Passive Produkte setzen die aktive Fondsbranche unter Druck. Paolo Corredig, der Länderchef Schweiz von T. Rowe Price, sieht für aktive Fonds jedoch eine Zukunft – sofern der Asset-Manager es richtig macht.
Paolo Corredig, die von ETF und Indexfonds verwalteten Vermögen wachsen seit langem rasant, aktive Fonds erleiden Abflüsse. Wird der Trend zu passiven Produkten weiter anhalten?
Vermutlich ja. Wenn ich mit Kunden spreche, vor allem institutionelle Anleger wie Pensionskassen, spüre ich den Trend hin zu passivem und kostengünstigem Anlegen im Kernportfolio. Das führt letztlich dazu, dass der Anteil aktiver Fonds in der Asset-Allokation eher abnimmt. Aber nach wie vor werden immer noch die allermeisten Vermögen weltweit aktiv verwaltet.
Haben Anleger das Vertrauen in aktive Fonds verloren oder stehen Kostenüberlegungen im Vordergrund?
Gute Frage. Bleiben wir bei den Pensionskassen, sie sind sehr kostenorientiert. Allerdings sollten sie berücksichtigen, dass aktive Fondsmanager in der Lage sind, die Strategie durch verschiedene Marktumfelder zu steuern und somit eine höhere Kosteneffizienz bieten können.
Aktive Fonds generieren, nach Kosten, keinen Mehrwert, sagen diverse Statistiken und Untersuchungen.
Die immer wieder aufflammende Kritik an der aktiven Fondsbranche will ich nicht in Abrede stellen. Ich kann aber nur für uns sprechen, und wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir Alpha generieren. Unsere Fonds haben ihre Benchmark in 60 bis 90 Prozent der Fälle – je nach Betrachtungszeitpunkt – geschlagen. Es gibt Marktphasen, in denen aktive Manager besser performen und solche, in denen sie die Benchmark nicht schlagen. Eine umfassende Studie von uns zeigt, dass von unseren 18 aktiven US-Aktienstrategien für institutionelle Kunden, 94 Prozent die jeweilige Benchmark in mehr als der Hälfte der rollierenden 3-Jahreszeiträume übertrafen. Und alle 18 übertrafen ihre Benchmark in der Mehrzahl der rollierenden 5- und 10-Jahreszeiträume.
Gibt es Marktphasen, in denen aktive Manager tendenziell besser performen?
In Bärenmärkten kann ein guter aktiver Manager einen klaren Mehrwert schaffen. Auch wenn die Dispersion der Renditen breiter wird, kann ein Portfoliomanager dies ausnutzen und einen höheren Beitrag zur Outperformance beisteuern.
Wie sieht es aus in steigenden Märkten? In den letzten zehn Jahren gingen die Kurse fast nur nach oben.
Die Renditeabweichungen bei Aktien haben sich in einer sehr engen Bandbreite bewegt. In diesen Situationen ist es für einen aktiven Manager schwieriger, eine Outperformance zu generieren. Das ist jedoch wieder sehr allgemein gehalten. Wenn ich auf unsere Produkte schaue, zeigt sich, dass es dennoch geht. Hier kommt dann meist auch die Erfahrung eines Fondsmanagers zum Ausdruck, der nämlich mit einer strukturierten Fundamentalanalyse die richtigen Titel selektieren kann.
Ist es nicht schwierig erfolgreiche aktive Fonds zu finden, weshalb viele den passiven Weg gehen?
Absolut. Wer passiv anlegt, investiert einfach in den Durchschnitt, verpasst damit aber Investitionen in die besten Titel. Doch die Fondsselektion ist alles andere als trivial. Der Anleger muss einen gewissen Aufwand betreiben, um die besten Manager zu finden. Das benötigt Wissen, Zeit, Geld und Erfahrung. Denn nur ein Performancevergleich allein reicht nicht mehr. Zu einer guten Analyse gehört auch eine genaue Betrachtung des Anbieters: Wie ist er organisatorisch aufgestellt, wie lange sind die Analysten und Portfoliomanager im Unternehmen, wie sieht das Risikomanagement aus?
