Whatever it takes

Die europäischen Währungshüter haben im März erneut tief in die Trickkiste gegriffen und das Anleihenkaufprogramm deutlich aufgestockt. Was bedeuten die Massnahmen für Obligationen-, Rohstoff- und Währungsmärkte?

Text: Adriano B. Lucatelli

Der März stand ganz im Zeichen von Mario Draghis Versprechungen. Neu wird das Anleihenkaufprogramm («Quantitative Easing») um monatlich 20 Milliarden Euro auf 80 Milliarden Euro aufgestockt, wobei die Europäische Zentralbank (EZB) künftig auch Unternehmensanleihen mit einwandfreier Bonität (ohne Finanzwerte) erwerben darf. Zusätzlich hat die EZB den Einlagensatz von –0,3 Prozent auf –0,4 Prozent gesenkt. Doch damit nicht genug. Banken können ab Juni über Geldleihgeschäfte mit vierjähriger Laufzeit bis zu 30 Prozent ihrer Kredite bei der EZB refinanzieren.

Trotz Draghis Griff zur geldpolitischen Trickkiste bleiben viele Beobachter vorsichtig. Ohne überzeugende Strukturreformen und staatliche Investitionen wird die Öffnung der Geldschleusen wirkungslos verpuffen. Der oberste europäische Währungshüter machte denn auch deutlich, dass die geldpolitischen Möglichkeiten praktisch ausgeschöpft seien. Die Euroländer seien jetzt an der Reihe.

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Die von Draghi verabreichte Beruhigungspille, der Aufschub der Zinsen in den USA sowie die Erholung der Ölpreise und der Finanztitel haben die Aktienmärkte etwas beruhigt. Nach dem Februarhoch ist der US-Volatilitätsindex auf dem S&P 500 denn auch von 27 auf 15 Punkte gesunken. Doch bleiben die Märkte weiterhin verletzlich. Die aktuelle Erholung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Aussichten für die Weltwirtschaft seit Jahresbeginn verschlechtert haben. Vor diesem Hintergrund würde es nicht überraschen, wenn die Märkte den Tiefpunkt aus dem Februar nochmals testen würden. Die kurzfristige Erholung kann also zur Risikoreduktion («sell into the rally») genutzt werden.

Europäische Unternehmensanleihen haben von den EZB-Massnahmen sehr profitiert, was die rückläufigen Renditen deutlich zeigen. Für Anleger in Euro-Staatsanleihen bleibt die Situation weiter angespannt. In Deutschland, Frankreich und den Niederlanden hat man bereits Negativrenditen bei Laufzeiten mit mindestens fünf Jahren. Staatsobligationen mögen die Investoren offensichtlich nur noch in den USA erwerben.

Zinserhöhung erwartet

Der US-Dollar hat nach Draghis Feuerwerk nicht – wie von vielen Beobachtern erwartet – mit einer Aufwertung reagiert. Dies wirft nun die Frage auf, wie lange die amerikanische Notenbank eine Zinserhöhung hinauszögern kann. Zwar hat Janet Yellen an der Sitzung vom März noch mit einer Zinserhöhung zugewartet. Doch ein Hauptargument, nämlich dass eine starke US-Valuta keine weiteren Zinsschritte rechtfertigt, hat seine Gültigkeit verloren. Auch das Kreditwachstum im Privatsektor spricht zwischenzeitlich für höhere Zinsen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Fed-Chefin spätestens im Juni nochmals an der Zinsschraube drehen wird, sofern es nicht zu einer erneuten Schwächung der Ölpreise kommt.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte ob Draghis Massnahmen die Hände gerieben haben. Eine Aufwertung des Frankens zur europäischen Einheitswährung blieb aus, weshalb sie auf eine weitere Reduktion der Zinsen verzichtet hat und am eingeschlagenen geldpolitischen Kurs festhält. Die Gründe für den «festen» Euro könnten in einer veränderten Taktik der EZB liegen. Offenbar möchte man die Einheitswährung nicht mehr unter allen Umständen schwächen.

Rohstoffe insgesamt bleiben als Anlageklasse unattraktiv, obschon sich das Erdöl und die Industriemetalle deutlich erholt haben. Gold hingegen dürfte auch nach Erreichen eines 13-Monate-Hochs als Absicherung und zur besseren Diversifikation weiterhin beliebt bleiben.

Der Ökonom Adriano B. Lucatelli ist Unternehmer, hält verschiedene Verwaltungsratsmandate und ist Dozent an der Universität Zürich. Lucatelli verfügt zudem über langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen von Schweizer Grossbanken und hat mit Erfolg ein Schweizer Wertpapierhaus auf- und ausgebaut. Neben der Fliegerei nennt der lizenzierte Helikopterpilot Tennis und politische Literatur zu seinen Hobbys. 

Disclaimer: Die gemachten Prognosen und Aussagen über die Finanzmärkte widerspiegeln die persönliche Meinung von Adriano B. Lucatelli zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich jederzeit verändern. Verweise auf bestimmte Wertpapiere, Vermögensklassen oder Finanzmärkte dienen nur zu Illustrationszwecken und sollten nicht als Beratung oder Empfehlung in Bezug auf den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verstanden werden.


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