Das Angebot an Exchange Traded Funds hat stark zugenommen. Für Privatanleger ergibt sich dadurch ein schwer durchführbarer Selektionsprozess.
Text: Barbara KalhammerMit ETF können heute alle wichtigen Märkte und Anlageklassen abgebildet werden. Hat die breite Auswahl eine Kehrseite?
Ja und zwar in zweierlei Hinsicht: Je grösser die Auswahl, desto schwieriger der Entscheid für den einzelnen Investor. Auch Banken und Vermögensverwalter ohne professionelles ETF Research haben Schwierigkeiten, die Produkte miteinander zu vergleichen und dem Anleger die Unterschiede zu erklären. Problematisch ist auch die ungleiche Verteilung des ETF-Angebots. In einzelnen Klassen wie Aktien Europa ist die Auswahl riesig, in anderen wie Aktien Hongkong ist sie sehr gering.
Welche Kriterien berücksichtigt MoneyPark bei der Auswahl?
MoneyPark unterhält die wahrscheinlich umfassendste Datenbank zur ETF-Analyse in der Schweiz. Wir analysieren jedes von der Finma zum Handel in der Schweiz zugelassenes Fondsprodukt. Aktuell sind es mehr als 29 000, davon über 1000 ETF. Hierzu beziehen wir die Rohdaten aus verschiedenen Quellen und analysieren die Produkte nach über 40 quantitativen und qualitativen Kriterien.
Dazu zählen sämtliche Performancedaten wie TER, Fondsgrösse und vieles mehr, aber auch Kriterien wie Liquidität. Vergleichbare Produkte werden in homogenen Klassen einsortiert. So entsteht ein Rating der Produkte, das schliesslich ein Ranking erlaubt.
Wie sieht der Auswahlprozess im Detail aus?
Der Auswahlprozess wird durch das Rating und Ranking der Produkte getrieben. Je nach gewählter Strategie und Asset Allocation «befüllen» wir die Anlagevorschläge mit den bestrangierten Produkten. In unserer «Genius-Saver»-Strategie hat der Anleger zudem die Option, aktiv in die Produktauswahl einzugreifen. Zum Beispiel um bestimmte Anbieter auszuschliessen oder die Gewichtung zu verändern.
Welche Überlegungen müssen Anleger anstellen, bevor sie sich mit der ETF-Vielfalt auseinandersetzen?
Eine Anlagestrategie muss unabhängig vom Anlageinstrument die Ziele und das individuelle Risikoprofil des Anlegers berücksichtigen. Überdies setzen wir in unseren Anlagevorschlägen der Kreativität der Investoren Grenzen und achten stark auf Kriterien wie ausreichende Diversifikation, optimale Ticketgrössen und Währungsstrategie.
Für Anleger sind vor allem die Kosten entscheidend. Welche Kennzahlen sind hier von Bedeutung?
Anleger legen oft immer noch zuviel Gewicht auf die Performance. Das ist psychologisch nachvollziehbar, aber es ist nicht rational. Anders ist der geringe ETF-Anteil in den Portfolios von Schweizer Privatanlegern, der international übrigens ein Sonderfall ist, nicht zu erklären. Wer realisiert, dass Kosten bei der Produktauswahl eine massgebliche Rollspielen sollten, achtet am besten auf TER, Abwicklungskosten, Fremdwährungskosten und die relative Performance. Gerade Währungsdifferenzen fallen stark ins Gewicht und beeinflussen die Portfolio-Performance enorm.
Gibt es Richtwerte, die einen ETF als teuer oder günstig ausweisen?
Oft wird die TER als alleiniger Richtwert für die Kosten genommen. Um jedoch die genauen Kosten zu bestimmen, ist eine Analyse von Kriterien wie Spread, Security lendings und Währung zwingend notwendig.
Wo liegen die Gefahren bei einem zu starken Fokus auf die Kosten?
