Die Replikationsart spielt bei der ETF-Auswahl eine wichtige Rolle. Jacques-Etienne Doerr erklärt im Interview die Unterschiede zwischen den ETF-Strukturen. Dabei zeigt er auf, wo sich der Einsatz von synthetischen Produkten durchaus lohnen kann.
Text: Barbara KalhammerRund ein Drittel der europäischen Vermögen sind in Europa in synthetische Produkte angelegt. In den USA hingegen werden diese Produkte kaum genutzt. Warum?
Das liegt an der Entstehung der Märkte. In den USA stammen die dominanten Player wie BlackRock, State Street und Vanguard durchwegs aus dem Asset Management. In Europa hingegen kommen viele Anbieter aus dem Investment Banking. Diese Firmen verfügten anfänglich nicht über die nötige Expertise, um physische Produkte aufzulegen und wählten daher den Weg über das Investment Banking mit Derivatstrukturen.
Gibt es noch andere Gründe?
Ja, die Regulierung. Die meisten US-Fonds sind als «1940 Securities Act Funds» aufgelegt, diese können aufgrund der Regulierung die entsprechenden Swapstrukturen nicht über hauseigene Abteilungen abwickeln. Darüber hinaus spielen auch Steuern eine Rolle. Mit der seit längerem diskutierten Finanztransaktionssteuer könnte sich in Europa ein Nachteil für synthetische ETF ergeben. Durch die höhere Handelsaktivität könnten zusätzliche Steuern anfallen.
Worin liegen die Vorteile der synthetischen Produkte?
Es gibt Märkte, die mit physischen Abbildungen nur schwierig und teuer erschliessbar sind. Hier können swapbasierte ETF eine genauere Replikation des Index erreichen. Ein Beispiel ist China, wo es ausländischen Anbietern lange Zeit fast unmöglich war, die relevanten Indizes 1:1 abzubilden.
Weisen swapbasierte ETF einen geringeren Tracking Error auf?
Das muss nicht unbedingt sein. Auch physische ETF bieten bereits ein sehr gutes Tracking. Man muss von Produkt zu Produkt genau vergleichen. Zwar kann durch einen Swap genau die Rendite des Index erzielt werden, aber es gibt zusätzliche Kosten, die anfallen können.
Was muss bezüglich der Swap-Konstruktionen berücksichtigt werden?
Es gibt zwei verschiedene Arten, Funded- und Unfunded-ETF-Strukturen. Bei Unfunded-ETF-Strukturen muss der Basket aus Wertschriften mit den abzubildenden Titeln eigentlich nichts zu tun haben. Bei Funded-Swap-ETF werden die Sicherheiten bei einer Drittpartei hinterlegt. Im Fall eines Ausfalls der Drittpartei kann der Zugang schwierig oder langwierig sein. Bei Unfunded-Swap-ETF hingegen sind die Gegenparteien oft im eigenen Haus und der Fonds hat direkten Zugriff auf den Basket. Im Basket befinden sich dafür oftmals auch sehr illiquide Titel, wodurch es schwierig werden kann, die Verpflichtungen zu jedem Zeitpunkt vollumfänglich abzudecken.
Beim Kauf von synthetischen ETF müssen sich Anleger also mit der Struktur und der Zusammensetzung des Collateral-Basket beschäftigen?
Das sind, nebst der Swap-Gegenpartei respektive des Emittenten, sicher zwei wichtige Punkte. Ein Auge sollte man aber auch auf den Anteil der Gegenparteirisiken werfen. Nach Ucits III ist dieser auf maximal zehn Prozent beschränkt, liegt in der Regel aber tiefer. Für Privatanleger grenzt es an eine Herkulesaufgabe, diese Strukturen bis ins Detail zu verstehen.
Viele Anbieter sprechen sich klar gegen die synthetische Replikation aus. Ist die Zukunft physisch?
Bei Anlegern zeigt sich klar, dass sie eine Präferenz für physische Produkte haben. Zudem haben die Regulatoren ein vermehrtes Augenmerk auf synthetische Produkte geworfen. Rein physisch ist die Zukunft aber nicht, denn synthetische ETF haben eine Daseinsberechtigung. Wie erwähnt gilt das vor allem bei der Erschliessung neuer Märkte und für anfänglich kleinere Fonds.
Jacques-Etienne Doerr, Managing Officer bei Vanguard Investments Switzerland