Auch in der Schweiz sind Robo-Advisor auf dem Vormarsch und doch scheinen immer noch wenige zu wissen, was diese digitalen Helfer sind und können. Ein Vergleich der prominentesten Schweizer Robo-Advisory-Anbieter zeigt: Sie haben einiges zu bieten.
Text: Pascal HügliDigitalisierung, Automatisierung und Roboter sorgen bei vielen für gemischte Gefühle. Was, wenn Roboter uns in Zukunft die Jobs wegnehmen oder dereinst gar die Weltherrschaft an sich reissen? Durch eine ähnliche düstere Brille werden oft auch Robo-Advisor gesehen. Seelenlose Anlagemaschinen, die im Stile eines Terminators die absolute Robokalypse im Vermögensverwaltungsgeschäft herbeiführen.
Grund für die düsteren Prognosen dürfte vielerorts ein falsches Verständnis dieser digitalen Berater sein. Ein Robo-Advisor ist kein selbstständig handelnder Roboter, sondern «bloss» ein webbasiertes Beratungsinstrument. Hinter jedem Robo-Advisor stehen Menschen, und letztlich ist ja auch der regelbasierte Algorithmus von Menschenhand programmiert. Oft orientiert sich ein Robo-Advisor an der Hausmeinung der eigenen Bank oder an anderen Markteinschätzungen, die ihrerseits ebenfalls stets durch ein menschliches Expertengremium zustande kommen.
Der Begriff Robo-Advisory ist somit eigentlich falsch: Es geht um eine automatisierte Vermögensverwaltung. Diese kann gegen aussen natürlich vollends digitalisiert sein, sodass alle Anlageentscheidungen nur noch über die Online-Plattform getroffen werden und der persönliche Kontakt mit einem Berater kaum mehr stattfindet.
Ähnlich, aber nicht gleich
Neben den zumindest im Frontbereich vollständig digitalisierten Robo-Advisorn gibt es sogenannte hybride Modelle. Hier wirken Mensch und Robo-Advisor noch enger zusammen. Denn gerade wenn es um Geld geht, spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Doch genau von dieser Emotionslosigkeit fühlen sich manche abgestossen.
Wie Umfragen zeigen, gehört das Vorhandensein einer engen Beziehung zum Berater neben der Performance für viele Investoren zu den wichtigsten Aspekten der Vermögensverwaltung. In der Schweiz gibt es beide Varianten in wachsender Anzahl. Wenn sich die einzelnen Robo-Advisor auch in ihrer Grundfunktion ähneln, versucht sich doch jeder von seinen Mitstreitern abzuheben.
Der erste Robo-Advisor wurde 2011 vom VZ Finanzportal des VZ Vermögenszentrum lanciert. Dieser ermöglicht passive Strategien über ETF im Bereich der Säule 3a sowie im klassischen Anlagemodell. Gleichzeitig bietet das Finanzportal die Möglichkeit, in die zehn momentan besten Aktien in der Schweiz zu investieren. Die Option der regelbasierten Vermögensverwaltung funktioniert so, dass in Zusammenarbeit mit einem Berater Investitionen nach sogenannten Trendsignalen ausgesucht werden. Titel, die sich in einem Aufwärtstrend befinden, werden hinzugekauft, während im Kurs fallende Wertschriften verkauft werden. Obwohl das Online-Finanzportal eigenständig bedient werden kann, kann bei Bedarf auf einen Berater zurückgegriffen werden – das VZ setzt also auf ein hybrides Modell. Mit dem Angebot der VZ Lounges in Basel, Bern und Zürich soll der Umsetzung dieses Modells möglichst Rechnung getragen werden.
Im Jahr 2014 kam TrueWealth, das ausschliesslich auf passive Produkte wie ETF setzt, auf den Markt. Der Markt soll nicht geschlagen, sondern über kostengünstige Produkte möglichst präzise abgebildet werden. Mit dem Ziel, vom langfristigen Marktwachstum zu profitieren. TrueWealth überzeugt vor allem durch eine komfortable Übersicht. Zu Fachbegriffen wie Transaktionssteuern oder impliziten Transaktionskosten findet sich immer gleich eine Erklärung, was das Verständnis der Anlagematerie vereinfacht. Nicht zuletzt ist es das Anliegen von TrueWealth, die Vermögensverwaltung zu demokratisieren.
Endlich aufgewacht
Durch die Pioniere wachgerüttelt kamen die ersten Robo-Advisor von Banken auf den Markt. So lancierte die Glarner Kantonalbank im Frühjahr 2015 den Investomat. Dessen Merkmal: Anleger können ihr Portfolio mit neun unterschiedlichen Anlagethemen – beispielsweise Dividenden Schweiz, Gold, erneuerbare Energie oder Öl – ergänzen.