Für den langfristig orientierten Anleger gibt es keine. Kosten sollten bei Anlageentscheidungen eine herausragende Rolle spielen, weil sich die Performance von Produkten – aktive ausdrücklich eingeschlossen – in allen Standardassetklassen über die Zeit nicht von der Benchmark abkoppelt. Es ist daher in höchstem Masse irrational, in überteuerte aktive Produkte zu investieren.
Welche Rolle spielen Anlagehorizont und Transaktionskosten?
Eine entscheidende. Die meisten Anleger verfolgen zu Recht einen längerfristigen Anlagehorizont, sie möchten nachhaltig Vermögen aufbauen. Häufige Umschichtungen im Portfolio, der sogenannte Churn, helfen nur der Bank und den an den Transaktionen partizipierenden Vermögensverwaltern.
Die Transaktionskostenunterschiede sind in der Schweiz enorm. Der Faktor zwischen dem günstigsten und teuersten Anbieter für ein identisches Portfolio beträgt häufig 20 bis 30. Eine Faustregel für Anleger lautet darum: Hat der Anlageberater eine eigene Depotbank, zahlt der Investor immer drauf.
Welche anlegerspezifischen Kriterien gilt es ausserdem zu berücksichtigen?
Die Gesamtvermögenssituation des Anlegers, das heisst sein sonstiges Risiko-Exposure. MoneyPark achtet zum Beispiel darauf, dass eine Anlagestrategie auch zur gewählten Hypothekarstrategie passt. Das hilft, eine Gesamtrisikoaufstellung zu wählen, die den individuellen Bedürfnissen und der individuellen Tragfähigkeit bestmöglich gerecht wird. Weitere Kriterien sind verbleibende Liquidität und Währungsfragen.
Gibt es ein Patentrezept für Investoren?
Bei aller Vorsicht gegenüber Patentrezepten möchte ich zwei anbieten: Beratung und Kosten. Der typische Investor sollte bei Anlageentscheidungen nicht auf sein Bauchgefühl, seinen Nachbarn oder seinen Arbeitskollegen setzen, sondern sich bei der Produktauswahl und ‑abwicklung von einem unabhängigen Spezialisten beraten lassen.
Hierbei gilt es darauf zu achten, Experten auszuwählen, deren Beratung nicht durch die in der Branche immer noch sehr verbreiteten Interessenskonflikte, vor allem Retros und eigene Abwicklung, getrieben ist. Mein zweites Patentrezept: Kosten, Kosten, Kosten. Anleger lassen unglaublich viele Renditepunkte liegen, weil ihre Produkt- und ihre Abwicklungsauswahl nicht kostenoptimiert ist. Das schlägt sich 1:1 auf die Nettorendite nieder und ist verschenktes Geld.
Ist die Bezeichnung «der beste ETF» ein Mythos? Oder gibt es ihn?
Jein. ETF lassen sich mit den entsprechenden Datensätzen sehr gut analysieren und vergleichen. Dabei treten Unterschiede zwischen den Produkten klar zutage. Wir machen in jeder Klasse ein Ranking der Produkte, die wir für die besten ETF halten. Trotzdem sage ich Jein, weil die Gewichtung der einzelnen Kriterien immer auch subjektive Elemente beinhaltet.
Manche Anleger sind indifferent bezüglich Kriterien, die wir für wichtig halten, wie Spread und FX-Kosten. Je nachdem verändert sich dadurch das Ranking. Wichtig ist es für uns, den Anleger optimal zu informieren und über die Unterschiede aufzuklären.
Hat ein Privatanleger alleine überhaupt die Chance, den Überblick zu behalten?
Nein. Das ist mit eigenen Mitteln und Quellen praktisch unmöglich. Wir nutzen unterschiedliche Rohdatenquellen nicht, weil es uns Spass macht, sondern weil die Datenqualität und -verfügbarkeit einer einzigen Quelle nicht ausreicht. Dem typischen Anleger fehlt auch verständlicherweise die Fachkenntnis, Dutzende Kriterien anzuwenden, zu gewichten und mit historischen Daten zu kalibrieren.
Stefan Heitmann, Chef und Co-Gründer des unabhängigen Finanzdienstleisters Moneypark