Viagra für die Vorsorge

Die Digitalisierung macht auch keinen Halt vor der privaten Vorsorge. Bisher ist der Bereich Säule 3a wenig fortgeschritten. Das will das junge Fintech Startup VIAC ändern.

Text: Pascal Hügli

Herr Peter, Vorsorgelösungen gibt es viele. Was ist an Ihrer Lösung speziell?

VIAC ist in der Schweiz bis zum heutigen Zeitpunkt die einzige vollkommen digitalisierte Vorsorgelösung im Bereich der Säule 3a, mit der man bereits ab einem Franken breit diversifiziert investieren kann.

Weshalb der Name VIAC?

Der Name VIAC kommt aus dem Slowakischen und bedeutet «mehr». Dies steht für den Mehrwert, den VIAC seinen Kunden durch tiefe Gebühren und somit mehr Vorsorge im Alter schafft.

Der Name erinnert eher an ein Medikament oder gar an Viagra.

Das hören wir immer wieder. Eigentlich gefällt uns diese Assoziation. Denn VIAC bietet eben mehr Potenz für die dritte Säule!

Ist VIAC wirklich so potent und digital wie versprochen?

Die Registrierung lässt sich bequem via Smartphone-App durchführen. Die Vorderseite des Ausweises wird fotografiert, mit dem Finger gilt es zu unterschreiben. Die Einzahlung kann per E-Banking überwiesen werden. Papier braucht es dafür nicht. Auch die Steuerbescheinigung zum Jahresende erhält man automatisch via E-Mail. Sämtliche Vertragsunterlagen und Transaktionsbelege sind in der App abrufbar und können ebenfalls via E-Mail versandt werden.

Wäre für die Einzahlung nicht eine Kooperation mit dem mobilen Zahlungssystem Twint denkbar?

Eine Zusammenarbeit würden wir grundsätzlich begrüssen. Dass Twint jedoch für Einzahlungen ein halbes Prozent Gebühr verlangt, widerspricht unserer Philosophie. Vielleicht kann uns Twint entgegenkommen und den Kunden von VIAC eine gebührenfreie Einzahlung ermöglichen. Wir haben CEO Thierry Kneissler bereits angeschrieben. Gehört haben wir von ihm bislang leider noch nichts.

Welche Kosten entstehen bei der Nutzung von VIAC?

Die Gesamtkosten reichen von 0,17 bis 0,72 Prozent. Wo die effektiv zu bezahlende Gebühr liegt, hängt von der gewählten Anlagestrategie ab. Je grösser der Aktienteil des Portfolios, desto höher die Gebühr. Was die Leute oft vergessen: In unseren Gesamtkosten ist auch die Depotgebühr enthalten.

Nicht immer beinhalten Gesamtkosten auch wirklich alle Kosten. Wie ist das bei Ihrer Lösung?

Wenn wir bei VIAC von Gesamtkosten sprechen, meinen wir das auch so. Depotgebühren, Stiftungsgebühren, Courtagen & Produktekosten sind allesamt miteingerechnet. Es schleichen sich also keine versteckten Kosten über die Hintertür ein, wie das bei herkömmlichen Akteuren oft der Fall ist.

VIAC soll 65 Prozent günstiger sein als andere Schweizer Angebote – wie kommt das?

Dass viele Banken in ihrem Säule-3a-Angebot auf den Fondsprodukten oder mit den Depotgebühren hohe Margen kassieren, ist kein Geheimnis. Wir versuchen zu optimieren, wo wir nur können, und diese Optimierungsgewinne reichen wir dann auch an die Kunden weiter.

Worin liegen die Optimierungen konkret?

VIAC ist sehr schlank aufgestellt. Wir haben drei Mitarbeiter und überschaubare Büroräumlichkeiten und müssen keinen riesen Verkaufsapparat betreiben. Wir sind digital von A bis Z. Das Onboarding eines Kunden kostet uns zwischen fünf und zehn Sekunden. Die Verwaltung der Vorsorgegelder verläuft automatisiert, was das VIAC-System skalierbar macht. Gleichzeitig betreiben wir Netting & Pooling auf Stiftungsebene, weshalb wir grosse Kostenvorteile erreichen, die wir unseren Kunden in Form der tiefen Gebühren weitergeben.

Was bedeutet Netting & Pooling?

Die von unseren Kunden gewünschten Börsentransaktionen werden innerhalb der Stiftung verrechnet, so dass jeweils nur der entsprechende Restbetrag gekauft oder verkauft werden muss. Transaktionsgebühren werden so stark reduziert. Konventionelle Banken machen das zwar auch, doch VIAC gibt diese Kostenvorteile in Form tiefer Gebühren auch tatsächlich an den Kunden weiter. Wie das funktioniert, kann auf unserer Homepage nachgelesen werden. Wir machen kein Geheimnis daraus.

Warum investiert VIAC nicht in Anleihen?