Eine andere Kantonalbank, die einen Robo-Advisor anbietet, ist die Basellandschaftliche. Sie setzt auf die Technologie von TrueWealth kombiniert mit der Anlagekompetenz der Experten der BLKB. Mit der digitalisierten Vermögensverwaltungsplattform «Digifolio» setzt die BLKB vorzugsweise auf einen Anlagemix, der Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt.
Als erste Online-Bank der Schweiz verfügt auch die Swissquote über einen Robo-Advisor. Hervorzuheben sind bei diesem diverse Anwendungsfeatures: Man kann die Referenzwährung wählen und den Robo-Advisor mit der Absicherung eines möglichen Währungsrisikos beauftragen. Die Demo-Version auf der Online-Plattform verfügt zudem über eine detailreiche Ansicht: Sie zeigt eine genaue Auflistung der einzelnen Produkte und ist in die Bereiche Währung, Anlageklassen, Kategorie, geografisches Gebiet, Anzahl, Wert und Gewicht unterteilt. Der Robo-Advisor ist fast schon zu umfangreich und könnte einen Laien überfordern, weshalb die Swissquote bis Ende Jahr ein vereinfachtes Update lancieren will.
Eine weitere Online-Bank mit einem Robo-Advisor ist die Saxo Bank. Die Portfolios werden hier ausschliesslich mit ETF des weltweit grössten ETF-Anbieters BlackRock zusammengestellt. Als reine OnlineBank besteht bei der Ausgestaltung des Robo-Advisor sicherlich noch Verbesserungspotenzial.
Für den anspruchsvollen Anleger
Dass ein Robo-Advisor sehr umfangreich sein kann, zeigt Descartes Finance, das auf die Fülle wissenschaftlicher Erkenntnisse setzt. Dem Anleger bietet sich die Möglichkeit, in Übereinstimmung mit seinen persönlichen Überzeugungen, eine ganz bestimmte Anlagestrategie eines renommierten Vermögensverwalters auszuwählen. Das setzt jedoch voraus, dass der Anleger eigene Überzeugungen mitbringt. In diesem Sinne sieht sich Descartes Finance als digitalen Vermögensverwalter für anspruchsvolle Anleger.
Eine weitere Besonderheit ist: Bei der Zusammenstellung eines Portfolios gewichtet Descartes Finance nicht nach Vermögens-, sondern nach Risikoklassen. Gleichzeitig bietet der Robo-Advisor mehrere Depotbanken an, bis jetzt ebenfalls einmalig in der Schweiz.
Erst im April dieses Jahres auf den Markt kam das Start-up Simplewealth. Um Zugang zu erhalten, sind neben den Angaben zur Person, den individuellen Verhältnissen und Anlagezielen unter anderem auch eine Passkopie, ein Adressnachweis und die Bankinformationen hochzuladen. Ein etwas zeitintensiver Vorgang. Besser wäre hier wohl die Möglichkeit der Erstanmeldung zur Demo-Version ohne Identifizierung der eigenen Person. Simplewealth versucht sich von seinen Mitstreitern abzuheben, indem die Kunden in E-Mails regelmässig über die Märkte informiert werden. Diese Nachrichten dienen gewissermassen als Coaching- und Ausbildungsfunktion. Die Informationen sollen nicht generisch sein, sondern Kunden darüber informieren, wie sich Marktereignisse auswirken und wie konkret reagiert werden kann. Immer wieder hört man, dass Finanzinformationen für den Laien nicht greifbar und unverständlich seien.
Der Tenor unter den Finanzdienstleistern ist daher klar: Es gilt zu vereinfachen. Sich dieser Aufgabe wirklich zu Herzen genommen, hat das Start-up Selma. Über eine Chatbox fragt Selma nach Angaben zur Person, nach der finanziellen Ausgangslage und der Risikoneigung. Über diese spielerische Umsetzung versucht Selma das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Zudem sind die Anlageprodukte nicht nur in der Finanzfachsprache erklärt: Es lässt sich zwischen Fach- und Alltagssprache wechseln. So kann man zum Beispiel in den Deutsche Bank Global Investment Grade Sovereign CHF Hedged Index mit 20 Staatsanleihen investiert sein. In der vereinfachten Alternativerklärung heisst es zu diesem ETF: Du leihst Geld an die grössten Länder weltweit. Natürlich besteht bei diesem Ansatz die Gefahr, die ernste Finanzthematik zu stark zu banalisieren.
Vorreitern einer solchen spielerischen Herangehensweise, wie der Leodan Privatbank, ging letztlich der Schnauf aus. Gerade im Bereich der Finanzen mag manch ein Anleger eine langweilige aber professionelle Aufmachung einer coolen, jedoch zu banalen Darstellung vorziehen. Ein möglicher Kompromiss ist es daher, wie Selma eine Erweitert- sowie Simpel-Funktion anzubieten.