Kolumne
Ueli Mettler  Partner beim Beratungsunternehmen c-alm

Suitability auf Irrwegen

Ueli Mettler, Partner beim Beratungsunternehmen c-alm, schreibt über die grossen Unterschiede bei der Anlageberatung.

Man müsste meinen, Anlageberatung erfolge für verschiedene Anlegertypen etwa nach demselben Strickmuster. Dem ist nicht so! Die für institutionelle Anleger bewährten Beratungsprinzipien haben mit den in der Anlageberatung von Privatkunden seit Mifid/Fidleg etwa so viel gemeinsam wie Trump mit Obama. Das gibt zu denken.

Am Ursprung der Bestimmung einer Anlagestrategie für eine Pensionskasse liegt die Identifikation von deren Risikoprofil, das meist als Kombination der beiden Kennzahlen Mindest-/Sollrendite und Risikofähigkeit hergeleitet wird. Die Parametrisierung dieser Kennzahlen und damit des Risikoprofils erfolgt auf der Basis der Fortschreibung der finanziellen Verhältnisse und der Einnahmen und Ausgaben. Dieser Prozess nennt sich Asset Liability Management.

Die Anlagestrategie wird auf der Grundlage möglichst akkurat recherchierter RenditeRisiko-Eigenschaften so gewählt, dass einerseits die erforderliche Mindest-/Sollrendite erreicht wird und andererseits der Risikograd der gewählten Anlagestrategie die verfügbare Risikofähigkeit nicht überschreitet. Eine solche Anlagestrategie wäre dann geeignet oder im Compliance-Jargon «suitable». Diese Anlagestrategie wird in Zyklen von drei bis fünf Jahren festgelegt und bildet dann gleichsam den Restriktionsrahmen für die strategiekonforme Durchführung aller nachgelagerten Aufgaben.

Ein analoges Vorgehen für Privatkunden würde bedeuten, deren finanzielle Verhältnisse und die Entwicklung ihrer Einkommen und Ausgaben über deren Lebenszyklus fortzuschreiben und darauf basierend das persönliche Risikoprofil abzuleiten. Dieses Profil wäre dann nicht nur Grundlage zur Bestimmung einer im Sinne von Art. 13 Fidleg geeigneten Anlagestrategie und daraus abgeleiteter vertraglicher Anlagedienstleistungen, sondern könnte – im Sinne einer ganzheitlichen Beratung – gleich auch als Basis zur Beantwortung von Vermögensstrukturierungs-, Vorsorge-, Finanzierungs-, Steuer- und Budgetfragen herangezogen werden. Nun, wie sieht Anlageberatung in der Compliance-gesättigten, um nicht gar zu sagen -geschädigten Praxis aus?

Zumindest in der Bankenwelt scheint sich die Meinung durchgesetzt zu haben, dass der strategische Eignungstest für jede Transaktion neu durchgeführt werden muss. Zu diesem Zweck stellt man am «Point of Sale» teure Beratungssysteme (die eher die Bezeichnung Portfoliomanagementsysteme verdienen würden) zur Verfügung, die je Transaktion den Nachweis erbringen wollen, dass sich diese für den Anleger eignen. Die Grundlage für diese Eignungsanalyse bilden undurchsichtige Quantsysteme, die vom Berater kaum und vom Kunden überhaupt nicht verstanden werden.

Dass in dieser neuen Prozessordnung zudem erstens Fachaufgaben vom Spezialisten an den Kundenberater übergehen, zweitens dieser damit nur noch bedingt Zeit findet, seine Helikopterfunktion gegenüber dem Kunden wahrzunehmen, und drittens die «unité de doctrine» im Dienstleistungsauftritt verloren geht, sind logische Konsequenzen. Es ist höchste Zeit, um mit etwas Abstand von der Implementierungshysterie rund um die Mifid/Fidleg-Vorgaben – dafür mit etwas mehr gesundem Menschenverstand – die Frage noch einmal grundsätzlich aufzurollen, was Beratungsnutzen für den Privatanleger bedeutet.

Ueli Mettler ist Partner beim Beratungsunternehmen c-alm


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