 ermöglichen es Anlegern, ihr Vermögen über etliche Firmen und Branchen zu streuen. So sind sie weniger abhängig von einzelnen Aktienkursen, so der Grundtenor. Doch das ist falsch. In Wirklichkeit sind es ein paar wenige Unternehmen, die das Schicksal dieses riesigen Index bestimmen: Fünf Konzerne (ein Prozent) machen knapp 20 Prozent der Kapitalisierung aus. Eine derart starke Konzentration auf nur fünf Titeln gab es in der Geschichte der US-Börse noch nie.
Doch es kommt noch dicker: Die fünf Konzerne stammen aus derselben Branche. Es handelt sich wenig überraschend um die Techgiganten Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Facebook. Mit Ausnahmen von Facebook liegt ihr Börsenwert bei jeweils über einer Billion Dollar.
Die Indexkomponenten und die Branchengewichtung haben sich mit den Jahren stark verändert (siehe Grafik), die Dominanz der zehn grössten Werte hat sich laufend erhöht: 2010 bestimmten die Top-10 rund 23 Prozent des Gesamtindex, aktuell sind es fast 30 Prozent. Interessant ist, dass die dominierenden Techgiganten im Dow Jones mehrheitlich fehlen. In diesem sind lediglich Apple und Microsoft enthalten.
Tech, Tech, Tech
Der dritte wichtige Index, der Nasdaq 100, ist gleichzeitig der jüngste: 1985 wurde der Handel aufgenommen. Er repräsentiert die grössten Unternehmen ausserhalb der Finanzbranche, die an der Nasdaq-Börse notiert sind. Da technologiebasierte Firmen ein grosses Gewicht halten, gilt der Nasdaq 100 als Technologie-Index.
Das bemerkenswerte Wachstum, das der Technologiesektor im letzten Jahrzehnt gezeigt hat, lässt sich mit dem Performanceabstand zwischen Nasdaq 100 und S&P 500 darstellen. In den 2010er-Jahren legten die FAANGM-Aktien um ein Vielfaches zu. Facebook wurde führend im Bereich der sozialen Medien, Amazon im Online-Handel, Apple im Bereich Consumer Technology, Netflix im Bereich Video-Streaming, Google bei Suchmaschinen und Online-Werbung, Microsoft im Hardware- und Softwarebereich. Zwar sind diese Aktien in beiden Barometern vertreten, aber unterschiedlich stark. Im Nasdaq 100 beträgt ihr Anteil 48 Prozent, im S&P 500 sind es 23 Prozent.
Aufgepasst vor Klumpenrisiken
Unterschiede bestehen auch beim Marktrisiko. Am zuverlässigsten ist der Dow Jones, der Nasdaq 100 ist aufgrund seines beträchtlichen Zugangs zu wachstumsstarken Tech-Aktien am volatilsten. Der S&P 500 ist – trotz Dominanz der Techgiganten – irgendwo dazwischen. Dieses Verhalten zeigte sich auch während der Dotcom-Blase. Ab 1999 kam es zu einem starken Anstieg der Tech-Aktien, worauf sich die Differenz zwischen Nasdaq 100 und S&P 500 verzehnfachte: Der Nasdaq 100 stieg um 130 Prozent, S&P 500 und Dow konnten nur jeweils 11 Prozent zulegen. Als die Dotcom-Blase im März 2000 dann platzte, fiel der Nasdaq 100 um 67 Prozent. Der S&P 500 verlor in den folgenden zwölf Monaten 23 Prozent. Am stabilsten zeigte sich der Dow Jones: Gerade mal 13 Prozent gab er nach.
Nasdaq 100 oder S&P 500?
Der Tech-Index Nasdaq hat zwar eine höhere Volatilität, aber er hat im vergangenen Jahrzehnt mit Abstand am besten performt. Der breite Marktindex S&P 500 repräsentiert dafür die US-Wirtschaft besser. Und der Dow Jones Index ist aus Anlegersicht ungeeignet, wie bereits erwähnt.
Wichtig ist immer der Blick auf das Gesamtportfolio. Denn die Techgiganten sind nicht nur in den US-Barometern dominant, auch im Weltindex und vielen Themen-ETF sind sie enthalten. Die Gefahr einer Klumpenbildung sollte man nicht aus den Augen lassen. Lesen Sie auch «Warum der Tech-Hype ein gutes Ende nehmen wird».