Weil jeder Kunde, der etwas von Anlagen versteht, momentan nicht in CHF-Anleihen investieren würde. Diese rentieren nahe Null oder negativ und sind nach Kosten aufgrund der Gebühren ein garantiertes Negativgeschäft. Zusätzlich lädt man sich unnötig Zinsänderungsrisiken auf.

Bei herkömmlichen Banken nehmen das die Kunden einfach so hin?

In den letzten Jahren konnte das optimal verschleiert werden. Weil die Zinsen über die vergangenen Jahre gesunken sind, haben die Anleihen invers im Preis zugenommen. Dieser Preisanstieg wurde erstmals als Gewinn verbucht und hat so den Negativeffekt auf die Performance der Anleihen kaschiert. Gleichzeitig sind die Aktienpreise in den vergangenen Jahren stark angestiegen, so dass auf der Ebene des Gesamtportfolios die negativ rentierenden Anleihen bislang noch nicht sichtbar geworden sind.

Ist in den nächsten Jahren mit dem Platzen der Anleihen-Blase zu rechnen?

Die Risiken sind in der Tat vorhanden, aber wir wollen sie unseren Kunden nicht zumuten. Sollten die Zinsen einmal wieder ansteigen, kommt es zu Kurseinbrüchen bei den Anleihen. Das trifft den Sparer. Wer in den letzten Jahren in Anleihen investiert hat, hat erhöhte Risiken eingekauft, ohne heute wirklich noch einen Vorteil davon zu haben. Denn auch die langfristigen Anleihen werfen heute kaum noch Zins ab. Für das überhöhte Risiko wird man nicht adäquat entschädigt.

In welche Bereiche, nebst Aktien, investiert VIAC das Vorsorgegeld der Kunden?

Abhängig von der Risikofähigkeit sowie der -freudigkeit des Kunden wird das Geld entweder in Aktien, Rohstoffe oder Immobilien investiert. Die Anlagestrategien werden über passive Produkte wie Indexfonds und ETF umgesetzt. Nicht investiertes Vorsorgegeld liegt als Liquiditätsposten bei der WIR-Bank und ist mit 0,3 Prozent verzinst. Gebühren fallen dafür keine an. VIAC verrechnet die Verwaltungsgebühr nur auf dem investierten Vermögen.

Wie werden die passiven Produkte selektiert?

Auf unserer Webseite lässt sich der Selektionsprozess transparent nachvollziehen. Wesentlich ist eine diversifizierte Vorselektion geeigneter Vergleichsindizes. Dafür werden quantitative Kriterien wie Produktgebühren, Handelsliquidität, Abweichung zum Vergleichsindex (Tracking-Error) und Handelsspanne berücksichtigt. Zudem werden Steuereinflüsse minimiert und nach Möglichkeit physisch replizierte Anlagen gekauft, um Gegenparteirisiken zu umgehen.

Es wird also nicht einfach der billigste ETF gewählt?

Nein, nicht zwingend. Kosten sind gewiss ein wichtiger Faktor, bei Weitem aber nicht der einzige. VIAC schaut auch auf die Performance der einzelnen Produkte. Diese können noch so billig sein, wenn ihre Performance schlecht ist, bringt das dem Kunden unter dem Strich nichts. Erste Reaktionen, die man zu VIAC erhält: Dritte Säule bei einem Start-up, das kommt nicht infrage. Viel zu riskant! Wir als Gründer und Initianten sind bloss die Technologie-Anbieter. VIAC ist letztlich ein Angebot der Terzo Vorsorgestiftung der WIR Bank. Die Stiftung existiert seit 15 Jahren und
verwaltet über 850 Millionen Franken an Vorsorgegeldern. Um zu zeigen, wie ernst wir es mit VIAC meinen, sind wir eine enge Partnerschaft mit der WIR-Bank beziehungsweise deren Vorsorgestiftung eingegangen.

Auch die WIR Bank ist manchen etwas suspekt.

Im Bereich der Vorsorge hat die WIR Bank einen sehr guten Ruf. Die KMU-Bank gibt es seit über 80 Jahren, sie ist eine urschweizerische und genossenschaftlich organisierte Bank. Wir sehen keinen Grund, der WIR-Bank gegenüber skeptischer zu sein als gegenüber anderen Banken. Wir hätten uns keinen besseren Partner für die Umsetzung von VIAC vorstellen können. Sie haben uns das beste Säule-3a-Produkt entwickeln lassen, ohne uns bei der Produktwahl zu beeinflussen. Sie haben dieselbe Geisteshaltung wie wir und haben uns tatkräftig unterstützt.

Was ist von VIAC in der Zukunft zu erwarten?

Bislang verfügt VIAC nur über eine App. Im neuen Jahr soll diese durch eine Web-Version für Computer ergänzt werden. Zudem wollen wir die Säule-3a noch schlauer machen. Absehbar sind Multiportfolio-Strategien oder die Möglichkeit, ein individuelles Portfolio zusammenzustellen.

*Daniel Peter ist Mitgründer der digitalen Vorsorgelösung VIAC. Er hat über neun Jahre Erfahrung im Banking.


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