«Unabhängigkeit kostet, doch ist sie es wert!»

Früher fragte man sich: Wie verwahre ich mein Gold sicher? Heute stellen sich immer mehr Investoren bei Kryptoassets dieselbe Frage. Inzwischen gibt es eine grosse Auswahl an Verwahrungsmöglichkeiten. Wir haben Pascal Gauthier, Chef von Ledger, auf den Zahn gefühlt.

Text: Pascal Hügli

Pascal Gauthier

Bits und Bytes in Form von Bitcoin sind heute mehrere Tausend Franken wert. Ist das nicht irgendwie schräg?

Mit der Schaffung von Bitcoin wurde eine Art Goldrauschstimmung losgetreten. Auch nach Jahren ist diese Kryptowährung nicht tot, deshalb wollen immer mehr Menschen bei der Monetarisierung der digitalen Assets dabei sein.

Kritiker sprechen von Bitcoin-Spekulanten, die auf schnelle Gewinne hoffen.

Spekulanten und Scharlatane waren bereits während des Goldrausches zugegen. Wir von Ledger sind jedoch der Überzeugung, dass es beim Bitcoin-Rausch um weit mehr geht als Spekulation. Wir durchleben gerade eine Zeit, in der entscheidende digitale Assets geschaffen werden, von denen Bitcoin das erste war.

Als Tech-Security-Firma geht es ihnen vor allem um die Sicherheit dieser neuen digitalen Assets, richtig?

Wir werden oft mit jenen Akteuren verglichen, die den Menschen während des Goldrausches Hacke und Schaufel verkauft haben. Wir sehen es jedoch anders und würden uns eher mit den Safe-Produzenten dieser Zeit vergleichen. Die entscheidende Frage im Zuge des Goldrausches lautete damals: Wie verwahre ich mein Gold sicher?

Nur dass es nun nicht um Gold geht, sondern um Kryptos.

Es geht uns in der Tat um die sichere Verwahrung digitaler Assets. Wir haben eine Hardware und eine Software entwickelt, mit der Nutzer ihre Kryptoassets selber schützen und sicher aufbewahren können.

Sie sprechen ihr Hardware Wallet an. Was ist das genau?

Eine Hardware Wallet ist eine einfach bedienbare Applikationen, meist in Form eines USB-Sticks, um persönliche Kryptoassets sicher zu verwahren.


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Der USB-Stick ist also der Tresor.

Eine Hardware Wallet geht weit über die Funktionalität eines gewöhnlichen Tresors hinaus. Ein Tresor ist ziemlich träge und die darin aufbewahrten Gegenstände sind physischen Ursprungs. Im Falle eines Hardware Wallets ist dies anders: Bitcoin und andere digitale Assets sind mit einem Netzwerk verbunden. Es handelt sich um programmierbares Geld. Diese Eigenschaft prägt auch die Hardware Wallets.

Inwiefern?

Hardware Wallets verfügen über eine Software-Ebene, eine Benutzeroberfläche. Im Falle von Ledger heisst diese Software Ledger-Live und gehört unabdingbar zur Hardware Wallet dazu. Die Kombination aus Hard- und Software erlaubt es, Kryptoassets über eine Hardware Wallet zu empfangen und zu versenden. Auch gibt es die Möglichkeit, Bitcoin direkt zu kaufen. Faszinierend ist auch das sogenannte Staking, das über ein Hardwallet selbstständig gemacht werden kann.

Was ist Staking?

Einige Kryptoassets bieten die Möglichkeit, die eigenen Coins an Netzwerk-Validatoren zu delegieren. Auf diese Weise trägt man zur Aufrechterhaltung des Netzwerkes bei und erhält im Gegenzug eine proportional zu den delegierten Coins ausgeschüttete Staking-Belohnung. Diesen Vorgang kann man entweder über Broker und Börsen erledigen lassen oder mit dem Ledger Hardware Wallet selbst durchführen. Einer der bekanntesten Staking-Coins ist Tezos. Hier sind bis heute 65 Millionen Coins über die grosse Kryptobörse Coinbase delegiert worden, während die Anzahl delegierter Coins via der Ledger Hardware Wallet mit 62 Millionen nur knapp darunter liegt.

Sind Hardware Wallets für die breite Masse nicht zu umständlich?

Das würde ich verneinen. Mit dem Ledger Nano S haben wir 2016 unsere erste Hardware Wallet auf den Markt gebracht. Vier Jahre später sind die Verbesserungen massiv: Die Benutzeroberfläche ähnelt der eines E-Banking-Portals, die Benutzerfreundlichkeit ist hoch.

