Wachstumstreiber Cybersecurity

Der Investor Thomas Rappold über die hohen Bewertungen der IT-Firmen und den starken Wachstumstreiber der Branche, die Sicherheit.

Text: Barbara Kalhammer

Was sind derzeit die wichtigsten Themen der Digitalisierung?

Die Digitalisierung wird getrieben durch das Silicon Valley, wo das Mantra gilt «Software is eating the world». Das bedeutet, dass heute alles aus Software-Sicht gedacht wird. Ein Beispiel dafür ist der Elektro-Automobilkonzern Tesla. Dort sind mehr als 60 Prozent der Mitarbeiter in Software-Projekte involviert. In der deutschen Autoindustrie sind es nur etwa vier Prozent.

Was sind die Treiber dieser Entwicklung?

Eine wichtige Rolle spielen Sensoren. Das sind kleine, intelligente Sende- und Empfangsbausteine, die mit Software interagieren. Sie ermöglichen intelligente Dienste wie autonomes Fahren. Weitere wichtige Treiber sind das Internet der Dinge, Heimautomatisierung und Cloud Computing.

Der aktuelle Boom erinnert viele an die Dotcom-Blase. Sie auch?

Man muss unterscheiden zwischen börsenkotierten Firmen und jenen, die nicht an der Börse sind, sogenannte Unicorns. In die erste Kategorie fallen bekannte Unternehmen wie Apple, Google und Facebook. Diese drei sind stark aufgestellt und haben 300 Milliarden Cash zur Verfügung. In den vergangenen Jahren hat sich die Internetwirtschaft mit grossen Schritten entwickelt, sie ist das Rückgrat der Globalisierung geworden. Ihre Unternehmen sind heute so wichtig wie vor 15 Jahren die Stromversorger.

Wie erklärt sich ihre hohe Bewertung?

Die grossen börsenkotierten Unternehmen haben in ihrem Geschäftsfeld monopolartige Strukturen, die durch den Netzwerkeffekt immer stärker gefestigt werden. Da es nur eine Suchmaschine und ein soziales Netzwerk gibt, sind die Eintrittsbarrieren für neue Anbieter sehr hoch. Google und Co. sind nicht überbewertet, weil sie sehr viel Cashflow generieren und stark wachsen.

Und wie steht es um die Unicorns?

Die neueren Firmen gehen entweder an die Börse oder werden von den grossen Konzernen aufgekauft. Denn die Innovationskraft findet bei kleineren, wachstumsstarken Unternehmen statt. Durch ihren hohen Cash-Bestand haben es die grossen IT-Konzerne derzeit einfach. So baut Google derzeit das Modell Berkshire Hathaway von Warren Buffett in digitaler Form nach. Die einzelnen Geschäftsbereiche des Unternehmens wachsen dann, so wie beim bekannten US-Investor, über Beteiligungen.


Sie sehen also keine Übertreibungen?

Doch, es gibt einzelne Übertreibungen, etwa der hohe Wert des Online-Speicherdienstes Dropbox. Aber deren Anwendungen finden hohen Zuspruch, im Zweifelsfall könnte es zu einer Übernahme kommen.

Von welchen Entwicklungen profitieren diese Unternehmen?

Über allem stehen zwei Aspekte. Zum einen die Cloud-Infrastruktur sowie die fortschreitende Smartphone-Penetration und die dahinterstehenden App Stores von Google und Apple. Die Kombination aus App und Cloud-Diensten sorgt für eine starke Dynamik. Ein Unternehmen kann quasi aus dem Nichts auftauchen, ohne dass zuvor eine Infrastruktur aufgebaut werden muss.

Was ist der zweite Aspekt?

Die Time-to-market ist kürzer, Anwendungen können also schneller auf den Markt gebracht werden. Früher musste die gesamte Software selbst entwickelt werden, heute gibt es sogenannte API-Schnittstellen. Der Fahrdienst Uber hat beispielsweise die Schnittstellen Google Maps mit einer Kreditkartenabrechnung verknüpft. Vereinfacht kann von einer Lego-Software-Entwicklung gesprochen werden.