Spielt es wirklich eine Rolle, wie lange ein Fondsmanager im Unternehmen ist? Zählt nicht vor allem seine Erfahrung?
Das ist ein interessanter Punkt. Es gibt wissenschaftliche Evidenz, dass Teams, in denen Analysten und Portfoliomanager eng und lange zusammenarbeiten, eher den Markt schlagen. Wenn wir unserem Credo – dem Anleger Mehrwerte liefern – treu bleiben wollen, sind langjährige Anlagespezialisten essenziell.
Behaupten das nicht alle von sich?
Mag sein. Aktives Management ist Teil unserer DNA. Unser Anlagestil, die Prozesse und Strukturen basieren auf mehr als 80 Jahren Erfahrung. Dies äussert sich beispielsweise darin, dass unsere Investment-Experten im Durchschnitt 17 Jahre bei uns sind. Wir haben Portfoliomanager, die seit über 30 Jahren Teil des Unternehmens sind. Wir suchen permanent die besten Talente, oft rekrutieren wir sie von führenden Universitäten und fördern sie intern weiter. Bei uns kann es bis zu zwölf Jahre dauern, bis ein Portfoliomanager die Verantwortung für einen Fonds bekommt.
Der Druck in der Branche steigt und eine Konsolidierung findet statt, zumindest auf Anbieterseite. Wie gehen Sie damit um?
Der Druck, auf Margen- und Kostenseite, ist da, und den spüren wir auch. Das sieht man auch an den sinkenden Verwaltungsgebühren. Die Konsolidierung wird sich darum fortsetzen. Wünschenswert wäre sicherlich eine stärkere Konsolidierung auf Produktebene.
Momentan sieht es anders aus, die Produktpalette wird weiter ausgebaut. Allen voran Themenfonds werden häufig lanciert. Bei T. Rowe Price sehe ich wenig neue Produkte, fehlt Ihnen die Innovationskraft?
Überhaupt nicht. Viele Häuser stemmen kurzfristig neue Fondsvehikel, weil sie einem Anlagethema nachrennen, um Volumen einzusammeln. Auch bei Neulancierungen denken wir anders.
Wie denn?
Bis wir einen neuen Fonds auf den Markt bringen, müssen drei Kriterien erfüllt sein. Das Wichtigste ist, ob eine neue Anlageklasse langfristig einen Mehrwert generieren kann. Ist das erfüllt, stellen wir uns die Frage, ob dieses Thema längerfristig eine wichtige Rolle spielen wird. Sind wir davon überzeugt, kommt die letzte Frage: Haben wir Manager, die dieses Thema besetzen können? Das ist sehr wichtig. Der Manager muss ein Gefühl bekommen, wie sich Wirtschaft, Branchen und letztlich eine Gesellschaft verändern werden. Sind die erwähnten Kriterien erfüllt, verwaltet der Manager zuerst einmal ein sogenanntes Paper Portfolio. Erst nach mehreren Monaten lancieren wir den Fonds und mit der eigentlichen Vermarktung beginnen wir erst ein bis zwei Jahre später.
Warum erst so spät?
Würden Sie ein Medikament kaufen, das nicht intensiv getestet wurde? Zumal ein solches Medikament gar keine Zulassung erhalten würde. Doch unsere Branche verkauft oft Produkte, die gar nie real getestet wurden. Man berechnet diverse Szenarien und zeigt dem Investor ein Backtesting. Die sehen immer gut aus, ich zumindest habe noch nie ein schlechtes Backtesting gesehen (lacht). Unser Ansatz ist, dass wir einen neuen Fonds mit einigen Mitteln ausstatten und dem Fondsmanager die notwendige Zeit geben, seine Fähigkeit unter Beweis zu stellen. Werden die gewünschten Resultate erzielt, dann beginnen wir mit der Markteinführung.
Was muss die aktive Fondsbranche tun, damit sie bei Anlegern wieder stärker auf Anklang stösst?
Aktive Fonds, die gerade mal die Indexrendite liefern, werden es künftig schwer haben. Was wir machen müssen, ist bessere Aufklärung, damit Anleger die Spreu vom Weizen trennen können.