Warum finden Hardware Wallets dennoch noch kaum Verwendung in der breiteren Bevölkerung?

Das hat viele Gründe, die jedoch alle nicht auf den gegenwärtigen Zustand von Hardwallets zurückzuführen sind. Was die Wallets betrifft, so gibt es eine grosse Herausforderung. Digitale Assets sind ihrem Wesen nach eigenständige Werte, die selbstständig und unabhängig von Drittparteien gehalten werden können. Diese Tatsache erfordert grössere Aufmerksamkeit.

Es besteht also einen Tradeoff zwischen Sicherheit und Bequemlichkeit.

In der Tat. Wer sein Geld und andere Vermögenswerte eigenständig halten möchte, muss sich der Verantwortung sowie des Aufwandes bewusst sein, die damit einhergehen. Ein Sicherheitssystem, bei dem ich mich in ein paar wenigen einfachen Klicks durch alle Sicherheitsvorkehrungen geklickt habe, ist zwar praktisch und benutzerfreundlich, doch punkte Sicherheit sind Bedenken angebracht. Bei der Nutzung einer Hardware Wallet übernimmt man das, was die Bank für einen und die Sicherheit der eigenen Assets macht.

Hat uns die Bequemlichkeit vieler digitaler Applikationen jegliches Sicherheitsdenken abgewöhnt?

Vor Bitcoin waren digitale Assets oder Daten per Definition im Besitz von Google, Facebook und Co. Gerade vollzieht sich ein gewaltiger Wandel, dessen Bedeutung und Auswirkungen noch nicht viele Menschen erkannt haben. Heute können digitale Assets eigenständig gehalten werden und das ist eine riesige Veränderung.

Warum geht der Wandel nur so langsam vonstatten?

Gewohnheit, viele kennen es nicht anders. In einer Welt, in der digitale Güter und Daten standardmässig von Drittparteien verwaltet werden, braucht man sich um sichere Verwahrung und Zugriff keine Gedanken zu machen. Mit der Selbstverwaltung digitaler Assets kommt Unabhängigkeit. Da kostet einen natürlich auch etwas, doch die Kosten sind den Nutzen allemal wert.

Man bezahlt aber nur, was man tatsächlich will. Die grosse Masse scheint nicht darauf erpicht zu sein, das eigene Vermögen unabhängig und selbstsouverän zu verwalten.

Entscheidend ist, dass die Nutzer eine Wahl haben. Niemand muss Herr über sein eigenes Geld sein, aber jeder hat die Möglichkeit. Diese letzte Option, so unsere Überzeugung bei Ledger, werden immer mehr Menschen wählen. Dieser Trend ist in vollem Gange.

Woran machen Sie das fest?

Dass wir mehr als zwei Millionen Hardware Wallets in über 165 verschiedene Länder verkauft haben, zeigt das Verlangen nach selbstsouveränem Besitz des eigenen Geldes. Aber auch die Tatsache, dass Angebote wie Telegram, Signal oder andere auf Privatsphäre bedachte Apps jeden Tag neue Nutzer gewinnen, erachten wir als Hinweis auf diese Entwicklung.

Ihre Hauptkunden sind vor allem Private. Wird das so bleiben?

Den Privatkunden wollen wir weiterhin ein hervorragendes Produkt bieten. Schon heute bedienen wir allerdings mit Ledger Vault auch mehr als 40 Kunden aus dem institutionellen Bereich. Das für den Einzelhandel konzipierte Ledger-Gerät haben wir um eine Governance-Ebene erweitert. Über diese lässt sich der Zugang zu Geldern auf viele Beteiligte verteilen, sodass das Verwahren von Kryptoassets in den anspruchsvollen institutionellen Rahmen passt.

Wo steht Ledger in zehn Jahren?

Zehn Jahre sind in der innovativen und schnelllebigen Kryptowelt ist eine gewaltig lange Zeit. Alles, was ich sagen kann: Unser Ziel ist es, die heute schon 200 Personen starke Firma zum grössten Technologieunternehmen zu machen, das je in Europa entstanden ist. In Bezug auf Kryptoassets wollen wir dereinst die Go-to-Adresse sein, wenn es um die Verwahrung von Bitcoin, Security Token oder Governmentcoins geht.

Pascal Gauthier ist heute CEO von Ledger, einer französischen Techfirma, die vor allem für ihr Hardware Wallets Bekanntheit erlangt hat. Zuvor arbeitete er für das Werbeunternehmen Criteo, wo er fünf Jahre als COO tätig  war


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