Gibt es weitere Beispiele?

Der Filmverleiher Netflix oder Dropbox. Sie haben keine eigene Hardware und Server-Infrastruktur, sondern mieten ihre Computerleistung über Amazon. Es kommt zu einer Virtualisierung der gesamten Infrastruktur.

Mit diesen Entwicklungen nehmen auch die sicherheitskritischen Vorfälle zu. Welchen Schaden richten Hacker-Angriffe an?

Die Unternehmensberatung PWC schätzt den Schaden auf 749 Milliarden bis 2,2 Billionen Dollar jährlich. Das sind mehr als drei Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung. Und die Angriffe nehmen kontinuierlich zu.

Ist Cybersecurity der grösste Wachstumsmarkt der Technologiebranche?

Er gehört zu den wachstumsstärksten. Gemäss Untersuchungen wächst der IT-Markt mit drei bis vier Prozent pro Jahr, der Sicherheitsmarkt mit bis zu 30 Prozent. Die höheren Ausgaben für Sicherheit sind ein wichtiger Teil der Infrastruktur und Voraussetzung für die weitere Digitalisierung.

Wo ist der Bedarf am grössten?

Beim Schutz der Daten in der Cloud. Ebenfalls wichtig sind sichere Datenübertragungen bei der Vernetzung von Geräten.

Wo stehen wir bei diesen Entwicklungen?

Die Amerikaner sprechen beispielsweise bei Cloud-Diensten immer davon, dass wir nur die Spitze des Eisbergs sehen. So stecken wir bei der Speicherung von Behördendokumenten, Gesundheitsdaten oder auch Finanzdienstleistungen in den Kinderschuhen. Wir sehen wohl erst fünf bis zehn Prozent der möglichen Anwendungen. Auf der anderen Seite wird es dadurch immer wieder Missbrauch geben, wodurch wiederum die Nachfrage im Sicherheitsbereich wächst. Den absoluten Schutz gibt es nicht, es ist ein Wettlauf zwischen den beiden Parteien.

Wie viel geben Firmen für Sicherheit aus?

Bis 2020 dürfte der Cybersecurity-Markt ein Volumen von 170 Milliarden Dollar erreicht haben. Die Unternehmen geben enorme Summen für die Sicherheit aus. Im Finanzbereich sind es beispielsweise 2500 Dollar pro Jahr und Arbeitsplatz.

Trotzdem wird die Gefahr häufig immer noch unterschätzt.

Der Umgang mit Daten ist oft zu wenig umsichtig. Gerade bei der Verwendung von Smartphones wird eine Vielzahl an Daten übermittelt, wovon der Nutzer nichts merkt. Die Vernetzung wird immer grösser. Das ist auch der Grund, warum Google und Apple ins Auto-Geschäft einsteigen wollen. Sie wollen Zugang zu noch mehr Daten, um daraus Erlöse zu generieren.

Die Anbieter von Finanzprodukten haben diesen Trend erkannt und bieten entsprechende Produkte an. Welches Potenzial hat die Digitalisierung als Investmentthema?

Sie ist nicht wirklich ein Trend, sondern ein Wachstumssegment, das auch mittel- bis längerfristig Potenzial bietet.

Welche Chancen bietet der Technologiesektor den Anlegern?

Ich bezeichne ihn gerne als den grössten Binnenmarkt weltweit, sozusagen ein eigener Wirtschaftsraum. Der Internetbereich ist losgelöst von nationalen politischen Einflüssen. Eine Regulierung durch die Politik ist nicht möglich.

Was sind die Chancen und Risiken?

Internetwerte haben ein sehr geringes Beta und sind ein wichtiger Portfoliobestandteil. Im Bereich Cybersecurity ist mangelnde Innovationskraft das grösste Risiko. Durch die hohen Investitionen von Risikokapitalgebern und das ständige Wachstum an Unternehmen schätze ich die Risiken insgesamt niedrig ein.

Thomas Rappold ist Investor und Autor des Buches Silicon Valley Investing.
sentifi.com

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